Autohersteller auf ungewohntem Terrain
Die Autohersteller feilen an Konzepten und Apps für Verkehrsangebote. Sie stehen unter einem ähnlichen Druck wie die Handyanbieter vor einigen Jahren: Nur wer mit seinem Angebot besonders viele Kunden an sich bindet, kann gewinnen.
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Hersteller wie Daimler, BMW und Volkswagen arbeiten derzeit mit Hochdruck an neuen Verkehrsangeboten. Mobilitätskonzepte der Zukunft nennen sie es - oder intermodale Mobilität. Dabei geht es um Software, die dem Nutzer, selbst ohne eigenes Auto, den optimalen Weg von A nach B anzeigt.
Autohersteller suchen neue Kunden
„Die Zulassungszahlen zeigen: Es wird schwieriger für die Autohersteller, Autos zu verkaufen“, sagt Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young. Und Lorenzo Veronesi vom IT-Beratungs- und Marktforschungsunternehmen IDC meint: „Autohersteller sind besorgt darüber, dass es eine Entwicklung gibt, die ihr Geschäftsmodell erschüttert.“ „Sie bemühen sich um eine neue Generation von Käufern, die Autos nicht mehr als Statussymbol kauft.“
Nicht nur Platzhirsche wie Google kämpfen mit etablierten Anwendungen wie Google Maps um diese potenziellen Nutzer. Auch neue Wettbewerber wie die Mitfahrvermittlung Uber drängen in das Geschäft mit Verkehrsplanung. Gleichzeitig feilen etablierte IT-Firmen wie SAP an Software, die Mitfahrangebote und öffentlichen Nahverkehr verbindet.
Viele Ansätze werden ausprobiert
Während es für die IT-Firmen darum geht, ein neues Geschäftsfeld zu besetzen, bewegen sich die Autohersteller in Neuland. „Es geht um Neukundengewinnung und darum, neue Technologien auszuprobieren“, sagt Wolfgang Bernhart von der Strategieberatung Roland Berger. Vor allem E-Fahrzeuge würden in die Carsharing-Angebote eingebunden, um die Akzeptanz zu erhöhen, quasi als bezahlte Probefahrt mit eingebautem Lösungsansatz. Kann ein E-Auto-Fahrer für eine längere Strecke auf einen Mietwagen oder die Bahn zurückgreifen, stellt er sich nicht mehr die Frage nach der mangelnden Reichweite.
Wie viel Geld die Projekte bringen, ist noch nicht klar: „Langfristig ist der Markt immer noch sehr schwach“, prognostiziert IDC-Analyst Veronesi. Daimler plant einer Sprecherin zufolge mit seinem Carsharing-Angebot und der Plattform Moovel bis Ende 2014 mit 100 Millionen Euro Umsatz, die Profitabilität steht erst einmal hinten an. Bernhard Blättel, Leiter der Abteilung Mobilitätsdienstleistungen bei BMW, sagt: „Wir wollen Mobilitätsdienstleistungen als profitables Geschäftsfeld aufbauen. Das ist kein reines Marketingtool.“
Smartphones als Vorbild
BMW hat extra den Wagniskapitalgeber iVentures ins Leben gerufen. Die in New York ansässige Unternehmung York solle strategische Beteiligungen und mögliche Kooperationspartner im App-Geschäft ausfindig machen, so BMW. Auch Daimler setzt zunehmend auf Kooperationen. Neben dem Einstieg bei myTaxi arbeitet der Hersteller mit einem Limousinenservice und einem Fernbusanbieter zusammen, aber auch mit der Bahn und öffentlichen Nahverkehrsanbietern. Volkswagen hat gerade ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Nahverkehrsanbieter gestartet.
Nach Einschätzung von Fuß sind Kooperationen der richtige Weg: Denn mit dem App-Geschäft verließen die Autohersteller ihre Kernkompetenz. Freiwillig ist das Engagement nicht: „Die Hersteller müssen die Hoheit über den Kunden behalten“, so Fuß. „Gleichzeitig droht ihnen ein Werteverfall des Autos.“
Wie wichtig die Hoheit über den Kunden ist, zeigt der Vormarsch der Apps im Mobilfunkgeschäft: Frühere Platzhirsche wie Nokia und Motorola konnten ihre Position nicht halten. Dominiert wird das Geschäft heute von Google und Apple, die enorm viele Nutzer an ihre Betriebssysteme binden konnten, und zwar so, dass sich die App-Hersteller auf sie konzentrierten. Für Veronesi stellt das die beste Vorlage dar: „Die Autohersteller müssen ein Ökosystem aufbauen, wie wir es heute im Mobilfunkgeschäft sehen.“
Annika Graf, dpa
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