IS steht am Rande der Stadt
Die Lage in der von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bedrohten syrischen Stadt Ain al-Arab (kurdisch: Kobane) an der Grenze zur Türkei hat sich dramatisch zugespitzt. Es toben heftige Gefechte zwischen Kämpfern der Terrormiliz und kurdischen Einheiten.
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Kämpfer der Terrormiliz, die weite Teile Syriens und des Irak beherrscht, seien bis auf einige hundert Meter an die Stadtgrenze herangerückt, berichtete die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Es gebe Befürchtungen, dass Ain al-Arab jeden Moment in die Hände der Dschihadisten fallen könne, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die kurdischen Volksschutzeinheiten bereiten sich auf Straßenkämpfe vor. Viele Menschen verließen aus Angst vor einem Massaker die Stadt.
Türkei will Fall von Ain al-Arab verhindern
Die Türkei wird nach den Worten von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu alles unternehmen, um die Eroberung von Ain al-Arab durch die IS-Miliz zu verhindern. „Kein anderes Land hat wie unseres die Möglichkeit, die Entwicklung in Syrien und im Irak zu beeinflussen, kein anderes Land wird aber auch so davon betroffen sein“, sagte der Regierungschef am späten Donnerstagabend im TV-Sender A Haber. Das türkische Parlament hatte zuvor grünes Licht für Einsätze des Militärs in den beiden Nachbarländern Syrien und Irak gegen IS gegeben. Wann diese starten könnten, ist jedoch noch völlig offen.
Die USA und ihre Verbündeten bombardierten zwar erneut IS-Ziele nahe der Stadt, wie die kurdische Website Welati am Donnerstag berichtete - das konnte den IS-Vormarsch offenbar aber nur geringfügig verzögern. Die IS-Extremisten versuchen seit Tagen, die eingekesselte Stadt an der türkischen Grenze einzunehmen. Nach Angaben des Chefs der selbst ernannten Regionalregierung von Ain al-Arab, Anwar Muslim, stellen sich 5.000 bis 6.000 Kurden den IS-Extremisten entgegen. Zudem seien noch einige tausend Zivilisten in der Stadt.
Heftigste Kämpfe seit Beginn der IS-Offensive
Ain al-Arab ist die letzte Bastion in einer Enklave, die bisher von kurdischen Verbänden kontrolliert wurde. Sie sind mit der YPG, dem syrischen Ableger der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), verbunden. IS herrscht bereits über mehr als 300 Dörfer im Umland. Bis vor ein paar Wochen hatten die Kurden ihr Territorium in Nordsyrien fast lückenlos verteidigen können. Im Zuge des Vormarsches der mit modernsten Waffen und Panzern ausgestatteten Islamisten schmolz der Widerstand bis auf Ain al-Arab zusammen, wo er nun auch einbricht.
Die Kurden hätten sich aus Gebieten im Westen der Stadt zurückziehen müssen, sagte Rahman am Donnerstag. Die Situation sei „sehr gefährlich“. Die Intensität der Kämpfe habe am Donnerstag zugenommen. Die Sorge sei groß, dass die Dschihadisten schon bald in die Stadt eindringen werden. Die Beobachtungsstelle sprach von den heftigsten Kämpfen seit Beginn der IS-Offensive auf die Grenzstadt vor rund zwei Wochen.
Australien greift im Irak ein
Im Kampf gegen IS beteiligt sich Australien an Luftangriffen im Irak. Nach Angaben von Ministerpräsident Tony Abbott billigte das Kabinett am Freitag den Einsatz von Kampfflugzeugen auf Bitten der irakischen Regierung. Der IS habe der Welt den Krieg erklärt, und die Welt antworte darauf, sagte Abbott. Das Kabinett stimmte zugleich der Entsendung von Spezialkräften zu. Die Soldaten sollen die Iraker beraten. Mehrere australische Kampfflugzeuge sind derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten stationiert. Seit Monatsbeginn hatten australische Maschinen den Kampf gegen den IS im Irak mit Aufklärungs- und Tankflügen unterstützt.
Dringender Appell des Europarats
Der Europarat forderte am Donnerstag, die internationale Gemeinschaft solle sofort eingreifen, um in Ain al-Arab eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die bisherigen Leistungen seien nicht ausreichend. Die Mitgliedsländer wurden aufgefordert, „ihre Hilfe für Flüchtlingslager im Irak, in Syrien, Jordanien, dem Libanon und der Türkei aufzustocken und auszuweiten“. Unter UNO-Aufsicht solle ein ausreichend finanziertes Programm auf die Beine gestellt werden, um die zerstörten Ortschaften in den betroffenen Regionen wiederaufzubauen.

APA/AP/Burhan Ozbilici
Türkische Soldaten an der Grenze zu Syrien
Unterdessen stieg die Zahl der Opfer eines Doppelanschlags auf eine Schule der zentralsyrischen Stadt Homs weiter. Laut der Beobachtungsstelle wurden 48 Menschen getötet, darunter 41 Schulkinder. Die Schule liegt in einem überwiegend von Alawiten bewohnten Viertel - einer schiitischen Glaubensgemeinschaft, der auch Syriens Machthaber Baschar al-Assad angehört. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand, doch ist das Viertel häufiges Ziel von Angriffen radikalislamischer Gruppierungen oder laizistischer Rebellen.
IS auch im Irak wieder auf dem Vormarsch
Die USA hatten in der vergangenen Woche ihre Luftangriffe auf IS-Kämpfer vom Irak auf Syrien ausgedehnt. Fünf arabische Staaten und mehrere europäische Länder unterstützen sie dabei. Ziel der Koalition ist es, die Terrormiliz zu zerstören. Die USA wollen dafür auch gemäßigte syrische Rebellen ausbilden, die IS und das syrische Regime in Damaskus bekämpfen. Der US-Gesandte für das internationale Bündnis, John Allen, sagte gegenüber dem Fernsehsender CNN jedoch, das „könnte Jahre dauern“.
Zuletzt hatte es danach ausgesehen, als sei das Engagement der Koalition zumindest im Irak erfolgreich. Mit Unterstützung durch Luftschläge war es kurdischen Verbänden - auch dank den aus mehreren westlichen Ländern gelieferten Waffen - zuletzt gelungen, einige Dörfer von IS zurückzuerobern. Auch im Irak konnte die Terrormiliz zuletzt aber wieder Zugewinne erzielen. Laut Angaben aus der Stadt Hit in der Landesmitte wurden am Donnerstag „90 Prozent der Stadt von den Kämpfern überrannt“.
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