Faymann: Chaotische Zustände
Die Turbulenzen bei der OMV und die Entscheidung des Aufsichtsrates von Dienstag, den bisherigen Chef Gerhard Roiss bis Juni 2015 im Amt zu belassen, haben heftige Kritik an der ÖIAG hervorgerufen. Neben Experten kritisierte auch die Regierung die Vorgänge bei der teilstaatlichen OMV und die Rolle der ÖIAG.
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Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht die Vorkommnisse in der OMV als Beleg für die Richtigkeit der Reformpläne in der Staatsholding ÖIAG. Es müsse Ordnung herrschen, „chaotische Zustände nützen niemandem“, sagte Faymann am Mittwoch.
Die Regierung will den ÖIAG-Aufsichtsrat wieder selbst besetzen und die unter Schwarz-Blau eingeführte Selbsterneuerung der Staatsholding beenden. Der „Selbsterneuerungsclub“ könne nicht bestehen bleiben, sagte Faymann und verwies darauf, dass die Politik für die Vorgänge in den Staatsbetrieben verantwortlich gemacht werde. „Wenn man schuld ist, soll man wenigstens entscheiden können und nicht traurig zuschauen müssen“, sagte Faymann nach dem Ministerrat.
Eine achtköpfige Arbeitsgruppe soll laut Kanzleramt die ÖIAG-Reform vorbereiten. Für die SPÖ verhandeln Faymann, ÖGB-Präsident Erich Foglar, AK-Direktor Werner Muhm und Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer. Für die ÖVP sind es Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, die Minister Hans Jörg Schelling (Finanzen) und Wolfgang Brandstetter (Justiz) sowie der Industrielle Norbert Zimmermann.
Mitterlehner macht gegen Kemler mobil
Die Reform der ÖIAG soll bis Jahresende ausgehandelt und bis März im Parlament beschlossen werden, sagte Faymann. Grundsätzlich hätte er sich die Reform schon früher gewünscht, die politische Einigung sei aber erst bei der jüngsten Regierungsklausur möglich gewesen.
Vizekanzler Wirtschaftminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) forderte die ÖIAG-Gremien auf, sich die noch im Oktober anstehende Entscheidung über die Verlängerung von Alleinvorstand Rudolf Kemler angesichts der geplanten Reform gut zu überlegen. Zwar habe die Regierung kein Weisungsrecht, räumte der Wirtschaftsminister ein. Er erwartet aber, „wenn jemand merkt, dass die ÖIAG politisch neu ausgerichtet werden soll, dass dann wahrscheinlich überlegt wird, ob es richtig ist, jemanden schon vorweg zu binden“. Mitterlehner betonte, dass es für die Reform mehrere Modelle gebe. Geprüft werden soll demnach, ob auch zusätzliche Unternehmen im Energie- und Infrastrukturbereich in die Staatsholding integriert werden.
Zehnmillionenablöse „für Bürger unverständlich“
Mitterlehner kritisierte die „fortgesetzt problematische Vorgehensweise“ bei der OMV. Schließlich dauere die öffentliche Debatte über Österreichs größtes Unternehmen schon seit August an. „Wenn ich eine angeblich zerstrittene Führungsmannschaft habe, und die gleiche Mannschaft macht dann weiter, dann verstehe ich die öffentliche Debatte nicht“, so Mitterlehner. Auch die nun im Raum stehenden zehn Mio. Euro schweren Abfindungen für die vor der Ablöse stehenden OMV-Manager seien „für Bürger unverständlich“.
Schelling: Unprofessionell
Finanzminister Schelling hatte zuvor angekündigt, demnächst mit der ÖIAG über Kemler zu reden und seine Vorstellungen präsentieren zu wollen. Auf eine Ablöse des vor der OMV schon in Zusammenhang mit dem Einstieg von America Movil bei der Telekom Austria (TA) in die Kritik geratenen Managers wollte er sich aber nicht festlegen. Er kritisierte die Vorgänge erneut als „unprofessionell“. Dass nicht sofort ein neuer OMV-Chef bestellt wurde, begrüßte Schelling. Der nun aufgesetzte Prozess sei besser als ein „Hüftschuss“. Grundsätzlich verwies der Finanzminister allerdings darauf, dass Österreich nicht der Mehrheitseigentümer der OMV und die Vorgehensweise Sache der zuständigen Organe sei.
Deutliche Kritik am Vorgehen der ÖIAG kam am Mittwoch in diesem Zusammenhang von Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ): „So wie die ÖIAG derzeit aufgestellt ist, hat man sich nicht mit Ruhm bekleckert.“ Er plädierte daher für eine rasche ÖIAG-Reform, mit der auch der Zugriff der Bundesregierung auf die Bundesbeteiligungen gesichert werden müsse.
Opposition stellt Regierung Rute ins Fenster
Kritik gab es auch von der Opposition: „Die Bundesregierung muss so schnell als möglich wieder Ordnung in die OMV bringen, um Schaden von der Republik abzuwenden“, forderte FPÖ-Budgetsprecher Elmar Podgorschek in einer Aussendung. Es sei „völlig unverantwortlich“, Roiss nach seiner Abberufung noch bis Juni im Amt zu belassen. Das sei „unternehmenspolitischer Wahnsinn“.
