In Skandal verwickelt
Dilma Rousseff hat sich in ihren rund vier Jahren an der Staatsspitze Brasiliens durch ihre mitunter kühle Art zwar nicht den Status einer Landesmutter erarbeitet, dafür aber Respekt für ihre Sachkompetenz. Jedenfalls ist es der 66-jährigen Politikerin der gemäßigt linken Arbeiterpartei (PT) gelungen, aus dem Schatten ihres übermächtigen Vorgängers Luiz Inacio Lula da Silva zu treten.
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Bis zu ihrer Wahl 2010 hatte „Lulas Mädchen“ in der zweiten Reihe gewirkt. Sie arbeitete sich als Regionalministerin und als Energie- und Bergbauministerin in Brasilia hoch. 2005 holte ihr Ziehvater Lula da Silva sie als Kabinettschefin und rechte Hand an seine Seite. Auch jetzt rührte er noch intensiv für sie die Werbetrommel und strich ihre Leistungen hervor. Die Tochter bulgarischer Einwanderer ist eine effiziente Politikerin, die ihre Gegner und mitunter auch Mitstreiter kühl und schneidend zurechtstutzen kann.
Mit politischer Reform gescheitert
Die Ökonomin liebt Zahlen und ist eine durch und durch sachorientierte und nüchterne Politikerin, die mit großer Begeisterung auch über die allerletzten Feinheiten energiepolitischer Fragen referieren kann. Dilma, wie sie im fünftgrößten Land der Erde auch genannt wird, ist eine Pragmatikerin, die sich die Massenproteste gegen Korruption und Misswirtschaft im vergangenem Jahr sehr zu Herzen nahm. Doch ihre Versuche für eine politische Reform scheiterten im Ansatz und vor allem im Parlament.
Vor allem ihre „Tolerancia zero“ (null Toleranz) gegen Korruption schien wenig Wirkung zu tragen. Zuletzt sorgte sogar Rousseff selbst für Schlagzeilen in der Korruptionsaffäre um den staatlichen Energiekonzern Petrobras. Dieser soll unter anderem 2006 einen stark überhöhten Preis für eine US-Raffinerie gezahlt haben - ein Geschäft mit mehr als einer Milliarde Dollar Verlust. Rousseff war damals als Lula da Silvas Kabinettschefin auch Verwaltungsratspräsidentin von Petrobras. Wohl nicht zufällig wurden nur Tage vor der Stichwahl neue belastende Details bekannt.
„Werde alles tun, um das Land zu entschädigen“
Ein schon vor Monaten festgenommener Ex-Direktor von Petrobras sagte zuletzt bei Befragungen aus, zwei Prozent der überhöhten Vertragssummen seien an Rousseffs PT abgeführt worden, vergleichbare Summen darüber hinaus an die Fortschrittspartei (PP) und die Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) als Bündnispartner der PT. Rousseffs Partei wies die Anschuldigungen anfangs als „verleumderisch“ zurück.
Schließlich bestätigte Rousseff selbst aber, dass die Vorwürfe des vormaligen Petrobras-Managers stichhaltig seien. „Ja, das ist vorgekommen. Ich werde alles tun, um das Land zu entschädigen“, räumte die Präsidentin schließlich eine Woche vor der Wahl ein. Außerdem konnte sie darauf verweisen, dass gerade sie selbst den Verantwortlichen für die Schmiergeldflüsse bei Petrobras aus dem Konzern entlassen hatte.
Gegen Diktatur gekämpft
Dass Rousseff kämpfen kann, weiß ganz Brasilien. Auch die Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs im Jahr 2009 konnte ihre politische Arbeit nicht stoppen. Die Mutter einer Tochter ließ den Tumor entfernen und Chemotherapien über sich ergehen, zeitweise trat sie mit Perücke vor die Kameras. Zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) war die frühere bekennende Marxistin im militärischen Widerstand, wurde 1970 festgenommen, gefoltert und über zwei Jahre lang inhaftiert.
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