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„Das ultimative Kriegsspiel“

Die US-Sicherheitsbehörden wissen so gut wie alles über einen mutmaßlichen Polizistenmörder und sind ihm mit Hundertschaften auf den Fersen. Trotzdem treibt der 31-jährige Eric Frein seit Wochen in einer entlegenen Gegend des Bundesstaats Pennsylvania ein Katz-und-Maus-Spiel.

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Frein sei ein „autodidaktischer“ Scharfschütze, kenne sich mit Überlebenstechniken aus, sei ein „Polizistenhasser“ und für die Behörden ein „kaltblütiger Killer“, schrieb etwa die „Los Angeles Times“. Laut der Zeitung versteckt sich der Mann in einem relativ kleinen Areal in den Pocono Mountains, einer stark bewaldeten Gegend, die er „ganz genau kennt“, und spiele dort sein „ultimatives Kriegsspiel“.

Polizisten durchsuchen Wald

APA/AP/Scranton Times & Tribune, Butch Comegys

Schwierige Suche im Unterholz der Pocono Mountains

Der Gesuchte dürfte seinen Privatkrieg wohl geplant haben, heißt es, da er sich mit ausreichend Konserven - hauptsächlich Thunfisch und japanischen Ramen-Nudeln - eingedeckt habe. Die Polizei vermutet, dass er irgendwo in den Wäldern unterirdische Depots angelegt haben könnte, berichteten die „Los Angeles Times“ und der britische „Independent“.

„Immer einen Schritt voraus“

Ein ganzes Heer von Sicherheitskräften - schwer bewaffnet und ausgerüstet mit Suchhunden und Hubschraubern samt Wärmebildkameras - macht inzwischen Jagd auf Frein: rund 200 Staatspolizisten und laut „Los Angeles Times“ weitere „Hunderte“ Beamte der Bundespolizei FBI und des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF, dem Justizministerium unterstellt, Anm.). Trotzdem ist der Mann wie vom Erdboden verschluckt, er sei „stets einen Schritt voraus“.

Die Polizei schließe nicht aus, dass sie der 31-Jährige, der sich „als moderner Rambo“ sehe, verhöhnen will. Offensichtlich hinterließ er auch absichtlich Spuren von Zigarettenstummeln bzw. leeren Zigarettenpackungen und anderem Abfall. Wie weit er in seinem Krieg gehen will, ist offenbar nicht klar. Der „Independent“ berichtete, die Polizei habe zwei scharfe Rohrbomben gefunden, Frein könnte seine Verstecke mit Sprengfallen sichern.

Wird Suche schwieriger oder einfacher?

Dem 31-Jährigen wird vorgeworfen, am 12. September den 38-jährigen Staatspolizisten Bryon Dickinson im Bezirk Pike County nahe der Grenze zu New York bzw. New Jersey mit einem Scharfschützengewehr erschossen zu haben. Die Beamten könnten den Wald in Ketten durchkämmen, aber mitunter könne man „den anderen Polizisten zehn oder 15 Fuß weiter (drei oder rund viereinhalb Meter, Anm.) buchstäblich nicht sehen“, sagte Oberstleutnant George Bivens von der Staatspolizei Pennsylvania.

Polizisten durchsuchen Wald

APA/AP/Scranton Times & Tribune, MIchael J. Mullen

Hunderte schwer bewaffnete Beamte sind seit Wochen im Einsatz - bisher vergeblich

Der 58-jährige Paul Yanega, der Frein kennt, sagte der US-Presse, der Mordverdächtige könnte versuchen, sich im Winter in Höhlen zu verstecken. Im Herbst würde vorerst das fallende Laub sämtliche seiner Spuren verwischen. Es würde wahnsinnig schwierig sein, ihn im dichten Unterholz der Wälder zu finden, zumal er sich sehr gut mit Tarnung auskenne. Andererseits stiegen mit dem Laubfall aber wiederum die Chancen, ihn aus der Luft zu entdecken, hieß es im „Independent“.

Mord genau beschrieben

Die Polizei geht davon aus, dass Frein hochgefährlich und möglicherweise psychisch krank ist. Den Schluss lege eine handschriftliche Notiz, die er auf einem Lagerplatz hinterlassen hatte, nahe. Darin beschreibt er den Mord an dem Polizisten bis ins Detail. Nach einem ersten Schuss sei Dickinson gestürzt: „Ich habe mich gewundert, wie schnell.“ Daraufhin habe er den Polizisten noch einmal in den Kopf und ins Genick geschossen. „Danach war er still und ruhig.“ Frein schoss danach noch auf einen weiteren Polizisten, der schwer verletzt überlebte.

Nur Waschbären gefunden

Die lokale Bevölkerung betrachtet die gigantische Polizeiaktion in den Bergen Pennsylvanias offenbar mit gemischten Gefühlen. Die einen beklagten den Belagerungszustand, Geschäftsbesitzer beschwerten sich, da Jäger aus den Wäldern verbannt wurden und nun ausbleiben. Schulen wurden geschlossen, weil jemand vermutet hatte, Frein in der Nähe gesehen zu haben. In der Ortschaft Swiftwater habe die Polizei eine Scheune eingerissen, nachdem eine Wärmebildkamera dort etwas Lebendiges entdeckt hatte - es sei eine Waschbärenfamilie gewesen, berichteten Nachbarn der „Los Angeles Times“.

Politik, Affäre oder Kriegsspiele?

Warum der 31-Jährige zum Mörder wurde, kann sich die Polizei nicht erklären. Er sei in einer idyllischen Gegend aufgewachsen, schrieb die US-Zeitung, ging in die Schule, war bei den Pfadfindern, arbeitete in einem Supermarkt. Er sei möglicherweise getrieben von irgendeiner „Antiregierungsagenda“, hieß es im „Independent“ zum möglichen Motiv.

Die britische „Daily Mail“ wollte wiederum exklusiv von einem ganz anderen Motiv wissen: Frein könnte den Mord begangen haben, weil er vermutet habe, einer der beiden Polizisten habe eine Affäre mit der Ehefrau seines Bruders. Eine solche Affäre (zwischen dem überlebenden Polizisten Alex Douglass und Melissa Frein, Eric Freins Schwägerin) sei „Stadtgespräch“ in der Gemeinde Canadensis. Die Familie wollte laut „Daily Mail“ die Gerüchte nicht kommentieren.

Freins große Leidenschaft sei Militärgeschichte, vor allem Waffen und Uniformen aus Ost- bzw. Südosteuropa, hieß es zuletzt in der Presse. Besonders intensiv soll er sich mit der serbischen Armee und paramilitärischen Gruppen aus den Balkankriegen befasst haben. Er soll eine Gruppe, die „Wölfe des Ostens“ („Eastern Wolves“) gegründet haben, um mit dieser Schlachten nachzuinszenieren. Irgendwann, hieß es von der Polizei, habe Frein wohl seine Rolle aus den Kriegsspielen dann auch „im wirklichen Leben angenommen“.

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