„Kerngeschäft“ und erweitertes Programm
Der Start in die Wintersaison verläuft zäh: Nur auf den Gletschern und in den Skigebieten in höheren Lagen war Skifahren anfangs möglich. Viele Skigebiete mussten ihren Saisonstart wegen Schneemangels verschieben. Fest steht: Treten langfristige Klimaprognosen ein, werden sich Wintersportorte, vor allem jene in niedrigeren Lagen, einen Plan B zurechtlegen müssen.
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Zwar wollen die Gäste längst nicht mehr „nur“ auf die Piste, allerdings ist das Skifahren immer noch der Kern des Geschäfts. Laut Daten der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer („Tourismus und Freizeitwirtschaft in Zahlen 2014“) ist „Schneesicherheit“ eine der Top-Vier-Entscheidungsgrundlagen für Österreich als Reiseziel im Winter. Anders gesagt: Für die Mehrheit ist ein Winterurlaub ohne Schnee kein Winterurlaub. Für Skigebiete in niedrigeren Lagen könnte dieses Thema daher längerfristig zur Existenzfrage werden. Aktuell ist es freilich nicht erst seit dem letzten Winter.
Höhere Schneefallgrenze und kürzere Saison?
Ende 2012 befasste sich eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie unter dem Titel „Klimawandel und Tourismus 2030“ mit entsprechenden Zukunftsszenarien. Laut dieser Studie ist in den nächsten Jahren mit einem Anstieg des Temperaturmittels in den Wintermonaten um etwa 0,5 Grad Celsius alle zehn Jahre zu rechnen. Das bedeutet, dass bis 2030 „die natürliche Schneefallgrenze“ regional etwa um 150 Meter „in die Höhe wandert“.

APA/Barbara Gindl
Grüne Pisten im vorigen Winter auch in Salzburg
Das könne wiederum zur Folge haben, dass bis dahin Dutzende von unter und um die 1.500 Meter gelegenen Skigebiete über keinen „verlässlichen Schneedeckenaufbau“ mehr verfügen. In einer Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien aus dem Jahr 2011 unter dem Titel „Einfluss des Klimawandels auf Tourismusdestinationen“ ist die Rede vom längerfristigen möglichen Ausfall von 30 Skitagen und mehr in der Osthälfte des Landes. Generell betroffen würden vor allem Skigebiete in Nieder- und Oberösterreich, der Steiermark, Salzburg und Kärnten sein, weniger die in Nordtirol und Vorarlberg.
„Grüner“ Winter 2013/2014
Der letzte Winter war laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nach 2006/2007 der zweitwärmste in der 247-jährigen Messgeschichte. Die Temperatur lag um 2,7 Grad über dem langjährigen Mittel. Im Norden und Osten des Landes fiel teilweise nur ein Zehntel der üblichen Schneemengen, im Süden dafür mancherorts die fünffache Menge.
Für die Tourismuswirtschaft insgesamt wäre das ein ziemlich schwer zu verdauender Brocken. Nicht nur sorgen Wintergäste für eine höhere Auslastung in den Beherbergungsbetrieben als Sommergäste, sie geben laut aktuellen Zahlen der Wirtschaftskammer durchschnittlich auch um 21 Euro pro Tag mehr aus. Die Tourismuswirtschaft sieht der Zukunft trotzdem eher gelassen entgegen. Der Fachverband der Seilbahnen Österreichs betonte gegenüber ORF.at, dass die Angebotspalette für den Winterurlaub in den letzten Jahren deutlich breiter geworden sei. Auch im „klassischen Kerngeschäft“ Skifahren liege Österreich weit vorne. Jeder sechste „Skier Day“ weltweit - rund 50 Millionen pro Jahr - werde in einem heimischen Wintersportort verbracht.
Bedingt „wetterunabhängig“ durch Beschneiung
Auch von der Österreich Werbung (ÖW) heißt es, die Skigebiete seien für die Zukunft „gut aufgestellt“. Bis zu einem gewissen Grad sei Wintersport schon heute auch „wetterunabhängig“ möglich, so Geschäftsführerin Petra Stolba gegenüber ORF.at. Dafür sorgten „in niederschlagsärmeren Zeiten oder in tieferen Lagen“ Beschneiungsanlagen, in die in den letzten Jahren viel Geld investiert wurde. Allerdings können sich diese bzw. deren nicht gerade billigen Betrieb viele kleine Skigebiete nicht leisten. Außerdem hat auch Beschneiung eine obere Temperaturgrenze.
„Diversifizierung in Richtung Ganzjahrestourismus“
Zum Plan B gehören aber nicht nur Schneekanonen, sondern vor allem auch eine strategisch breitere Aufstellung. Das wetterunabhängige Angebot müsse ausgebaut werden, empfiehlt die Wirtschaftskammer zum Thema „Standortsicherung im Tourismus“. Außerdem brauche es eine „Flexibilisierung und Diversifizierung der Angebote in Richtung Ganzjahrestourismus“. Eventuelle wetterbedingte Ausfälle in der Wintersaison könnten damit über die Jahreszeiten hinweg kompensiert werden.

