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„Habe es zumindest versucht“

Knapp sechs Prozent der Österreicher gründen ein Unternehmen. Österreich liegt damit im europäischen Vergleich im unteren Feld. Noch bevor Geschäftsidee, Marktumfeld und Finanzierung getestet werden, steht oft die Entscheidung, ob eine Selbstständigkeit überhaupt infrage kommt. Oft stolpern Gründungsambitionen schon über die Angst vor dem Scheitern.

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90 Prozent der für den „Austrian Startup Report 2013“ befragten Investoren, Gründer und Vertreter von Förderstellen sind überzeugt, dass in Österreich eine „Kultur des Scheiterns“ in der Gesellschaft fehlt. Das sei auch das größte Hemmnis für Unternehmertum. „Wir haben zu viel Angst zu scheitern“, kritisierte der Unternehmer und Investor Johann Hansmann im Zuge einer Tagung der Wirtschaftskammer Anfang Oktober. In Österreich zeigten demnach nur 20 Prozent der jungen Generation den Wunsch, sich selbstständig zu machen, in Schweden seien es 60 Prozent.

Großes Bedürfnis, darüber zu sprechen

Scheitern wird in Österreich immer noch tabuisiert. Doch unter den Unternehmern ist das Bedürfnis groß, darüber zu sprechen. Der Unternehmer Jose Morales, gebürtiger Peruaner, der mittlerweile vor allem zwischen Slowenien und Österreich pendelt, greift dieses Tabuthema auf.

Bei „Fear & Fail“-Konferenzen (Angst & Scheitern) haben Gründer die Möglichkeit, über ihre Fehler und Misserfolge zu sprechen. Die Zuhörer, meist selbst auf dem Weg in die Selbstständigkeit, können daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen und aus den Erfahrungen anderer lernen.

Fehler zugeben via Internet

Im angloamerikanischen Raum steht der Umgang mit dem Scheitern und Misserfolgen bereits seit längerem im Mittelpunkt. Die Konferenzen zum Thema Scheitern (Failure conferences) nahmen 2009 im Silicon Valley ihren Ausgang und lassen dort bekannte und weniger bekannte Unternehmer über ihre ersten Schwierigkeiten sprechen. In den meisten Fällen sind die Sprecher aber wieder auf dem Erfolgsweg. Jedenfalls gilt dort das Motto „Scheitere schnell, scheitere oft“.

Die 2009 in San Francisco gegründete Konferenz zum Thema Scheitern, die „FailCon“, findet einmal jährlich statt und wird mittlerweile auch international abgehalten. Die Kanadierin Ashley Good verschreibt sich ebenfalls dem Scheitern. Sie gründete die Plattform „Admitting Failure“, auf der Unternehmen und Organisationen ihre Fehler und Fehlschläge posten sollen.

„Angst, darüber zu sprechen“

In Europa steht diese Entwicklung noch am Anfang. In einigen Städten fanden bereits Events über Misserfolge statt. Morales organisierte seine ersten „Scheiternkonferenzen“ in Ljubljana. Obwohl es um Negatives ging, fanden sich schnell Unternehmer, die bereit waren, über Misserfolge und Fehler zu sprechen. Morales: „Da waren Gründer dabei, die über ihren Weg vom Multimillionär in die Armut und die Schritte nach oben redeten“, erinnert sich Morales im ORF.at-Interview.

In Österreich ist er selbst am Anfang gescheitert mit seinen Konferenzen über Angst und Misserfolge. Es habe hier größeren Widerstand gegenüber dem Negativen gegeben. Zwar hatte er Sprecher, die sich dafür zur Verfügung stellten, aber keine einzige Anmeldung für das Publikum. Als er potenziellen Teilnehmern die Frage stellte, was sie über die österreichische Kultur in Verbindung mit der Angst vor dem Scheitern denken, hieß es immer wieder, dass es in Österreich gar keine Toleranz des Scheiterns gebe: „Wir haben sogar Angst, darüber zu sprechen.“

Beim dritten Anlauf vor wenigen Wochen gelang es, Interessenten zum ersten „Fear & Fail“-Event zu bewegen. „Die Reaktionen waren überwältigend“, so Morales. Die Zuhörer fühlten sich direkt angesprochen, merkten, dass andere ähnliche Probleme und Ängste haben.

„Das Beste, was mir passieren konnte“

„Scheitern als Begriff ist eigentlich Schwachsinn. Man hat die Angst, bevor es passiert und vermeidet Dinge. Aber wenn man einmal gescheitert ist, ist es schon vorbei. Es wird zu einer Erfahrung, und nach Jahren erinnert man sich und denkt: ‚Das ist das Beste, was mir im Leben passieren konnte‘“, ist Morales überzeugt. Es sei immer eine Frage, wie man damit umgeht. „Scheitern bedeutet auch: Ich versuchte, ein Unternehmen zu gründen, ich tat mein Bestes, erarbeitete ein Produkt, aber niemand kaufte es. Man verliert Zeit und Geld, aber es geht weiter.“

Oft haben Leute mit einem anderen kulturellen Hintergrund als dem österreichischen einen anderen Zugang zum möglichen Scheitern. „Migranten und Unternehmensgründer haben ein ähnliches Persönlichkeitsprofil. Beides ist mit Risiken verbunden. Sie sind ehrgeiziger und risikobereiter“, erklärt Gründerexperte Peter Vandor von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Aufstehen und weitermachen

In Österreich gelte das Scheitern oft als ein Qualitätsindikator. Vandor: „Gründer mit Migrationshintergrund schämen sich weniger und sehen es meist lockerer. In Österreich muss das Umdenken noch stattfinden.“ Gründer aus anderen Ländern wie den USA oder der Türkei brächten meist ein positiveres Risikoverständnis mit.

„Ich habe keine Angst zu scheitern“, sagte etwa die rumänische Gründerin Andra Slaats, die sich derzeit mit dem sozialen Unternehmen Younited Cultures selbstständig macht, gegenüber ORF.at. „Ich möchte einmal nicht nach hinten schauen und sagen, ich habe es nicht versucht. Wenn man scheitert, dann kämpfst du, stehst auf und machst weiter. Aber ich habe es zumindest versucht.“

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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