Bürgermeister spricht von Missverständnis
Ein rechtsgerichteter Bürgermeister in Frankreich hat offenbar einem zu Weihnachten verstorbenen Roma-Baby die Beerdigung in seiner Gemeinde verweigert und für eine Welle der Empörung gesorgt. Politiker und Aktivisten zeigten sich erschüttert und warfen dem Ortschef Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vor. Am Sonntag wies dieser alle Vorwürfe zurück.
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Christian Leclerc, der Bürgermeister der Gemeinde Champlan bei Paris, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe sich „zu keinem Zeitpunkt“ der Bestattung widersetzt. „Die ganze Sache wurde aufgebauscht“, so Leclerc. Er selbst sei auf Urlaub gewesen, und die mit der Anfrage befasste „Person“ sei normalerweise dafür gar nicht zuständig. „Sie hat sich ein wenig in den verschiedenen Unterlagen verheddert.“
„Vorrang für Steuerzahler“
Ein von der Zeitung „Le Parisien“ veröffentlichtes Zitat sei „aus dem Zusammenhang“ gerissen, so Leclerc weiter. Er habe lediglich erklären wollen, wie Friedhöfe in einer Gemeinde verwaltet würden. „Man hatte die Wahl zwischen Corbeil und Champlan, ich habe am Mittwoch mein Einverständnis für eine der Möglichkeiten gegeben“, sagte der Bürgermeister weiter. Das sei möglicherweise falsch interpretiert worden.
Der parteilose Leclerc, der sich selbst zur Rechten zählt, war zuvor von „Le Parisien“ zitiert worden, dass auf dem Friedhof seiner Ortschaft nur noch wenige Gräber frei seien: „Vorrang haben diejenigen, die hier ihre Steuern zahlen.“ Daraufhin war er von vielen Seiten teilweise heftig kritisiert worden.
„Beleidigung Frankreichs“
Premierminister Manuel Valls kritisierte die Verweigerung einer Bestattung für das Kind aufgrund seiner Herkunft. Das sei „eine Beleidigung all dessen, was Frankreich ausmacht“, so Valls. Die Familienstaatssekretärin Laurence Rossignol zeigte sich erschüttert: „Ein Baby zu verlieren bedeutet unermessliches Leid“, schrieb die Sozialistin im Kurznachrichtendienst Twitter. Betroffenen Eltern die Beerdigung zu verweigern sei eine „unmenschliche Erniedrigung“.
Auch der Menschenrechtsbeauftragte des Landes hat sich eingeschaltet. Er sei über die Berichte „fassungslos und schockiert“, sagte Jacques Toubon am Sonntagabend dem Radiosender Europe1. Er werde gleich am Montag eine Untersuchung des Falles einleiten.
Die Gemeinschaft der rund 30 Roma-Familien in dem Ort südlich von Paris nannte die Vorgänge „schändlich“. In Frankreich können Menschen an ihrem Wohnort, an ihrem Sterbeort oder in einer Gemeinde, wo die Familie bereits ein Grab hat, bestattet werden. In jedem Fall müssen die Angehörigen beim jeweiligen Bürgermeister um Erlaubnis bitten.
„Ablehnung sehr selten“
Das am 14. Oktober geborene Mädchen Maria Francesca war in der Nacht auf den 26. Dezember am plötzlichen Kindstod gestorben, wie der Präsident des örtlichen Vereins zur Unterstützung der Roma, Loic Gandais, mitteilte. Das Baby starb in einem Krankenhaus der an Champlan angrenzenden Gemeinde Corbeil-Essonnes. Ein Bestattungsunternehmen aus Corbeil-Essonnes stellte daraufhin im Auftrag der Familie den Antrag, das Kind in Champlan begraben zu dürfen.
Leclerc habe die Anfrage ohne Begründung abgelehnt, sagte der Bestatter Julien Guenzi am Samstag der AFP. Er müsse sich nicht erklären, doch seien derartige Ablehnungen „sehr selten“. Maria Francescas Eltern leben in einem Roma-Lager am Ortsausgang von Champlan, ihre fünf und neun Jahre alten Söhne gehen dort in die Schule. Das Dorf liegt knapp 20 Kilometer südwestlich von Paris in unmittelbarer Nähe des Flughafens Orly.
Angesichts der Schwierigkeiten bot schließlich die nahe gelegene Gemeinde Wissous der Familie an, das Baby dort zu beerdigen. Die Bestattung ist für Montag vorgesehen. „Einfach aus Menschlichkeit konnte die Situation so nicht bleiben“, sagte Bürgermeister Richard Trinquier von der konservativen Partei UMP. „Es gibt keinen Grund, einer Mutter, die neun Monate ein Kind ausgetragen hat und es nach zweieinhalb Monaten verliert, weiteren Schmerz zu bereiten.“
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