Themenüberblick

Nicht nur Zuspruch in Koalition

Mit deutlichen Worten hat sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache gegen die Anhänger der Anti-Islam-Bewegung PEGIDA, die gegen eine Überfremdung Deutschlands demonstrieren, gerichtet. Sie rief die Bürger auf, sich nicht von den Initiatoren instrumentalisieren zu lassen. Der Anti-PEGIDA-Kurs Merkels stößt dabei nicht nur auf Zuspruch.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zwar werde bei Kundgebungen „Wir sind das Volk“ gerufen wie vor 25 Jahren während der Revolution in der DDR, sagte Merkel. Tatsächlich gemeint sei damit nun aber „Ihr gehört nicht dazu - wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion“, so die Kanzlerin. „Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen.“

Weltweit gebe es so viele Flüchtlinge wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte Merkel. Viele seien buchstäblich dem Tod entronnen. Das vielleicht größte Kompliment für Deutschland sei, dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden könnten. Auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hatte in seiner Weihnachtsansprache vor dem Hintergrund der PEGIDA-Demonstrationen zu Hilfen für Flüchtlinge aufgerufen. Das sei ein Zeichen der Menschlichkeit.

SPD warnt vor Teilnahme

Kurz vor neuen PEGIDA-Demonstrationen warnte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel vor einer Teilnahme an solchen Kundgebungen. „Nicht wenige der Organisatoren sind verurteilte Kriminelle, Neonazis und Antisemiten“, sagte Gabriel gegenüber der Zeitung „Bild am Sonntag“. „Anständige Leute laufen solchen Typen nicht hinterher.“

Gabriel räumte ein, die Politik müsse sich generell mehr und anders mit der wachsenden Zahl der Menschen beschäftigen, die das Gefühl hätten, Politik und Medien griffen ihre Belange und Interessen nicht mehr oder nicht genügend auf. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte, die Drahtzieher von PEGIDA politisch zu bekämpfen. Die Aktivisten der Bewegung zündelten gegen Einwanderer und Flüchtlinge. Mit den Mitläufern müsse man aber reden.

CSU setzt sich von Merkel-Kurs ab

Allerdings setzen Vertreter der schwarz-roten Koalition unterschiedliche Akzente im Umgang mit den Gefolgsleuten der PEGIDA-Bewegung. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte im Deutschlandfunk, man müsse bei PEGIDA unterscheiden. Es gebe die „teilweise zwielichtigen Organisatoren“ und die „rechtsextremen oder rechtsradikalen Dumpfbacken und Hooligans“ im Umfeld, und dann gebe es andererseits „normale Bürger“, die mitmarschierten und ihre Sorgen ausdrückten.

Kritik an diesen Demonstrationen hält Scheuer für fehl am Platz: „Ich halte nichts davon, pauschal die Menschen, die da mitmarschieren, zu verurteilen.“ Im Widerspruch zu Merkel sehe er sich nicht. Auch der CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller warnte vor einer Ausgrenzung der PEGIDA-Demonstranten: „Der überwiegende Teil derer, die bei PEGIDA demonstrieren, sind keine Rassisten.“ Vor allem Deutsche mit geringen Einkommen hätten das Gefühl, sie kämen wegen der Hilfe für Flüchtlinge zu kurz, sagte Müller. Die Flüchtlinge, aber auch andere Zuwanderer, würden von diesen Menschen als Konkurrenz empfunden.

Appell von Grünen und Linken

Grünen-Chef Cem Özdemir lehnte hingegen einen Dialog mit den PEGIDA-Anhängern ab. Er warf der Union vor, in der Frage von Flüchtlingen und Zuwanderern immer wieder zu versuchen, „rechts zu blinken“. Er halte das nicht für die richtige Strategie, um PEGIDA und die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) klein zu halten. Unter den PEGIDA-Demonstranten seien Holocaust-Verharmloser, obskure Persönlichkeiten und Kader rechtsextremer Gruppen, sagte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck.

Heftige Kritik am Umgang mit PEGIDA kam auch von den Linken. Deren Chefin Katja Kipping warf der CSU vor, eine Art parlamentarischer Arm dieser Bewegung zu sein. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, nannte Merkels Abgrenzung von PEGIDA „begrüßenswert“. Grüne und Linke forderten die Kanzlerin auf, ihren Worten nun Taten folgen zu lassen.

Sorge um Wirtschaftsstandort

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sorgt sich unterdessen um das Image des Wirtschaftsstandorts Deutschland. „Der Eindruck, dass bei uns gegen Ausländer demonstriert wird, schadet Deutschland“, sagte Kramer dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Wir brauchen Zuwanderung für unseren Arbeitsmarkt und damit unsere Sozialsysteme auch zukünftig bei abnehmender Bevölkerung im Erwerbsalter funktionieren.“ In Not geratenen Flüchtlingen zu helfen, sei „unsere moralische Verantwortung“, sagte Kramer.

Lob für ihre Äußerungen zu PEGIDA erhielt Merkel auch von der Internationalen Islamischen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Erziehung (Isesco) mit Sitz in Rabat. Der saudische Isesco-Generaldirektor, Abdelaziz al-Tuwairi, rief alle europäischen Regierungen auf, die Verunglimpfung von Religionen zu verhindern, um für mehr Toleranz und ein friedliches Zusammenleben zu sorgen.

Kritik von AfD

Scharfe Kritik an Merkel kam vom Vorsitzenden der AfD, Bernd Lucke. Eine Neujahrsansprache solle versöhnen und nicht spalten, sagte er. „Frau Merkel stempelt die Menschen als fremdenfeindlich ab, ohne ihnen Gehör schenken zu wollen.“ Dabei sei es die Pflicht der Bundeskanzlerin, zuzuhören. „Sie verurteilt Menschen von oben herab, die sie gar nicht kennt“, sagte der AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Alexander Gauland, an Merkels Adresse. Ihre Kritik an den PEGIDA-Kundgebungen werde der Protestbewegung noch mehr Zulauf bescheren, prognostizierte Gauland. Der AfD-Politiker hatte selbst im Dezember als „Beobachter“ an einer Dresdner PEGIDA-Demonstration teilgenommen.

Link: