Start am 1. November fix
Das Europaparlament hat der neuen EU-Kommission am Mittwoch seine Zustimmung gegeben. Für den künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und seine 27 Kommissare stimmten in Straßburg 423 Abgeordnete, 209 votierten mit Nein und 67 enthielten sich. Damit kann Junckers Team wie geplant am 1. November sein Amt antreten.
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Bereits im Vorfeld hatten Konservative, Sozialdemokraten und Liberale mehrheitlich ein Ja signalisiert, wobei etwa die deutsche FDP mit Nein stimmte. Auch die Grünen, die Linken sowie die rechtspopulistische EFDD unter UKIP-Führung votierten gegen die neue Kommission. Die von den britischen Torys dominierte ECR enthielt sich indes mehrheitlich der Stimme.
„Ich bin über das Ergebnis der heutigen Wahl zufrieden“, sagte Juncker. Viele Details zu seiner künftigen Amtszeit könne er derzeit noch nicht nennen - schließlich habe er sein Amt ja formal noch nicht angetreten. Das gelte etwa für sein geplantes Investitionspaket. Auch zu anstehenden Verhandlungen mit Großbritannien könnte er noch nicht viel sagen, „aber wir wollen einen fairen Deal mit Großbritannien“.
Schulz: „Größtmögliche Legitimation“
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentierte sich der Konservative Juncker mit Parlamentspräsident Martin Schulz, einem Sozialdemokraten, als dynamisches Duo. Sein „Freund“ Jean-Claude sei „ein Glücksfall für die EU“, unterstrich Schulz. „Es kommt im Leben nicht so oft vor, dass zwei Menschen am Ende eines Wahlkampf feststellen, dass sich ihre Freundschaft am Ende eher gefestigt hat“, streute Juncker Schulz weitere Rosen, hatte sich dieser als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der EU-Wahl im Mai doch auch für die Kommissionsspitze beworben. Schulz bezeichnete das Ergebnis als „größtmögliche Legitimation“.
„Großer Verlierer“ in Gremium
Unmittelbar vor der Abstimmung hatte Juncker die neue Struktur seines Gremiums noch humorvoll beworben: „Ich bin der große Verlierer dieser neuen Kommissionsarchitektur“, sagte der neue EU-Kommissionschef. So habe er schließlich einen guten Teil seiner präsidentiellen Vorrechte an die Vizepräsidenten abgetreten. So sei eine effiziente Kommissionsarbeit möglich. Er setzte dabei ganz auf die Eigenverantwortung seines Teams: „Ich möchte, dass sich die Kommissare frei fühlen.“ Einen autoritären Führungsstil werde er nicht pflegen: „In meinem Alter fängt man keine Diktatorenkarriere mehr an.“

Reuters/Christian Hartmann
Bei der Rede zum Auftakt der Plenarsitzung umriss Juncker seine Pläne
Das bedeute aber nicht, dass die Kommission nicht aktive Führung betreibe, verwies Juncker auf die oberste Ebene der Kommissionsverwaltung: „Generaldirektoren sind sehr kompetent, haben aber den Kommissaren zu folgen - nicht umgekehrt.“ Dabei habe er seine Ankündigung eingehalten, eine politischere Kommission als die letzte vorzustellen. „Ich habe alles getan, um Schwergewichte von den Regierungen zu bekommen“: Juncker verwies darauf, vier ehemalige Premierminister und 19 einstige Minister im Team zu haben.
Navracsics verliert Bürgerrechtsagenden
Dabei hatte Juncker unmittelbar in Vorfeld der Abstimmung noch Kompetenzen neu zugeteilt: So wird der umstrittene ungarische EU-Kandidat Tibor Navracsics in der neuen EU-Kommission nur für die Bereiche Bildung, Kultur, Jugend und Sport zuständig sein. Die Agenden der Bürgerrechte wandern hingegen zum griechischen Kommissar Dimitris Avramopoulos, der für Migration vorgesehen ist.
Navracsics war vom zuständigen EU-Kulturausschuss zwar für geeignet als EU-Kommissar befunden worden, doch verlangten die EU-Parlamentarier Änderungen an seinem Ressort Bildung, Jugend, Kultur und Bürgerrechtsfragen. Er ist wegen seiner Mitgliedschaft in der nationalkonservativen FIDESZ-Partei des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban und seiner Mitarbeit an zahlreichen umstrittenen Gesetzen in die Kritik geraten.
Überdies wird Junckers erster Vizepräsident Frans Timmermans wie zuvor schon ventiliert anstelle des designierten und teils kritisierten Energiekommissars Miguel Arias Canete den Bereich Nachhaltige Entwicklung verantworten. „Ich habe beschlossen, Frans Timmermans mit dem besonders wichtigen Aspekt unserer gemeinsamen Arbeit zu betrauen“, so Juncker.
Milliardenprogramm vor Weihnachten
Als sich die überwiegende Zustimmung bereits abzeichnete, kündigte Juncker an, sein 300 Mrd. Euro schweres Investitionspaket zur Konjunkturankurbelung vor Weihnachten vorstellen zu wollen. „Volkswirtschaften, in denen nicht investiert wird, können nicht wachsen. Volkswirtschaften, die nicht wachsen, können keine Beschäftigung sicherstellen“, sagte der Luxemburger anlässlich der Vorstellung seines Teams. Er werde sich von Kritikern nicht von seinen Plänen abbringen lassen.
Gleichzeitig betonte Juncker, keine „Konjunkturprogramme wie in den 70er Jahren“ zu wollen. „Konjunkturprogramme sind Strohfeuerprogramme“, sagte er. „Dieses Investitionsprogramm kann nicht durch weitere Schuldenaufnahmen finanziert werden.“ Ohne Details zu nennen machte Juncker deutlich, dass er von der Wirtschaft Engagement verlangen wird. Sie trage wie der Staat Verantwortung für Arbeitsplätze. „Wir müssen Sorge dafür tragen, dass durch intelligentes Einbringen öffentlicher Geldmittel die Privatinitiative angekurbelt wird“, so Juncker.
Hoffnungen setzt Juncker auch in das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Die kritisierten Investorenschutzklauseln würden darin nur enthalten sein, wenn sein künftiger Erster Vizepräsident Timmermans diese für gut befinde. Klar sei jedenfalls, dass in dem geplanten Abkommen nichts enthalten sein werde, was den Zugang zum nationalen Rechtsweg verschließe, sagte er.
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