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Zusammenstöße mit Polizei

Bei den Kurdenprotesten in der Türkei gegen die Tatenlosigkeit Ankaras angesichts des Vormarschs der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien hat sich die Opferzahl auf 14 erhöht. Auch die US-Regierung ist einem Zeitungsbericht zufolge wegen des zögerlichen Verhaltens der Türkei im Kampf gegen den IS zunehmend besorgt.

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Allein in der südöstlichen Großstadt Diyarbakir seien acht Demonstranten getötet worden, berichtete die Zeitung „Hürriyet“ am Mittwoch. In der Kurdenhauptstadt gab es Zusammenstöße mit der Polizei und auch mit Anhängern der islamistischen Partei Huda-Par. Ein Vertreter der Sicherheitskräfte bestätigte die Presseberichte zur Opferzahl. Zuvor war von zwölf Toten die Rede gewesen.

Kurdische Demonstranten

APA/AP/Emrah Gurel

In Istanbul ging die Feuerwehr mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor

Vorwurf der Tatenlosigkeit

Die Demonstranten werfen Ankara vor, dem drohenden Fall der nordsyrischen Stadt Kobane (arabisch: Ain al-Arab) an den IS tatenlos zuzusehen. Das Parlament billigte zwar jüngst den Einsatz der Armee in Syrien und dem Irak, doch startete die Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bisher keine militärische Intervention. Die Kurdenpartei HDP hatte deshalb am Dienstag zu den landesweiten Protesten aufgerufen, Tausende Menschen folgten dem Appell.

Türkische Polizisten

Reuters/Osman Orsal

Die Polizei in Istanbul nach dem Einsatz von Tränengas

In Diyarbakir und anderen kurdischen Städten im Südosten der Türkei wurden Regierungs- und Parteigebäude beschädigt, Fahrzeuge in Brand gesetzt sowie Banken und Geschäfte geplündert. Mindestens drei Tote wurden aus der Stadt Mardin gemeldet, zwei aus Siirt und jeweils einer aus den Städten Batman und Mus. In den kurdischen Provinzen Diyarbakir, Mardin, Siirt und Van wurden Ausgangssperren verhängt. Die Armee wurde erstmals seit Aufhebung des Ausnahmezustands vor zwölf Jahren wieder auf den Straßen eingesetzt.

Regierung: Keine Toleranz bei gewaltätigen Protesten

Die Polizei setzte auch in der Metropole Istanbul und der Hauptstadt Ankara Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. In Istanbul wurde ein Demonstrant durch einen Schuss in den Kopf schwer verletzt. Mindestens 98 Menschen wurden laut der Nachrichtenagentur Dogan festgenommen. Proteste gab es auch in der Küstenstadt Antalya sowie in Mersin und Adana im Süden des Landes.

Die türkische Regierung rief zu einem sofortigen Ende der gewalttätigen Demonstrationen auf. „Wir werden keine Toleranz gegenüber gewalttätigen Protesten oder Vandalismus zeigen“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Yalcin Akdogan nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu. Akdogan wies Vorwürfe vonseiten der Demonstranten über mangelndes Engagement der Türkei zum Schutz von Kobane als „große Lüge“ zurück.

Warum die Türkei zögert

Zwar wurden bereits türkische Truppen an der Grenze zusammengezogen, bisher ist die Türkei aber nicht ins Nachbarland eingerückt. Laut BBC-Bericht zögert die Türkei bei ihrer Unterstützung für die kurdischen Kräfte an der syrischen Grenze nicht zuletzt deswegen, weil diese mit der PKK verbündet seien. Die PKK ist in der Türkei aber als Terrororganisation eingestuft.

Die US-Regierung ist laut den Worten eines Washingtoner Regierungsbeamten wegen des zögerlichen Verhaltens der Türkei im Kampf gegen den IS zunehmend besorgt. „So sollte sich ein NATO-Verbündeter nicht verhalten, während einen Steinwurf von seiner Grenze entfernt die Hölle los ist“, sagte ein nicht namentlich genannter Regierungsvertreter der „New York Times“ am Dienstagabend (Ortszeit).

Auschreitungen in Hamburg

Bei Zusammenstößen zwischen Kurden und radikalen Muslimen wurden im deutschen Hamburg laut Feuerwehrangaben acht Menschen verletzt. Etwa 400 Kurden hatten sich nach einer Demonstration gegen die IS-Gewalt am Dienstagabend in der Nähe einer Moschee versammelt, wie ein Sprecher der Polizei am Mittwoch sagte. Dort stellten sich ihnen den Angaben zufolge etwa 400 radikale Muslime entgegen, nach Erkenntnissen der Polizei vermutlich Salafisten. Zwischen Mitgliedern der beiden Gruppen habe es „gewalttätige körperliche Auseinandersetzungen“ gegeben.

Ein dpa-Fotograf dort berichtete in der Nacht, die Polizei habe die Zufahrtsstraßen zu der Moschee komplett abgesperrt. Einsatzwagen blockierten den Sichtkontakt zwischen den Gruppen. Dann hätten mit Metallstangen, Macheten und spitzen Gegenständen bewaffnete Salafisten Kurden angegriffen, die ebenfalls Waffen bei sich trugen. Die Lage sei „ausgesprochen gewalttätig“ gewesen.

Zuvor friedliche Kundgebung

Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Parteien zu trennen. Die Verletzten wurden in Krankenhäuser gebracht, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Der Einsatz dauerte bis zum frühen Morgen an. Zuvor hatten etwa 500 Kurden in der Hamburger Innenstadt friedlich Solidarität mit den vom IS bedrängten Menschen in Kobane gefordert. Anschließend blockierte aber eine Gruppe von etwa 80 Kurden für etwa eine Stunde bis gegen 18.00 Uhr mehrere Gleise auf dem Hamburger Bahnhof.

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