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Gleichzeitig aber geringe Kaufkraft

Nach dem EU-Beitritt vor 20 Jahren sind Waren und Dienstleistungen weniger schnell teurer geworden als in den Jahrzehnten davor. Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate von 1995 bis 2013 betrug 1,9 Prozent. In den 1970er und 1980er Jahren lagen die jährlichen Preissteigerungen noch bei 6,3 bzw. 3,8 Prozent. Die Österreicher konnten von der geringen Inflation aber nicht wirklich profitieren.

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Auf die Kaufkraft eines Arbeiters wirkte sich der EU-Beitritt tendenziell eher negativ aus, geht aus Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) hervor. Die Löhne stiegen offensichtlich nicht so schnell wie die Preise. So musste ein Industriearbeiter im Herbst 2014 für typische Haushaltsprodukte im Schnitt durchwegs länger arbeiten als noch im Jahr 2000.

Nahrungsmittel besonders teuer

Überproportional teurer wurden demnach vor allem Nahrungsmittel, Dienstleistungen und Treibstoffe. Verhältnismäßig günstiger wurden Bekleidung, Briefporto und Zucker. Von 21 beispielhaft erfassten Waren und Dienstleistungen verteuerten sich 13 im Vergleich zum Lohnanstieg überproportional.

Profiteur bei Export und BIP-Wachstum

Österreichs Außenhandel hat vom EU-Beitritt stärker profitiert als andere EU-Länder. In den fast 20 Jahren von 1995 bis 2013 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - sind die Güterexporte im Durchschnitt pro Jahr um 6,6 Prozent gestiegen. Österreich war damit um zehn Prozent besser als der Euro-Zonen-Durchschnitt (6,0 Prozent) und um acht Prozent besser als Deutschland (6,1 Prozent). Aber bereits in den Jahrzehnten davor stiegen die Exporte kräftig an. In den 1970er Jahren waren es im Jahresdurchschnitt zwölf Prozent, in den 1980er Jahren 7,6 Prozent und in den 1990ern 6,8 Prozent. Durch die Ostöffnung stiegen die Ostexporte von 13 auf 23 Prozent.

Auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Österreichs ist seit dem EU-Beitritt schneller gewachsen als jenes anderer Länder. Real wuchs die heimische Wirtschaft seit 1995 jährlich im Schnitt um 1,9 Prozent, in der Euro-Zone um 1,5 Prozent und in Deutschland um 1,3 Prozent. In den Jahrzehnten davor lagen die jährlichen österreichischen BIP-Wachstumsraten in den 1970er Jahren bei 3,8 Prozent, in den 1980ern bei 2,0 Prozent und in den 1990er Jahren bei 2,7 Prozent.

Kapitalmarkt kräftig angewachsen

Interessant ist auch die Entwicklung des heimischen Kapitalmarktes. 1997 machte die Marktkapitalisierung von Aktien inländischer Unternehmen an der Wiener Börse 33,3 Mrd. Euro aus. Bis knapp vor dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 stieg sie auf 167 Mrd. Euro, um im Folgejahr wieder auf 59 Mrd. Euro einzubrechen. Ende 2013 waren es wieder 88,6 Mrd. Euro.

Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt stieg der Wert der börsennotierten Unternehmen von 17,8 Prozent im Jahr 1997 auf 59,1 Prozent im Jahr 2007 und sank krisenbedingt bis Ende 2013 wieder auf 27,5 Prozent.

ATX noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau

Börsennotierte Banken und Versicherungen spielten für die Wiener Börse schon immer eine wichtige Rolle. Sichtbarer wird ihre Bedeutung, wenn man ihren Börsenwert ins Verhältnis zum BIP setzt: 1997 entsprach ihre Bewertung 6,8 Prozent des BIPs, auf dem Höhepunkt der Börsenhausse 2007 - der Leitindex ATX lag knapp unter 5.000 Punkten - waren es schon fast 23 Prozent des BIPs. Ende 2013 waren es wieder 8,1 Prozent, und der ATX hatte sich auf 2.546 Punkte halbiert. Der ATX hat bisher bei weitem nicht so viel wettgemacht wie andere Börsen, die wieder das Vorkrisenniveau erreichten konnten.

Das Volumen der emittierten Anleihen hat sich seit 1999 von 168 Mrd. auf 425 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Bundesanleihen verloren an Gewicht, ihr Anteil an den im Umlauf befindlichen Anleihen ging von 54 Prozent auf 45 Prozent zurück. Dafür boomten Unternehmensanleihen. Ihr Volumen stieg von 8,6 auf 53,2 Mrd. Euro. Bankanleihen entwickelten sich ebenfalls rasant, ihr Volumen stieg von 67,2 auf 167,7 Mrd. Euro. Entsprach das gesamte Anleihevolumen 1999 noch knapp 83 Prozent des BIPs, stieg es bis 2013 auf fast 132 Prozent.

Faymann: „Österreich hat stark profitiert“

Für Bundeskanzler Werner Faymann steht zum 20-Jahr-Jubiläum des österreichischen EU-Beitritts fest, dass „Österreich stark vom gemeinsamen Europa profitiert hat, aber noch viele Herausforderungen zu bewältigen sind“. Österreich profitiere insbesondere wirtschaftlich von der EU, denn rund 70 Prozent des Außenhandels fänden mit anderen EU-Mitgliedsländern statt. Gleichwohl bleibe die Herausforderung, „sich für ein faireres und gerechteres Europa einzusetzen“, so Faymann, „gerade in einer Zeit, in der es um die Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise geht und in der alles für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa getan werden muss“.

Ähnlich äußerte sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) anlässlich des Jubiläums: Österreich habe vom EU-Beitritt vor 20 Jahren „massiv profitiert“. „Die EU ist ein erfolgreiches Friedensprojekt, ist ein erfolgreiches Wirtschaftsprojekt, ist ein Projekt, das insbesondere einem Land wie Österreich, das exportorientiert ist, das durch die Osterweiterung profitiert hat, massiv Chancen gegeben hat. Jetzt gilt es daran zu arbeiten, dass die EU noch besser wird. Es ist legitim zu sagen, dass es nach wie vor Fehler gibt“, so Kurz.

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