Ernte drastisch eingebrochen
2008 haben die Probleme begonnen: Sowohl in Europa als auch in Nordamerika starb ein großer Prozentsatz der Austernlarven. Seitdem kämpft die Branche: Einmal sind es Viren, einmal Bakterien, die große Teile der Ernte zunichtemachen. Für Experten ist es aber vor allem der Klimawandel, der die Zucht der Delikatesse zusehends schwieriger macht.
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Seit zwei Jahren sterben 80 bis 90 Prozent der Larven ab, berichteten Züchter im kanadischen British Columbia der Zeitung „The Globe and Mail“. Früher war es nur etwa die Hälfte der Aussaat, die verloren ging. Auch die Züchter von Jakobsmuscheln müssen ähnliche Ausfälle verkraften.
Washington prescht vor
Nicht viel besser geht es den Austernfarmen in den USA. Im Bundesstaat Washington reagierte der dortige Gouverneur Jay Inslee bereits: Der Bundesstaat gilt in der Klimapolitik als Vorreiter in den USA, die Grenzen für den CO2-Ausstoß sollen stark gesenkt werden. Inslee kämpfte auch schon als Abgeordneter für mehr Klimaschutz - auch aus handfesten wirtschaftlichen Gründen. Denn tatsächlich gibt es Hinweise, dass Kohlendioxid gleich aus mehreren Gründen der Hauptverursacher der Austernmisere ist.
Weltmeere zu sauer
Algen in den Weltmeeren nehmen CO2 auf. Doch mit zunehmendem Ausstoß und höherer Konzentration landet auch mehr in den Ozeanen - sie nehmen nämlich ein Viertel bis ein Drittel des ausgestoßenen CO2 auf. Im Wasser reagiert das Kohlendioxid zu Kohlensäure.
Das lässt den pH-Wert des Wassers sinken, die Meere werden saurer. Das wiederum erschwert es den Austernlarven, Kalziumkarbonat für ihre Muschel zu produzieren - und sie sind anfälliger für Krankheiten. Auch die Erwärmung der Weltmeere trägt ihren Teil dazu bei, dadurch verschiebt sich nämlich die Blüte von Plankton, der Hauptnahrung der Austern.
„Wie Kanarienvogel in der Mine“
Für viele ist das Austernsterben nur ein Vorbote: „Es ist wie der Kanarienvogel in der Mine“, sagt Gouverneur Inslee laut „New York Times“. Die Vögel in Bergwerksstollen dienten früher als Warnsystem für den Fall, dass die Kohlenmonoxidkonzentration in einem lebensbedrohlichen Ausmaß stieg. Starben die Vögel, wussten die Arbeiter um die Gefahr. Auch Dave Nisbet, Austernzüchter in Bay Center 150 Kilometer von Seattle entfernt, wählte in einem Interview mit al-Jazeera dieselbe Metapher: „Das ist erst der Anfang.“
Viren und Bakterien wüten in Europa
In Europa ist die Austernkrise bereits weit fortgeschritten: Bis 2007 wurden in Frankreich jedes Jahr rund 130.000 Tonnen Austern verkauft. Doch dann raffte im Sommer 2008 das Herpesvirus OsHV-1 in manchen Gebieten mehr als 80 Prozent der Jungtiere hinweg. Auch in australischen Austernbetrieben wütete das Virus.
Im folgenden Jahr sah es nicht viel besser aus. Kaum hatte sich die Branche ein wenig erholt, sorgten Bakterien erneut für schwere Schäden. In Europa waren es Vibrio splendidus und Vibrio aestuarianus, die große Teile der Jungtiere töteten, in den USA kämpfte man zunächst mit dem Bakterium Vibrio tubiashii. Erst vor wenigen Wochen stellte die Oregon State University fest, dass eigentlich Vibrio coralliilyticus für die Schäden sorgte.
Zu warmes Wasser
Viren und Bakterien können die Austernbänke erst dann gefährden, wenn die Wassertemperatur über 16 Grad Celsius steigt - die Erwärmung der Weltmeere ist also auch hier ein Auslöser für das Austernsterben. Die Ernte in Frankreich stürzte zunächst auf 90.000, dann auf 80.000 Tonnen ab. In Neuseeland verringerte sich die Austernproduktion um 60 Prozent. Austernliebhaber müssen damit immer tiefer in ihre Geldbörse greifen. Gerade zu Weihnachten gelten die Muscheltiere vor allem in Frankreich als beliebte Delikatesse. Der Preis sei seit 2008 laut amtlichen Angaben um mehr als ein Drittel gestiegen, berichtete Bloomberg.
Asien als Rettung?
Gourmets hoffen nun auf Asien. Auch wenn Japan und Südkorea ebenfalls mit Problemen kämpfen, hat China seit Anfang der 1990er Jahre die Produktion drastisch ausgebaut. Mittlerweile werden rund 3,8 Millionen Tonnen im Jahr produziert, das sind mehr als drei Viertel der weltweiten Produktion.
Asien hat Europa schon mehrmals aus der Patsche geholfen: In den 1970er Jahren wurden die Bestände durch zwei Epidemien stark dezimiert, der gesamten Branche drohte der Zusammenbruch. Daraufhin importierte man die Pazifische Felsenauster aus Japan, die gegen die Krankheiten resistent ist. Der Makel: Laut einer französischen Studie wurden damals fast 50 Spezies, vor allem Algen und Wirbellose, eingeschleppt, die bisher in Europa nicht heimisch waren. Von diesen Lebewesen könnten neue Krankheiten für Austern und die gesamte restliche Fauna und Flora ausgehen.
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