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Vernetzung als Wettbewerbsfaktor

Das Internet ist für viele nicht nur auf dem Handy unverzichtbar, sondern auch im Auto. Jeder zehnte Autokäufer würde ein Neufahrzeug ohne Internetanbindung nicht mehr kaufen, so eine Studie des Unternehmensberaters McKinsey. Die Automobilindustrie kann von diesem Trend profitieren - wenn sie sich nicht von Internetfirmen wie Google oder Apple abhängen lässt.

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Die Möglichkeit, Services wie Echtzeitstaumeldungen und Wartungsinformationen, lokale Tipps für günstiges Tanken und Parken oder Onlinemusikkanäle im Auto zu nutzen, werden beim Autokauf immer wichtiger, so McKinsey. Jeder Fünfte würde die Automarke wechseln, wenn er dadurch bessere Services erhält, bei den Vielfahrern sind es sogar 40 Prozent, ergab eine Befragung unter 2.000 Autokäufern in Deutschland, den USA, Brasilien und China.

Entsprechend erwartet McKinsey einen Boom auf dem Markt für Bauteile und Dienstleistungen rund um vernetzte Autos. Das Volumen soll sich von derzeit 30 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 auf 170 Milliarden Euro fast versechsfachen. Dabei öffneten sich durch individuelle Daten der Fahrzeugbenutzung, an denen Wartungen oder Versicherungstarife hängen, auch neue Geschäftsfelder.

Kundenbindung mit Services stärken

Die Hersteller könnten etwa Daten zum Zustand der Fahrzeuge nutzen, um ihren Anteil am Wartungs- und Reparaturmarkt zu erhöhen und so die Kundenbindung zu stärken. 23 Prozent der weltweit von McKinsey befragten Autokäufer würden der Wartungs- oder Reparaturempfehlung einer App folgen und eine Vertragswerkstatt aufsuchen. Jeder dritte Fahrer ist demnach auch bereit, für einen Versicherungsrabatt persönliche Fahrzeugdaten freizugeben.

Neben der Verschiebung von Marktanteilen durch entsprechende Angebote unter den Autoherstellern selbst sieht McKinsey auch die Gefahr, dass sich das Kräfteverhältnis in der Autobranche hin zu bisher ungewohnten Mitbewerbern wie Google oder Apple verschiebt. Die Hersteller müssten aufpassen, dass sie die Hoheit über die digitale Revolution nicht den Internetunternehmen überlassen, so McKinsey-Partner Dominik Wee.

Günstige Angebote drängen auf den Markt

Anbieter aus dem Software- und Telekomsektor wie eben Google würden mit günstigen oder gar kostenlosen Services in den Markt drängen. Viele Kunden seien nicht bereit, für zusätzliche Services einen Aufpreis zu zahlen: Nur ein Drittel der Befragten würde 80 Euro für eine standardisierte Smartphone-Schnittstelle im Auto bezahlen und nur ein Fünftel auch für Abodienste. Das Thema Connectivity werde für die Autohersteller zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, so McKinsey.

Bei den Smartphones etwa schaffte es Google binnen weniger Jahre, den Markt völlig zu dominieren. Viele Handyhersteller gaben die Entwicklung eigener Betriebssysteme und Services zugunsten von Googles Android und dessen Versprechungen auf und setzten gänzlich auf den Fremdanbieter. Mittlerweile beklagen viele Hersteller, dass sie derart abhängig von Google sind und kaum bis keine Hoheit über die Nutzungsdaten der Kunden haben. Mittlerweile gibt es zwar Gegenbewegungen für die Entwicklung alternativer Betriebssystem, allerdings mit wenig nachhaltigem Erfolg.

Hersteller überlegen genau bei Kooperationen

Das Thema Vernetzung sei in der Automobilindustrie sehr präsent, so Stefan Poledna, Vorstand des Wiener Autozulieferers TTTech Computertechnik AG, gegenüber ORF.at, gerade auch im Bereich Nutzungskontinuität. Die Nutzer würden sich im Auto die gleichen Möglichkeiten erwarten wie etwa auf dem Handy, auch wenn die Bedienmöglichkeiten aufgrund der Fahrsituation etwas anders sein.

Gerade große Fahrzeughersteller überlegten sich genau, was sie von den vielen Möglichkeiten tatsächlich umsetzen - und wie und auch mit wem. Zwar gebe es Kooperationen mit Google oder auch Apple, die zuletzt beide entsprechende Initiativen für die Autoindustrie ankündigten, parallel dazu gebe es aber auch intensive Diskussionen darüber, wem die Daten der Autonutzer schlussendlich gehören. Hier gebe es ein „massives Ziehen, wer welche Scheibe vom Kuchen abbekommt“.

Industrie soll starke Position nutzen

Im Rahmen des europaweiten Notrufsystems E-Call, das 2015 starten soll, hätten die Autohersteller entsprechende eigene Backend-Systeme aufgebaut, die sie auch für weiter gehende Services nutzen können. Die Möglichkeiten seien also durchaus da. Zudem seien die Hersteller vorsichtig, da es bei Autos gerade beim Thema Sicherheit oft um Sekundenbruchteile gehe, was mit Handys derzeit nicht unbedingt kompatibel sei. „Das sind noch zwei ganz unterschiedliche Welten.“

Poledna sieht allerdings keinen Grund für die europäische Automobilindustrie, vor den möglichen Partnern aus den USA nicht selbstbewusst aufzutreten. Europa sei stark im Bereich Automatisierung, es müsse seine Karten bei der Schnittstellendefinierung - in dem Fall: wer welches Stück vom zu verteilenden Datenkuchen erhält - nur richtig ausspielen. Es sei nicht sinnvoll, ein eigenes Apple oder Google zu machen, Europa müsse nur seine starke Position nutzen, um die Wertschöpfung zu halten, so Poledna.

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