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Skifahren ist und bleibt „klassisches Kerngeschäft“ (im Bild: Flachau in Salzburg)
Ähnlich die Österreich Werbung: Neben dem Skifahren als „Kernaktivität der meisten Gäste“ würden auch andere Aktivitäten - vom Schneeschuh- und Winterwandern bis hin zur winterlichen Kutschenfahrt - immer stärker nachgefragt. Familien (mit mehreren Generationen) oder gemischte Gruppen wünschten sich ein breiteres Programm, so Geschäftsführerin Stolba. Für die Wintersportorte bedeute das, dass sie durchaus auch mit Zusatzangeboten wie Wanderwegen, Langlaufloipen, Gesundheits-, Wellness- und kulinarischen Angeboten punkten könnten. „Für den Wintertourismus in Österreich wird es daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein, diese zusätzlichen bzw. alternativen Angebote im Winter, die es jetzt bereits schon gibt, weiter zu verstärken“, um auch Nichtskifahrern etwas bieten zu können.
Kulinarik, Wandern und Ganzjahresprogramm
Beispiele gibt es einige: Zell am See - Kaprun lockt Skifahrer und Nichtskifahrer mit „Kulinarik am Berg“ und „Weingenuss auf 2.000 Metern“, der Bregenzerwald mit Winterweitwandern und Hundeschlittenfahrten, das Gasteinertal mit Wellness. Kleinere Skiregionen in Ostösterreich versuchen sich über das ganze Jahr breiter aufzustellen.
Die Schischaukel Mönichkirchen-Mariensee am Wechsel im niederösterreichisch-steirischen Grenzgebiet etwa investierte rund 700.000 Euro in die Erweiterung ihres Sommerangebots, vor allem in eine Roller- und Mountaincartbahn, die im Vorjahr eröffnet wurde. St. Corona, ebenfalls am Wechsel, stand schon vor dem Aus und bekommt im nächsten Jahr eine Sommerrodelbahn und ein „Kinderland“.

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Winter wie jener 2012/2013 könnten in den Ausläufern der Ostalpen (im Bild: Wechsel/Mariensee) künftig eher die Ausnahme bleiben
Interessantes Detail am Rande: Das weitaus größte Plus bei der Zahl der Gästebetten gab es in der vorigen Wintersaision in den einzigen Nichtski-Bundesländern Wien und Burgenland. Auch die Zahl der Übernachtungen stieg dort (und in der Steiermark) entgegen dem bundesweiten Trend. Möglicherweise profitiert also längerfristig der Städte- und Wellnesstourismus von schneearmen Wintern. Die burgenländischen und steirischen Thermen waren in der letzten Saison jedenfalls voll.
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