Belagerte Stadt wartet weiter auf Entsatz
Die islamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat ihre Angriffe auf die syrische Stadt Kobane (arabisch: Ain al-Arab) verstärkt. Die Extremisten hätten „an allen Fronten“ angegriffen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Am Dienstag lieferten sich beide Seiten demnach heftige Gefechte. Die kurdischen Verteidiger müssen unterdessen weiter auf Verstärkung warten.
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Die Verbände in Kobane versuchen seit Wochen verzweifelt, die inzwischen von drei Seiten abgeriegelte Stadt zu verteidigen. Dabei werden sie von einer US-geführten Militärallianz unterstützt, die mutmaßliche IS-Stellungen aus der Luft angreift. Zu Beginn der Woche schien sich, auch durch den Abwurf von Waffen für die Kämpfer in der Stadt, das Blatt zugunsten der Kurden zu wenden. Nun verstärkt der IS laut Angaben von Beobachtern jedoch seine Bemühungen zur Einnahme der strategisch wichtigen Kommune an der Grenze zur Türkei.
Abscheu über neues Video
Offenbar aus dem gesamten Umland strömen Kämpfer des IS vor die Stadt, die sie auch durch Anschläge im Inneren zu destabilisieren versuchen. Seit Montag dürften zumindest drei tödliche Selbstmordattentate in Kobane auf das Konto von IS gehen. Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden neue Einheiten der radikalen Islamisten aus den vom IS kontrollierten syrischen Städten Dscharabulus und Rakka abgezogen, wo die Terrormiliz ihr Regime abgesichert haben dürfte.

Reuters/Kai Pfaffenbach
Die Kämpfe in Kobane
Angeblich aus Rakka stammte auch ein von IS veröffentlichtes Video, das am Dienstag für Abscheu sorgte. Es zeigt einen Vater, der die Steinigung seiner eigenen Tochter durch die Islamisten anführt. Ein IS-Kämpfer sagt auf dem Video zu der verschleierten Frau: „Das Urteil ist das Ergebnis von Taten, die Du begangen hast. Akzeptierst Du die Strafe Gottes?“ Daraufhin nickt die Frau. Ihr Vater zwingt sie daraufhin auf den Boden. Der IS-Kämpfer ordnet den Vollzug der Strafe an, mehrere Dschihadisten und der Vater steinigen sie gemeinsam zu Tode.
Waffenabwürfe in falsche Hände geraten
Im Kampf um Kobane wollen die Islamisten offenbar eine schnelle Entscheidung erzwingen, bevor die Unterstützung der kurdischen Verbände nachhaltige Wirkung zeigt. Auch die Waffenabwürfe erweisen sich nur als bedingt nützlich. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle landete mindestens einer davon in den Händen des IS. Auf einem Video vom Dienstag zeigen Extremisten zunächst eine auf einem Feld niedergegangene Fallschirmladung. In den dann präsentierten Munitionskisten sind Mörsergranaten zu erkennen.
Das Pentagon hält es für möglich, dass für Kurden bestimmte Waffen versehentlich in die Hände von IS gelangt sind. Von den 28 über das Wochenende über der syrischen Stadt Kobane abgeworfenen Bündeln mit Waffen habe mindestens eines sein Ziel nicht erreicht, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Dienstag. Bestätigen könne er Berichte, nach denen IS die Waffen in Besitz genommen hat, aber nicht. „Die kurze Antwort ist: Wir wissen es nicht.“
Die IS-Miliz, die in den vergangenen Monaten auch weite Teile im Irak erobert hatte, griff am Montag zudem die von Kurden kontrollierte Stadt Kara Tapah nördlich der irakischen Hauptstadt Bagdad an. Zehn Menschen wurden nach Angaben der Behörden getötet, die Hälfte der 9.000 Einwohner zählenden Stadtbevölkerung floh. „Wir haben Angst, dass der IS uns einkesselt und diese Stadt in ein zweites Amerli verwandelt“, sagte ein Bewohnter unter Anspielung auf die im September von IS eroberte irakische Stadt.
Noch keine Verstärkung aus der Türkei auf dem Weg
Laut übereinstimmenden Aussagen mussten die kurdischen Kämpfer in Kobane am Dienstag Angriffe des IS sowohl vom Osten als auch im Südwesten der Stadt parieren. Mit umfassender militärischer Unterstützung halten sich westliche Länder weiterhin zurück. Großbritannien etwa sagte zwar am Dienstag zu, sich neben den Einsätzen gegen IS im Irak nun auch in Syrien engagieren zu wollen, das jedoch nur durch Luftaufklärung. Umso wichtiger ist die Zusage der Türkei, kurdischen Verbänden den Weg nach Kobane öffnen zu wollen.

APA/AP/Lefteris Pitarakis
Türkischer Panzer an der syrisch-türkischen Grenze
Ankara sieht doch wieder „Diskussionsbedarf“
Die Regierung in Ankara hatte am Montag überraschend angekündigt, nun doch ihre Grenze für im Irak ausgebildete Peschmerga-Kämpfer zu öffnen, damit diese die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) beim Kampf um Kobane unterstützen können. Die USA hatten diesen Schritt begrüßt. Die Einlösung der türkischen Zusage lässt jedoch auf sich warten. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Dienstag, der Korridor für die Kämpfer aus dem Nordirak sei noch nicht beschlossen.
Zugleich schloss Cavusoglu weiterhin jede direkte türkische Unterstützung für die syrisch-kurdische Partei PYD aus. Die in Kobane kämpfenden kurdischen YPG-Einheiten sind die Miliz der PYD, die eng mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden ist. Ankara betrachtet die PKK weiterhin als Terrororganisation. Entgegen seinen Ankündigungen vom Montagabend erklärte Cavusoglu nun, zum Weg der kurdischen Kämpfer über türkischen Boden gebe es noch „Diskussionsbedarf“.
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