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„Märkte trocknen schnell aus“

Die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Aufsicht über die größten Banken in der Euro-Zone erwartet bisher kaum Auswirkungen des jüngsten Verfalls des Rubels auf die heimischen und generell die europäischen Kreditinstitute.

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„Wir glauben, dass die Märkte für einige Tage, vielleicht einige Wochen nervös sein werden, deshalb sind die Aufseher wachsam und beobachten, was passiert. Aber wir glauben, dass die Schulden russischer Firmen bei den Banken eine Dimension haben, die keinen Anlass geben sollte, Probleme zu fürchten“, sagte die Chefin der Bankaufsicht, Danielle Nouy, am Mittwoch im französischen Radiosender Inter.

Die Aktie der Raiffeisen Bank International (RBI) etwa war am Dienstag im Gefolge der Rubel-Turbulenzen auf ein Allzeittief gefallen. Auch die Aktien von Frankreichs Societe Generale und des italienischen Bank-Austria-Mutterkonzerns UniCredit gaben deutlich nach. Laut Analysten hat die Societe Generale 25 Milliarden Euro an Russland-Risiken, UniCredit etwa 18 Mrd. UniCredit versuchte zu beruhigen: Man habe das Russland-Risiko abgesichert, die Rubel-Krise sei keine Gefahr für die Bank.

RBI rechnet mit Gewinn in Russland

Die RBI betonte am Mittwoch, sie erwarte trotzdem hohe Gewinne ihrer russischen Tochter. „Das Ergebnis 2014 wird nach wie vor hoch positiv sein“, erklärte die Bank am Mittwoch. Allerdings wirke sich die Abwertung der russischen Währung negativ auf Einnahmen und Kapital aus, räumte das Finanzinstitut ein. Die RBI erwirtschaftet einen großen Teil ihrer Gewinne in Russland.

Flucht aus Russland

Die westlichen Banken reagieren laut „Wall Street Journal“ („WSJ“) jedenfalls auf den Rubel-Verfall mit einer starken Einschränkung des Kapitalflusses nach Russland. Großbanken wie Goldman Sachs hätten diese Woche begonnen, die Anfragen von Firmenkunden zu Geschäften auf Rubel-Basis abzulehnen.

Laut „WSJ“ berichten Banker und Händler davon, dass der Trend, Rubel-Transaktionen zu beschränken, bei großen westlichen Finanzinstitutionen seit Beginn der Woche deutlich stärker geworden sei. Das habe „das Potenzial, das russische Finanzsystem noch mehr unter Druck zu setzen“. Gleichzeitig würden die Finanzinstitutionen durch kurzfristige Wetten weiter versuchen, vom wilden Rubel-Kurs zu profitieren. Goldman Sachs stellte etwa zuletzt langfristige Rückkaufvereinbarungen auf Rubel-Basis weitgehend ein. Nur noch kurfristige, unter einjährige Geschäfte dieser Art würden abgeschlossen, so das „WSJ“.

Symptome für „hastigen Rückzug“

Der Onlinedevisenhändler FXCM stellte am Mittwoch alle Rubel-Dollar-Geschäfte ein. Begründet wurde dieser Schritt auch damit, dass „die meisten westlichen Banken keine Preise mehr für Rubel-Dollar-Käufe angeben“. Laut Händlerangaben ist der russische Finanzmarkt fast völlig ausgetrocknet. Dass der Händler eines auf Schwellenländer spezialisierten Hedgefonds am Dienstag keine Bank für einen Handel mit russischen Staatsanleihen finden konnte, wertet das „WSJ“ als Zeichen für den „hastigen Rückzug“ der Banken.

Keine Umschuldung möglich

„Investoren gehen jetzt davon aus, dass die Rezession in Russland ziemlich stark ausfällt“, so Andrew Milligan von Standard Life Investments gegenüber der „Financial Times“ („FT“). „Es gibt jetzt vor Weihnachten verständliche Sorgen über Märkte, die schnell austrocknen“, so Milligan.

Dank einer in den vergangenen Jahren vorsichtigen Fiskalpolitik und dank Devisenreserven, die seit Jahresbeginn zwar um fast 100 Mrd. Dollar (80 Mrd. Euro) schrumpften, aber sich noch immer auf 400 Mrd. Dollar belaufen, konnte Russland eine offene Finanzkrise bisher verhindern. Der Fall des Rubels erhöhte laut „FT“ aber den Berg an Auslandsschulden von Banken und Unternehmen auf mehr als 600 Mrd. Dollar. Wegen der Sanktionen könne fast nichts davon umgeschuldet werden.

DIW: Pleiterisiko bei 33 Prozent

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite Russlands mittlerweile bei rund 33 Prozent. Das signalisierten auf den Finanzmärkten die Kreditausfallpapiere (CDS) gegen den Ausfall russischer Staatsanleihen, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Mittwoch in Berlin.

„Ich halte das für eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass wir hier irgendwo bei einem Drittel liegen.“ Von einer Pleite wären auch die Euro-Zone und viele Schwellenländer betroffen. „Zu glauben, dass Russland isoliert bleiben könnte, wird sich wohl als eine Illusion herausstellen.“

Spekulieren über Kapitalverkehrskontrollen

Russland leidet unter einem Verfall des Ölpreises und einer Talfahrt des Rubels. Die Zentralbank des Landes hatte sich mit einer drastischen Zinserhöhung gegen die Turbulenzen und eine massive Kapitalflucht gestemmt. Fratzscher bezeichnete die Situation für Russland als extrem schwierig. Er gehe davon aus, dass die russische Regierung letztlich doch versuchen werde, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um die Flucht von Investorengeldern zu stoppen. Derzeit dementiert Moskau vehement, solche Pläne zu wälzen.

Wichtig sei vor allem, den Ukraine-Konflikt so schnell wie möglich politisch beizulegen. „Nur dann, wenn die Sanktionen wieder aufgehoben werden und ausländisches Kapital und Kapital von russischen Investoren wieder ins Land reinkommt, wird sich die Lage wieder stabilisieren können.“

Der Westen wirft Russland vor, die Rebellen in der Ostukraine zu unterstützen und damit zur Destabilisierung des Landes beizutragen. Die USA und die Europäische Union haben deshalb eine Reihe von Sanktionen gegen Russland verhängt.

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