„Echte Gelegenheit“ für Konfliktlösung
Eigentlich geht es bei dem Europa-Asien-Gipfel (ASEM) in Mailand um Auswege aus der Wirtschaftskrise, Bedrohungen der internationalen Sicherheit und den Klimawandel. Doch dominiert wird der zweitägige Gipfel von der Ukraine-Krise und der Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Schließlich erhofft sich der Westen eine Annäherung zwischen Russland und der Ukraine.
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Die vom Westen verhängten Sanktionen zeigen offenbar bereits Wirkung. Russland ist zusehends politisch isoliert. Der Wert des Rubels ist auf einem Rekordtief. Viel erwartet wird nun von dem Treffen Putins mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Freitag. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel könnte gemeinsam mit weiteren europäischen Spitzenpolitikern eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen.

APA/AP/Daniel Dal Zennaro
Merkel und Hollande könnten eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen
Zur Vorbereitung eines für Freitag geplanten Krisentreffens zum Ukraine-Konflikt kam es bereits am Donnerstag zu einem ersten Treffen zwischen Merkel und Putin. Zunächst blieb lange unklar, ob es schon am Donnerstag zu einem ersten Treffen kommen würde. Putin reiste mit Verspätung in Mailand an. Der ursprüngliche Termin für die Unterredung musste deswegen abgesagt werden.
„Ernste Differenzen“ zwischen Merkel und Putin
Merkel und Putin haben laut dessen Sprecher weiterhin „ernste Differenzen“ im Hinblick auf den Konflikt in der Ukraine. „Es bestehen weiterhin ernste Differenzen mit Blick auf den Ursprung des internen ukrainischen Konflikts ebenso wie zu den tiefen Ursachen dessen, was derzeit passiert“, sagte der Kreml-Sprecher Dimitri Peskow in der Nacht auf Freitag.
Zeitiges Spitzentreffen am Freitag
Am Freitag ist schließlich ein Frühstück geplant, bei dem neben Merkel, Putin und Poroschenko auch Italiens Premier Matteo Renzi, Frankreichs Präsident Francois Hollande, der britische Premierminister David Cameron sowie EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy über die Lage in der Ukraine beraten wollen.
Merkel und Poroschenko äußerten sich nach einer ersten Unterredung in Mailand noch enttäuscht über die Entwicklung im Osten der Ukraine. „Beide bedauerten, dass vieles noch nicht umgesetzt ist, etwa im Hinblick auf einen vollständigen Waffenstillstand“, sagte ein deutscher Regierungssprecher. Genannt wurden zudem die Lokalwahlen in Donezk und Lugansk sowie die Überwachung der russisch-ukrainischen Grenze.
Verschärfte Töne
Unmittelbar vor dem geplanten Spitzentreffen haben Russland und Deutschland die Tonlage verschärft. Putin drohte Europa mit einer Drosselung der Gaslieferung, falls die derzeit von der Versorgung abgeschnittene Ukraine Transitpipelines anzapfen sollte. Merkel forderte ihrerseits von Russland, die Vereinbarungen eines Friedensplans für die Ostukraine umzusetzen.
Zudem sieht die NATO noch keine Anzeichen für den angekündigten Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. „Bisher haben wir keine größeren und bedeutenden Bewegungen gesehen“, sagte ein Offizier des westlichen Verteidigungsbündnisses am Donnerstagabend laut dpa. Putin hatte zuvor erklärt, rund 17.600 Soldaten aus der Grenzregion abziehen zu wollen, was von Beobachtern bereits als Zeichen der Entspannung gewertet wurde. Ungeachtet dessen bezeichnete auch Putin die in Mailand angesetzten Spitzentreffen als „echte Gelegenheit“, die sich nun aufgetan habe, „die militärischen Konfrontationen, im Grund einen Bürgerkrieg, zu stoppen“.
Putin droht USA
Doch das allein reicht dem Westen nicht aus, von den Sanktionen abzugehen. Es gebe noch „sehr, sehr große Defizite“ bei der Umsetzung des Friedensplans, kritisierte Merkel. Zum einen sind mit dem Rückzug der russischen Soldaten nicht alle Forderungen des Westens an Moskau wie „funktionsfähige“ Grenzkontrollen und ein Austausch von Gefangenen erfüllt. Zum anderen hatte Putin in den vergangenen Monaten vor internationalen Treffen und Sanktionsdrohungen immer wieder Schritte des Entgegenkommens gezeigt, diese aber später zurückgenommen.
Auch die Anfang September vereinbarte Waffenruhe zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten hält nicht. Bei fast täglichen Kämpfen starben seither mehr als 300 Menschen. Trotz beschwichtigender Signale verzichtete Putin auch im Vorfeld des ASEM-Gipfels nicht auf harsche Rhetorik. Er warf US-Präsident Barack Obama aufgrund der Wirtschaftssanktionen eine „feindselige“ Haltung gegenüber Russland und „Erpressung“ vor und drohte den USA indirekt. Jeder müsse verstehen, dass ein Zerwürfnis zwischen zwei großen Atommächten Folgen für die Stabilität habe: „Wir hoffen, unsere Partner begreifen die Rücksichtslosigkeit der Erpressungsversuche gegen Russland.“
Faymann: „Auf uns wird gehört“
Offen ist, was mit Diplomatie nun erreicht werden kann. Abseits der größeren Gesprächsrunden wird es am Rande des ASEM-Gipfels jedenfalls zahlreiche bilaterale Treffen zur Ukraine-Krise geben. Vieraugengespräche sind am Freitag auch zwischen Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Poroschenko und im Anschluss zwischen Faymann und Putin geplant. Faymann sieht gute Vermittlungsmöglichkeiten für Österreich: „Als neutrales Land sind wir anerkannt, auf uns wird gehört. Das müssen wir nützen, um für eine friedliche Lösung im Ukraine-Konflikt zu arbeiten.“ Entscheidend sei eine effektive Überwachung der Waffenruhe.
Auch der ehemalige Sowjetpräsident Michail Gorbatschow hofft auf Entspannung beim ASEM-Gipfel. Er forderte ein Ende der westlichen Sanktionspolitik: „Niemand darf sich auf einen neuen Kalten Krieg einlassen.“ Noch vor dem Gipfel hatte Merkel deutliche Worte Richtung Putin gefunden: „Den entscheidenden Beitrag zur Deeskalation muss Russland leisten. Wir werden auch weiterhin keinerlei Zweifel daran lassen, dass die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine und der Bruch des Völkerrechts nicht folgenlos bleiben.“
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