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Halb so viele stationäre Plätze wie nötig

Depressionen sind heilbar, doch um das zu gewährleisten, muss es auch ein entsprechendes Angebot an Ärzten und Anlaufstellen für Betroffene geben. In Österreich gibt es im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine deutliche Unterversorgung, kritisieren Ärzte.

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Die Vorgaben des Österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheitswesen für die Anzahl an nötigen Kinderpsychiatern und kinderpsychiatrischen Betten werden in Österreich gerade einmal zur Hälfte erfüllt, wie der Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Andreas Karwautz, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP), gegenüber ORF.at sagte. Dafür, dass die Versorgung verbessert wird, „kämpfen wir seit Jahrzehnten“. Die Situation habe sich schon verbessert, sei aber noch nicht gut.

Kein einziges Bett im Burgenland

Nach wie vor gibt es enorme regionale Unterschiede - während Niederösterreich etwa seine Planzahl an Betten zu 100 Prozent erfüllt, gebe es im gesamten Burgenland kein einziges kinderpsychiatrisches Bett. Bei Wien liege die Quote bei 50 Prozent. Laut Christian Kienbacher, Ärztlicher Leiter des Ambulatoriums für Kinder- und Jugendpsychiatrie des SOS-Kinderdorfes Wien, gibt es überhaupt in nur fünf Bundesländern niedergelassene Ärzte und nur in drei Ländern Ambulatorien, in acht Ländern Krankenhäuser. Doch sowohl die Fachärzte als auch Kliniken und Ambulatorien seien nötig.

Das mache die tägliche Arbeit zur Herausforderung, denn der Bedarf steige, ist sich Karwautz sicher. „Was wir hier im Moment sehen, ist Wahnsinn.“ Bis zu elf Rettungen mit Notfällen kämen am Tag in die Klinik im AKH. Bei den Fällen handelt es sich um Suizidversuche und Fremdaggressionen in Wohngemeinschaften, also Schwerkranke. Wenn die Hälfte der nötigen Betten fehlt, wird die Unterbringung zur Herkulesaufgabe und Jugendliche teils auf Erwachsenenstationen oder gar nach Hause geschickt. Kienbacher kämpft im Ambulatorium des SOS-Kinderdorfes mit ähnlichen Problemen: „Wir haben absolut nicht die Plätze, wie der Bedarf da ist.“

Seit 2007 eigene Facharztausbildung

Erst seit 2007 gibt es eine Fachausbildung für Kinder- und Jugendpsychiater, davor gab es keine genuinen Fachärzte in diesem Bereich. Die Einführung der eigenen Facharztausbildung brachte dem Gesundheitsministerium 2007 auch die Pflicht, für eine Versorgung zu sorgen und ausreichend Betten aufzustellen. „Aber das dauert lang“, so Karwautz.

Ärztekammer: Keine flächendeckende Versorgung

Auch die Ärztekammer fordert, dass die Anzahl der Fachärzte mit Kassenvertrag aufgestockt und mehr Betten für die stationäre kinderpsychiatrische Versorgung geschaffen werden. Die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung führe trotz gradueller Verbesserungen nach wie vor ein Schattendasein, kritisierte Charlotte Hartl, Obfrau der Fachgruppe Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Ärztekammer, kürzlich. Für die stationäre kinderpsychiatrische Betreuung gebe es knapp 400 Betten, benötigt würden nach internationalen Standards jedoch doppelt so viele.

Zusätzlich kämpfe das noch junge Fach mit Ausbildungsproblemen, die in der Folge in einem Fachärztemangel gemündet haben. „Pro Jahr schließen nur zehn Ärztinnen und Ärzte ihre fachärztliche Ausbildung ab, die Mangelfachregelung hat diesbezüglich leider keine nennenswerte Verbesserung bewirkt“, sagte Hartl. So könne eine flächendeckende Versorgung nicht erreicht werden, sagte die Expertin abschließend.

Therapie eine Frage des Geldes?

Das Problem ist nicht auf Psychiater beschränkt. Auch beim Zugang zur Psychotherapie gibt es für - vor allem sozial schwächere - Eltern Schwierigkeiten. Es gebe zwar Therapeuten, so Kienbacher, das Problem sei hier aber oft die Finanzierbarkeit. Klienten müssen einen Selbstbehalt zur Therapie zahlen.

Eine Kritik, die auch vom Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) kommt: Nur jedes fünfte Kind, das Psychotherapie braucht, erhalte einen finanzierbaren Therapieplatz, kritisierte der Verband im November in einer Aussendung. Basierend auf mehreren Studien geht der ÖBVP davon aus, dass zwischen 40.000 und 70.000 Kinder und Jugendliche Psychotherapie brauchten. Tatsächlich sind nur knapp 10.000 Kinder und Jugendliche in psychotherapeutischer Behandlung. Dabei scheitere es weniger am Angebot, vielmehr an der Finanzierbarkeit für die Eltern.

Je früher, desto besser

„Kinder, deren Eltern es sich leisten können, finden rascher einen Psychotherapieplatz als Kinder aus ärmeren Familien, die auf einen kassenfinanzierten Platz angewiesen sind. Sie müssen oft lange Wartezeiten auf sich nehmen, was bei Kindern fatale Folgen haben kann. Je früher ein Kind behandelt wird, desto geringer sind die Folgen“, so Karl-Ernst Heidegger, Kinderpsychotherapeut und Vizepräsident des ÖBVP.

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