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Ermittler vor Puzzlearbeit

Nach dem Absturz des Passagierraumflugzeugs SpaceShipTwo bei einem Testflug am Freitag hat Milliardär Richard Branson eine lückenlose Aufklärung des Unfalls versprochen. Am Samstag trafen mehr als ein Dutzend Ermittler der US-Behörde für Transportsicherheit (NTSB) in Kalifornien ein, um die Absturzstelle in der Mojave-Wüste zu besichtigen, Daten zu sammeln und Zeugen zu befragen.

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Diese Arbeiten würden etwa eine Woche dauern, berichtete der Nachrichtensender CNN am Sonntag. Weil es ein Testflug war, sei alles genau überwacht worden, sagte der NTSB-Vorsitzende Christopher Hart demnach. Bis alle Daten ausgewertet und die Untersuchung abgeschlossen sei, könnten bis zu zwölf Monate vergehen. Trotz der laufenden Untersuchungen könne das Unternehmen Virgin Galactic weitere Testflüge machen.

Teile weit verstreut

Die Teile des Raumschiffs seien kilometerweit in der Wüste verstreut. Laut Hart befanden sich an Bord des Raumschiffs selbst sechs Kameras und drei auf dem Trägerflugzeug. Derzeit ist nicht bekannt, ob die Kameras des abgestürzten Raumschiffs gefunden wurden.

Ermittler untersuchen die Trümmerteile des Raumschiffs SpaceShipTwo

Reuters/David McNew

Ermittler begutachten Überreste von SpaceShipTwo

Ein Pilot wurde bei dem Unfall getötet, ein anderer konnte sich mit seinem Fallschirm retten, wurde aber schwer verletzt. Der verletzte Pilot ist mittlerweile wieder bei Bewusstsein und habe bereits mit seiner Familie und den Ärzten gesprochen. Die Behörde konnte den Piloten nach eigenen Angaben bisher nicht zum Unfallhergang befragen.

Branson: Nicht blind vorpreschen

Der Milliardär Branson machte klar, dass er und sein Unternehmen Virgin Galactic entschlossen seien, aus den Fehlern der Katastrophe zu lernen und den Traum vom Weltraumtourismus weiter voranzutreiben. „Wir verstehen, dass Risiken bestehen, und wir werden nicht blind vorpreschen. Das zu tun wäre eine Beleidigung für alle, die von der Tragödie betroffen sind“, sagte Branson. 2007 waren bei einem Test für das Triebwerk der SpaceShipTwo-Rakete bereits drei Menschen ums Leben gekommen.

Rettungskräfte fanden Trümmer verstreut auf dem trockenen Wüstenboden, wie Sheriff Donny Youngblood am Wochenende auf einer Pressekonferenz sagte. „Alle unsere Gedanken sind bei den Familien der von diesem tragischen Ereignis Betroffenen“, hieß es in einem Virgin-Statement. „Wir tun alles, was uns möglich ist, um sie zu unterstützen.“ Das Unternehmen werde voll mit den ermittelnden Behörden kooperieren.

Nach dem Absturz hatte Virgin Galactic mitgeteilt, bei dem Testflug habe es eine „ernsthafte Unregelmäßigkeit“ gegeben, ohne jedoch Details zu nennen. SpaceShipTwo war von einem Flughafen rund 150 Kilometer nördlich von Los Angeles abgehoben. Es wurde vom Trägerflugzeug WhiteKnightTwo in die Höhe gebracht und dann ausgeklinkt.

Flugaufsicht verlor Kontakt

Nach Medienberichten kam es dann in einer Höhe zwischen 13 und 15 Kilometern zu Problemen. Zunächst herrschte Unklarheit über die genaue Absturzhöhe, das Unternehmen machte vorerst keine Angaben. Die Flugaufsichtsbehörde FAA und die Behörde für Transportsicherheit, NTSB, waren dazu am Samstag nicht zu erreichen. Die FAA teilte mit, nach der Abkoppelung den Kontakt zu dem Raumflugzeug verloren zu haben. Sie ermittelt nun ebenfalls. Das Mutterflugzeug hingegen landete sicher.

Das SpaceShipTwo hatte seinen ersten Testflug im Frühjahr 2013 absolviert. Der Flug am Freitag war der erste Test des Raumgleiters mit Raketenzündung seit Jänner. Berichten von Experten zufolge wurde diesmal eine andere Treibstoffmischung genutzt, die zuvor aber ausgiebig getestet worden sein soll. Insgesamt war es der 55. Testflug. Die maximale Flughöhe sollte 110 Kilometer betragen, also knapp über der Grenze zum Weltraum. Diese liegt bei einer Höhe von 100 Kilometern.

Touristenflüge ab 2015 geplant

Die rund 18 Meter lange Passagierraumfähre flog laut Virgin Galactic mit Geschwindigkeiten von bis zu 4.200 km/h. Sie sollte ab dem kommenden Jahr Weltraumflüge für Privatpersonen anbieten. Die Maschine bot Platz für zwei Piloten und sechs Passagiere, die bei dem Trip die Schwerelosigkeit erleben sollten.

Teile des abgestürzten SpaceShip Two

APA/AP/KABC TV

Die Trümmer von SpaceShipTwo in der Wüste

Bereits gekaufte Tickets für die Passagierflüge ins All könnten jederzeit erstattet werden, versicherte Branson. Rund 700 Menschen, darunter angeblich auch Stars wie Tom Hanks und Angelina Jolie, hatten bereits Flugtickets für je 250.000 US-Dollar (rund 198.000 Euro) gebucht, die ersten Flüge sollten kommendes Jahr starten. Virgin Galactic habe das Geld noch nicht verwendet, sagte Branson.

Der Unfall ist der zweite schwere Rückschlag für die private Raumfahrt binnen weniger Tage. Erst am Dienstag war der unbemannte Raumtransporter „Cygnus“ Sekunden nach dem Start im Bundesstaat Virginia explodiert. Er sollte rund 2,3 Tonnen Nachschub für die Internationale Raumstation ISS ins All bringen.

Das Raumschiff SpaceShipTwo explodiert in der Luft

Reuters/Kenneth Brown

Das SpaceShipTwo wird von einem Trägerflugzeug ausgeklinkt

„Herber Rückschlag“

Nun steht die Zukunft des Weltraumtourismus infrage. Als „herben Rückschlag für die bemannte private Raumfahrt“ bezeichnete der Raumfahrtexperte Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) den Absturz von SpaceShipTwo. Die Folgen des Unglücks für die bemannte Raumfahrt seien noch schwer abzuschätzen, „aber diese Woche wird im Weltraumsektor bereits jetzt als ‚Bauchschuss‘ in dieser noch jungen Branche bezeichnet“, so ÖWF-Obmann Grömer.

„Wir werden im nächsten Jahr und wahrscheinlich in den Jahren danach keine kommerziellen Flüge für Touristen ins All sehen“, sagte Raumfahrtexperte Marco Caceres von der Beratungsfirma Teal Group. Virgin Galactic sei bisher „bei Weitem“ führend im Bereich des Weltraumtourismus gewesen, nun werde sich der Start der ersten Touristenflüge wohl um Jahre verzögern.

NASA: „Unglaublich schwierig“

Die Tragödie schmerze all diejenigen, die ihr Leben der Erforschung gewidmet hätten, teilte die nicht an der Virginia Galactic-Mission beteiligte US-Raumfahrtbehörde NASA mit. „Raumfahrt ist unglaublich schwierig, und wir loben die Leidenschaft aller in der Weltall-Gemeinde, die Risiken eingehen, um die Grenzen menschlicher Errungenschaften voranzutreiben.“

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