Länderliste als „dringliche Maßnahme“
Der US-Auslandsgeheimdienst CIA ist laut dem Senatsbericht mit den geheimen, nach den Enthüllungen vor ein paar Jahren heftig umstrittenen Gefängnissen im Ausland ohne Erlaubnis vorgeprescht. Bereits drei Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde streng geheim eine Liste mit möglichen Orten außerhalb der USA für die „Black Sites“ erstellt.
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Die Erstellung der Liste sei vom Chef der CIA-Anti-Terror-Abteilung als „dringliche Maßnahme“ definiert worden. Erst drei Tage später erhielt die CIA überhaupt die Befugnisse, Terrorverdächtige zu fassen und festzuhalten - als Teil eines mit der höchsten Geheimhaltungsstufe unterzeichneten Dekrets von US-Präsident George W. Bush. Mit diesem Dekret des Präsidenten habe die CIA, wie die „Washington Post“ schreibt, die Erlaubnis für den ersten schicksalhaften Schritt erhalten, Geheimgefängnisse im Ausland zu errichten.

APA/AP
In dieser Anlage in Rumänien befand sich das CIA-Geheimgefängnis, in dem der Drahtzieher der 9/11-Anschläge, Chalid Scheich Mohammed, verhört wurde
Trotz einiger geschwärzter Passagen gibt der Senatsbericht einen detaillierten Einblick darin, wie die CIA unter Bush ein weltweites System dieser „Black Sites“ aufbaute. Die Liste inkludiert Länder wie Afghanistan, Thailand, Polen, Rumänien und Litauen. Die Länder, in denen die Geheimgefängnisse errichtet wurden, erhielten Millionenzahlungen aus Washington. Wo genau sich die „Black Sites“ befanden, verheimlichte die CIA geschickt vor den US-Botschaftern in den betroffenen Ländern, Kongressmitgliedern und sogar dem Präsidenten, heißt es weiter.
Von Schlägen bis zu „Waterboarding“
In den Geheimgefängnissen wurden mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder ohne richterlichen Beschluss festgehalten und mit brutalen Methoden verhört. Schläge, tagelanger Schlafentzug, das Überdehnen von Körperteilen, sexualisierte Gewalt, das Einführen medizinischer Geräte zur „rektalen Ernährung“, Scheinhinrichtungen und das berüchtigte „Waterboarding“ (Simulation von Ertrinken) waren einige der „Verhörpraktiken“ in den Geheimgefängnissen der CIA.
Damit begann auch die Spirale von Folter und Gewalt, die der Senatsbericht der CIA ankreidet. Die brutalen Mittel, die die CIA in den Geheimgefängnissen einsetzte, seien der Beginn des Falles der CIA in dunkle Zeiten gewesen, wie die „Washington Post“ sinngemäß schreibt. Das habe weitreichende Auswirkungen auf den US-Auslandsgeheimdienst und den unter Bush ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ gehabt, die noch heute spürbar seien.
Polen: US-Geheimdienste suchten ruhigen Ort
Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski gab am Mittwoch zu, US-Sicherheitsdiensten geheime Verhöre in Polen ermöglicht zu haben. „Es gab eine Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste, aber keine Zustimmung zu Folter“, sagte er. Die US-Dienste hätten sich an Polen gewandt, „um einen ruhigen Ort zu finden, um Informationen zu erlangen“, sagte er über Verhöre von Terrorverdächtigen auf polnischem Boden 2002 und 2003. Warschau habe einen ehemaligen Stützpunkt in Masuren zur Verfügung gestellt. „Wir hatten Bedenken, aber nicht, dass die Amerikaner das Recht in diesem Maße brechen könnten“, sagte er dem Sender TOK FM.
CIA lagerte Folter an Psychologen aus
Die CIA hatte laut dem Senatsbericht einen Großteil der Folterverhöre an zwei ehemalige Psychologen der US-Luftwaffe ausgelagert. Die zwei Psychologen mit den Decknamen „Swigert“ und „Dunbar“ hatten keinerlei Erfahrung mit Verhören und Anti-Terror-Maßnahmen. Laut dem Senatsbericht empfahlen sie allerdings für Terrorverdächtige „Waterboarding“, Schläge ins Gesicht und vorgetäuschte Hinrichtungen, um Gefangene gefügig zu machen und Informationen zu erhalten.
80 Prozent der „Verhöre“ ausgelagert
Laut dem Bericht waren die Informationen allerdings nichts wert bzw. nutzlos und führten zu keinen Verhaftungen oder der Vereitelung weiterer Anschläge. „Swigert“ und „Dunbar“ wurden von einer nicht näher genannten Geheimdienstquelle als James Mitchell und Bruce Jessen identifiziert. Die CIA lagerte rund 80 Prozent ihres Verhör- und Folterprogramms an die Firma der beiden, Mitchell Jessen und Associates in Spokane im Bundesstaat Washington, aus.
Insgesamt zahlte die CIA von 2005 bis zur Beendigung des Vertrages 2009 rund 80 Millionen Dollar. Der US-Auslandsgeheimdienst bezahlte laut dem Bericht, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, auch eine Million Dollar, um die Firma und ihre Angestellten vor jedweder rechtlichen Haftung zu schützen.
Qualifikation fehlte gänzlich
Der Senatsbericht zog nun die Qualifikation der Psychologen infrage und beschuldigte sie, als Architekten des Systems das Berufsethos verletzt zu haben. Laut dem Senatsbericht hatten die beiden weder Erfahrung noch Ahnung als Verhörspezialisten noch hatten sie Fachwissen über die Terrororganisation Al-Kaida noch Wissen über Anti-Terror-Maßnahmen. Auch fehlte den beiden laut dem Bericht jedweder relevante kulturelle oder sprachliche Hintergrund für das Verhören der Gefangenen.
Den Psychologen wird vorgeworfen, unverhältnismäßige Folter bzw. mehrmaliges Foltern hintereinander angeordnet zu haben. Der Chef der CIA-Verhörabteilung sei so angewidert gewesen, dass er nicht mehr mit dem Verhörprogramm in Verbindung gebracht werden wollte, und habe das per E-Mail auch Kollegen mitgeteilt, zitierte Reuters aus dem Senatsbericht. Mitchell gab sich nach der Veröffentlichung des Berichts wortkarg. Er könne weder bestätigen noch dementieren, dass er für die CIA gearbeitet habe, so Mitchell in einem Telefonat mit Reuters.
Folterer durften sich selbst evaluieren
Auch weitere Versäumnisse des Verhörprogramms listet der Bericht auf. So war es „Swigert“ und „Dunbar“ erlaubt, sich selbst zu evaluieren. Sie gaben sich gute Noten. „Die Auftragnehmer lieferten auch die offizielle Bewertung, ob es der psychische Zustand eines Gefangenen erlaubt, weitere spezielle Verhörtechniken anzuwenden, auch für Gefangene, die sie selbst verhörten“, so die demokratische Senatorin und Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Dianne Feinstein. Die innere Kontrolle fehlte somit völlig.
Bei ihrer Methode, an Informationen von Gefangenen zu kommen, griffen „Dunbar“ und „Swigert“ auf ihre Erfahrung mit einem Programm aus der Ära des Kalten Krieges zurück, wie Reuters weiter berichtete. US-Piloten wurde gelehrt, wie sie im Fall einer Gefangennahme mit brutalen Verhörmethoden umzugehen hatten. Die beide Piloten drehten das Programm mehr oder weniger einfach um.
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