„Historischer Moment“ für Kanada
Rund 170 Jahre nach der legendären Polarexpedition von John Franklin ist im Herbst das Wrack eines seiner beiden Schiffe entdeckt worden. Zunächst war noch unklar, ob es sich bei dem von einem ferngesteuerten U-Boot entdeckten Wrack um die „HMS Erebus“ oder die „HMS Terror“ handelt.
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Der britische Konteradmiral Franklin war mit den beiden Dampfschiffen am 19. Mai 1845 von England in See gestochen, um die damals sagenumwobene Nordwestpassage, die Atlantik und Pazifik verbindet, zu finden. Letztmals von Europäern gesichtet wurden die beiden Schiffe, die als die Prunkstücke der britischen Marine galten, im August 1846 von der Besatzung zweier Walfangschiffe in der Baffin Bay zwischen Grönland und dem Arktischen Archipel.
Jahrelange Suchaktionen erfolglos
Nach dem Verschwinden der Schiffe begannen jahrelange Suchaktionen, die aber nicht zu den Schiffswracks führten. In den vergangenen Jahren unternahm Kanada dann erneut verstärkte Anstrengungen, die Überreste der Expedition aufzuspüren. Seit 2008 gab es sechs groß angelegte Suchkampagnen, für die Schiffe der kanadischen Küstenwache eingesetzt wurden.

APA/EPA/Parks Canada
Kanonenrohre und Schiffsplanken sind die letzten Spuren der Expedition
Das Wrack wurde schließlich Anfang September in der Meerenge Victoria Strait vor der King-William-Insel entdeckt. Damit sei eines der „größten Rätsel“ der kanadischen Geschichte gelöst, so der kanadische Premier Stephen Harper, der von einem „wahrhaft historischen Moment“ für Kanada sprach. Seinen Angaben zufolge gibt es ausreichend Belege dafür, dass es sich tatsächlich um ein Wrack der legendären Expedition handelt. Er zeigte sich optimistisch, dass nun auch bald das zweite Schiffswrack gefunden wird.
Kanada stellt Anspruch auf Nordwestpassage
Dass Harper den archäologischen Sensationsfund höchstpersönlich verkündete, hat auch einen aktuellen politischen Grund. Der Premier hob hervor, dass die Franklin-Expedition „die Grundlage für Kanadas staatliche Souveränität“ in der Arktis gelegt habe. Diese Worte spiegeln den kanadischen Anspruch auf staatliche Souveränität über die rund 5.780 Kilometer lange Nordwestpassage wider, die wegen des Abschmelzen des Eises am Nordpol als Schifffahrtsweg zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der kanadische Anspruch wird jedoch von den USA und anderen Ländern, die in der Passage einen internationalen Wasserweg sehen, angefochten.
Schon vor den großen Suchkampagnen der vergangenen Jahre hatten Forschungen mehr Licht in das Schicksal der Franklin-Expedition gebracht. In den 1980er Jahren entdeckten kanadische Forscher auf der Beechley-Insel die sterblichen Überreste von Besatzungsmitgliedern. Sie waren an Hunger, Frost und Bleivergiftungen durch Dosennahrung gestorben, wie die Untersuchungen ergaben. Knochenfunde deuteten zudem auf Kannibalismus hin.
Im Eis jahrelang gefangen
Bereits 1859 war ein von der Witwe Lady Jane Franklin angeheuertes Schiff auf Spuren der Franklin-Expedition gestoßen. Auf der King-Williams-Insel fand das Suchteam in einem Steinhügel eine düstere Botschaft: Demnach waren die beiden Franklin-Schiffe im Eis stecken geblieben. Nach eineinhalb Jahren in Gefangenschaft des Eises gingen die Vorräte aus. John Franklin und 23 Crewmitglieder starben dieser Botschaft zufolge am 11. Juni 1847 - unter nicht näher geklärten Umständen. Die 105 Überlebenden der Mannschaft ließen am 22. April 1848 die Schiffe zurück und machten sich zu Fuß auf den Weg durch das Eis. Keiner von ihnen kam durch.
Im Zuge der langjährigen Suchen nach der Franklin-Expedition wurde auch die Nordwestpassage entdeckt. Erstmals auf der kompletten Strecke durchfahren wurde die Passage von dem Norweger Roald Amundsen zwischen 1903 und 1906.
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