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„Gutes“ Verhältnis zu allen außer FPÖ

Die Industriellenvereinigung (IV) will es offenbar nicht allein bei dem letzte Woche präsentierten Vorschlag für eine Ganztagsschule aller Kinder bis zum Alter von mindestens 14 Jahren bewenden lassen. Am Sonntag nützte IV-Präsident Georg Kapsch die ORF-„Pressestunde“, um der ÖVP-Bundespartei ein Umdenken im Hinblick auf die Bildungspolitik nahezulegen.

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Kapsch unterstrich etwa, dass die Umsetzung des IV-Bildungskonzepts nicht am Widerstand der ÖVP scheitern werde. Dabei verwies Kapsch auf immer mehr „Abweichler“ auch innerhalb der Volkspartei: Deren Bildungsberater habe sich positiv zu den IV-Vorschlägen geäußert, ebenso stünden einige Landeshauptleute dahinter. Das Bildungskonzept der IV hält Kapsch in ein bis zwei Legislaturperioden für umsetzbar, trotz offener Finanzierungsfragen.

Offene Finanzierungsfragen

Die finanziellen Auswirkungen seines Konzepts habe er zwar noch nicht durchgerechnet, räumte Kapsch ein. Aber in den Niederlanden lägen mit einem ähnlichen Modell die Kosten pro Schüler mit 7.000 Euro um 2.000 Euro unter jenen in Österreich. Auch Experten hatten bei grundsätzlichem Einverständnis zu den IV-Ideen zu bedenken gegeben, dass man für die geforderte „Bildungsrevolution“ entsprechende Summen in die Hand nehmen müsse, bei der Adaptierung der Schulbauten für Ganztagsbetreuung angefangen.

Das IV-Modell sieht eine ganztätige gemeinsame Schule für alle Kinder von sechs bis 14 Jahren vor, die mit einer mittleren Reife abschließt. Die Matura will Kapsch ebenso wenig abschaffen wie die Noten, dazu sollte es aber parallel eine qualitative Beurteilung geben. Die Schule soll weiter mit dem sechsten Lebensjahr beginnen, davor soll es aber ein verpflichtendes Kindergartenjahr und ein weiteres gemeinsames Jahr für einen besseren Übergang vom Kindergarten in die Volksschule geben.

Keine „Spendenwaschmaschine“

Kapsch betonte, das Bildungskonzept sei mit vielen internationalen Fachleuten erarbeitet und nicht mit politischen Parteien abgestimmt worden. Wie schon bei der Präsentation der Vorschläge begrüßten auch am Sonntag die Grünen ebenso sehr die IV-Vorschläge, wie sie die FPÖ rundheraus ablehnte. Außerdem hatten sich auch SPÖ, NEOS und Team Stronach positiv zu den IV-Ideen geäußert. Auch die Wirtschaftskammer stellte sich hinter die Reformforderung. Die ÖVP-Bundesparteileitung wollte das Bildungsmodell inhaltlich nicht kommentieren.

Grundsätzlich bezeichnete Kapsch das Verhältnis sowohl zur ÖVP als auch jenes zur SPÖ als „gut“. Das Einvernehmen mit der ÖVP sei auch schon besser gewesen, räumte er ein. Man mache Projekte mit verschiedenen Parteien. Ausnahme sei die FPÖ, „da hätte ich Probleme“, untermauerte Kapsch auch in dieser Hinsicht die politische Neuorientierung zum Unterschied von Zeiten, als die IV etwa eine umstrittene Website von Finanzminister Karl-Heinz Grasser finanziert hatte. Eine „Spendenwaschmaschine“ sei man jedenfalls nicht.

15 Milliarden an Steuersenkung gefordert

Kritik an beiden Koalitionsparteien übte Kapsch im Zusammenhang mit deren Plänen für eine Steuerreform. Diese gingen nicht weit genug. Die fünf bis sechs Milliarden Euro von ÖVP bzw. SPÖ seien zwar „besser als gar nichts“, aber „zu wenig“, befand der IV-Präsident. Er plädiert für 15 Mrd. bis nach 2020. Zwei Drittel davon sollten in die Entlastung der Tarife für Arbeitnehmer und ein Drittel in die Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen gehen. Finanzieren will Kapsch das primär über die Ausgabenseite.

So will die Industriellenvereinigung fünf Milliarden bei den Pensionen einsparen. Dabei strebt Kapsch die auch von der ÖVP propagierte Pensionsautomatik mit der Koppelung des Pensionsalters an die Lebenserwartung sowie langfristig eine Umstellung vom beitrags- auf ein leistungsorientiertes System an. Bei Mehrfachförderungen könnte man seiner Meinung nach fast zwei Milliarden, in der Verwaltung rund 4,5 Milliarden und in der Gesundheit 1,6 Milliarden einsparen. Zudem würde sich ein Teil der Reform selbst finanzieren.

Halbe Mehrwertsteuer auf täglichen Einkauf?

Vorstellen kann sich Kapsch, zur Entlastung kleiner Einkommen den Steuersatz für Güter des täglichen Bedarfs von zehn auf fünf Prozent zu senken. Bei der Grundsteuer könnte man nach Ansicht des IV-Präsidenten 500 Millionen heben, indem man nicht nur bei den Einheitswerten ansetzt, sondern auch auf die Art der Nutzung abstellt. Die Gruppenbesteuerung für Unternehmen hält er für „fair“, weil Unternehmen Arbeitsplätze im Inland sichern, wenn sie im Ausland stark sind.

Vermögenssteuern sowie Erbschafts- und Schenkungssteuern lehnte Kapsch in diesem Zusammenhang neuerlich ab. Zur Diskussion um die Staatsholding ÖIAG sagte Kapsch außerdem, die Selbsterneuerung des Aufsichtsrats sei ein gutes Experiment gewesen, das Modell habe sich aber „überlebt“. Er habe Verständnis dafür, dass der Eigentümer auch Einfluss nehmen will. Die IV werde genau beobachten, wie die Funktionen in der Staatsholding in Zukunft besetzt werden, Leute aus Kammern und Verbänden hätten dort nichts verloren.

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