„Absoluten Handlungsbedarf“ sieht auch die geschäftsführende Klubobfrau des Teams Stronach, Waltraud Dietrich. „Der ÖIAG-Vorstand ist zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte sie am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Man habe „sehenden Auges“ die Verträge verlängert, kritisierte sie. „Die Ablöse der ÖIAG-Vorstände wäre eine Variante“, sagte Dietrich. „Wenn es zu einem Millionenschaden kommt, kann das nicht ungestraft sein.“
Rasinger: Teure Zwischenlösung
Auch Experten krisitierten die Vorgänge bei OMV und ÖIAG. Kleinanlegervertreter Wilhelm Rasinger sieht im vorläufigen Verbleib von Roiss einen kleinen Vorteil - allerdings mit einem Aber. Für die OMV sei es besser, jetzt den Vertrag mit Roiss zu beenden, als „weiter zuzuschauen", so Rasinger vom Interessenverband für Anleger (IVA)."Eine teure Zwischenlösung ist besser als keine Lösung“, so Rasinger am Mittwoch zur APA mit Hinweis auf die nun fälligen Abfertigungen. Das Problem seien die Streitereien im Vorstand gewesen und dass sich „Leute nicht mehr mit dem Markt und Kunden auseinandersetzen, sondern mit sich selbst beschäftigt sind“. Das ziehe sich durch das ganze Unternehmen.
ÖIAG hat „Verantwortung für Eskalation“
ÖIAG-Chef Kemler komme gemeinsam mit seinen Kollegen im Präsidium des OMV-Aufsichtsrates „große Verantwortung zu, dass diese Dinge so eskaliert sind“, sie seien „der Situation nicht gewachsen gewesen“. Es wäre zwar unfair, alles nur auf Kemler zu reduzieren, zugleich hat der ÖIAG-Chef aber aus Sicht Rasingers nun „ein Ablaufdatum“.
Rasinger ist gegen eine Verlängerung des Kemler-Vertrages, der bis Ende Oktober 2015 läuft, aber auch gegen eine vorzeitige Auflösung. Mit der von der Politik angekündigten neuen Struktur sei aber auch eine neue Führung für die ÖIAG nötig. Vor einem Jahr, als der Vertrag von Roiss verlängert wurde, habe man wissen müssen, dass im Vorstandsteam keine Harmonie herrscht: „Solche Dinge kommen nicht aus heiterem Himmel“, meinte Rasinger.
Der IVA-Chef hat Verständnis dafür, dass man Finanzvorstand David Davies jetzt nicht zum Vorstandsvorsitzenden gemacht hat. „Ich würde sagen, es hätte ausgeschaut wie eine Verlegenheitslösung. Davies ist sicher ein ausgezeichneter CFO, der sich sehr gut integriert hat, aber das muss nicht notwendigerweise jetzt die Idealbesetzung in der Position (als Vorstandschef, Anm.) sein“.
Raidl sieht „Desaster“
Nationalbankpräsident Claus Raidl, früher selber ÖIAG-Vorstand, äußerte ebenfalls scharfe Kritik am Vorgehen der ÖIAG bei der OMV. Das Ganze sei ein „Desaster“, sagte Raidl Dienstagabend in der ZIB2. Der Vertrag von Roiss sei ja erst vor einem Jahr verlängert worden. Die Tatsachen hätten sich nicht verändert, offenbar sei man damals zu „feige“ gewesen, wetterte er. Auch die jetzige Entscheidung, dass Roiss noch bis Juni 2015 im Amt bleibt, hält Raidl für falsch. In Personalfragen müssten rasch Entscheidungen getroffen und diese rasch umgesetzt werden. Wer werde nun noch ernsthaft mit Roiss reden, fragte er.
Der ÖIAG fehle offenbar das Gespür im Umgang mit börsennotierten Unternehmen. „Diese ÖIAG mit dem Vorstand und dieser Aufsichtsratsstruktur braucht wirklich niemand.“ Rückblickend sei die ÖIAG-Reform der schwarz-blauen Regierung ein Fehler gewesen. Man habe damals auf seinen Rat hin die Politisierung des Aufsichtsrats beseitigen wollen, es habe sich aber eine gewisse Gruppe etabliert, die sich selbst erneuere und ihre eigenen Interessen verfolge: „Aus dem Prellbock zwischen Politik und Wirtschaft wurde ein Bunker.“
Kemler verteidigt Entscheidung
ÖIAG-Chef Kemler, der auch bei der OMV im Aufsichtsrat sitzt, verteidigte im Interview mit „News“ den vorgezogenen Abgang von Roiss. Im OMV-Vorstand habe es unterschiedliche Vorstellungen über die Strategie gegeben: „Wir haben versucht, Einigkeit im Vorstand herzustellen, aber das war nicht möglich.“ Daher habe der Aufsichtsrat handeln müssen, „um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Unternehmen zu schädigen“.
Die vorzeitige Ablöse von Roiss sei die beste Lösung für das Unternehmen, weil sie eine Neuausrichtung unter einer neuen Führung bedeute, sagte Kemler laut Vorabmeldung in „News“. Der Vertrag von Roiss sei vor einem Jahr „noch unter völlig anderen Marktbedingungen“ erfolgt. Inzwischen sei aber vor allem das Gasgeschäft dramatisch eingebrochen.
„Kann Verärgerung verstehen“
Man werde jetzt mit Hilfe eines Personalberaters in einem mehrstufigen Prozess international die beste Führungskraft für die OMV suchen. Dadurch, dass Informationen vorzeitig an die Öffentlichkeit gerieten, sei die Vertraulichkeit verletzt worden. Deshalb erfolge eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die Kritik von Finanzminister Schelling „freut mich nicht, ich kann die Verärgerung aber verstehen“, sagte Kemler.
Die ehemalige ÖIAG-Aufsichtsrätin Brigitte Ederer verteidigte OMV-Chef Roiss. Er habe gute Arbeit geleistet, möglicherweise sei er anderen im Weg, so Ederer - mehr dazu in oe1.ORF.at.
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