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Eine der größten Abfragen von Maildaten

Der Rechnungshof (RH) und das Verkehrsministerium (BMVIT) sind einander am Montag vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) gegenübergestanden. In der öffentlichen Verhandlung ging es um die Frage, ob der RH wegen möglicher Unregelmäßigkeiten in einem Vergabeverfahren sämtliche Ministeriumsmails von 2008 bis heute einsehen darf. Eine Entscheidung ist noch offen.

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Auslöser des Streits ist eine Kampagne des Verkehrsministeriums zum Thema Alkohol am Steuer, die vor sechs Jahren ausgeschrieben wurde. Den Zuschlag erhielt eine Agentur, deren Angebot - so der Vorwurf eines Kontrahenten - dem unterlegenen Kampagnenvorschlag verdächtig ähnelte, dabei aber 70.000 Euro teurer war. Der RH wollte nun eruieren, ob Informationen (konkret eine Videodatei) aus dem Ministerium an den letztendlichen Ausschreibungssieger weitergegeben wurden.

Auch private E-Mails sollen geprüft werden

Zu diesem Zweck verlangte der Rechnungshof vom BMVIT in einem ersten Schritt alle Mails zwischen Ministerium und der siegreichen Agentur von Juli bis Anfang Oktober 2009. Als das Ministerium das verweigerte und anführte, dass das einerseits technisch und andererseits aus Datenschutzgründen nicht möglich sei, weil die Mitarbeiter auch privat aus dem Ministerium mailen dürfen, kam eine zweite Anforderung des RH.

Diesmal verlangte der Rechnungshof die Gesamtauszüge aller von der Domain „@bmvit.gv.at“ aus gesendeten internen und externen E-Mails von 2008 bis heute. Dabei geht es um zwei bis drei Millionen E-Mails. Das könnte die bisher größte Abfrage von Maildaten durch den RH sein. Die stellvertretende RH-Sektionschefin Anna Rossoll verwies vor Journalisten zwar auf den Salzburger Finanzskandal, damals wurden allerdings nur die E-Mails einer einzigen Mitarbeiterin geprüft.

Das Ministerium lehnte aber wieder ab. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Offenlegung privater E-Mails, wurde argumentiert, und selbst die Forderung nur nach den Metadaten sei nicht das vom Datenschutzgesetz verlangte gelindeste Mittel.

„Freibrief“ für Dateneinsicht?

Doch der RH blieb hartnäckig und wandte sich an den VfGH. Die weitreichende Forderung an das Ministerium argumentierte man mit den Notwendigkeiten der Datenforensik. Auch VfGH-Richter Christoph Herbst zeigt sich vom dem Umfang der Anfrage überrascht. Ob man sich einen „Freibrief“ für die Dateneinsicht erwarte, wollte Herbst wissen, und ob der Antrag des RH nicht zu früh komme. RH-Jurist Markus Böheimer verneinte das. Der RH greife immer wieder auf E-Mails zu, gerade bei ausgegliederten Unternehmungen sei das oft die einzige Möglichkeit, an Daten zu kommen, erklärte Böheimer.

„Wir wollen nicht alle E-Mails“, betonte er, aber man brauche eine „Gesamtübersicht“, um die relevanten Mails herausfiltern zu können. Datenschutzrechtliche Bestimmungen können aus RH-Sicht die Einsichtsrechte nicht beschränken, und Inhalte einzelner wegen ihrer Größe oder einer mitgeschickten Videodatei gebarungsrelevanter Mails hätte man ohnehin erst in einem zweiten Schritt verlangt.

BMVIT wehrt sich gegen Pauschalunterstellung

Für das BMVIT wunderte sich Brigitte Raicher-Siegl über die „Pauschalunterstellung“ der Datenmanipulation. Man sei sehr wohl bereit, sämtliche Daten und damit auch private Mails zu übermitteln, „wenn wir wissen, sie sind abstrakt geeignet, für die Gebarungsprüfung relevant zu sein“. Das sei hier nicht der Fall gewesen, denn man habe mit den betreffenden Agenturen auch in anderen Vergabeverfahren zu tun gehabt. Wäre es bei der Prüfung generell um Vergaben an Agenturen gegangen, wäre das etwas anderes gewesen.

Eine Entscheidung des VfGH gab es noch nicht. Sie wird entweder schriftlich oder mündlich ergehen, so Präsident Gerhart Holzinger.

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