Erster Neubau nach Fukushima
Die EU-Kommission will noch im Oktober Großbritannien grünes Licht für den ersten Atomkraftwerksbau in Europa seit der Katastrophe von Fukushima geben. EU-Kommissionssprecher Antoine Colombani sagte am Dienstag in Brüssel, noch die amtierende EU-Kommission werde hierzu eine Entscheidung treffen. Deren Mandat endet am 31. Oktober.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der für Staatsbeihilfen zuständige EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia werde dem Kollegium eine positive Entscheidung empfehlen, sagte der Sprecher. „Unsere Diskussionen mit den britischen Behörden haben zu einer Übereinkunft geführt“, so Colombani. Almunia werde die Genehmigung des Projekts nach den EU-Regeln für Staatsbeihilfen vorschlagen. Die Entscheidung könne nur nach den Regeln des EU-Vertrages erfolgen, spezielle Leitlinien für AKW-Beihilfen gebe es nämlich nicht.
Das Kraftwerk Hinkley Point C mit zwei Druckwasserreaktoren des französischen Herstellers Areva soll in Somerset in Südwestengland entstehen. Es ist der erste derartige Neubau in Großbritannien seit rund 20 Jahren.
Das Projekt hat für Großbritannien eine hohe Priorität, weil das Land in den kommenden Jahren jedes Fünfte seiner alternden AKWs ersetzen will. Für Frankreich ist die Anlage ein wichtiges Exportgeschäft. Auch zahlreiche andere Länder warten gespannt auf das Urteil der EU-Behörde, weil es eine Richtschnur für die erlaubten Subventionen liefert. AKW-Entwickler in der EU sind mittlerweile auf staatliche Unterstützung angewiesen, denn seit dem Fukushima-Unglück im März 2011 haben schärfere Sicherheitsauflagen die Kosten für neue Kernkraftwerke in die Höhe getrieben. Daher sichert Großbritannien als erstes europäisches Land den AKW-Bau mit Staatsgarantien ab.
Rupprechter fordert Klage vor EuGH
Die anstehende Entscheidung wird von scharfer Kritik begleitet. Gegenüber dem „Kurier“ kündigte auch Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) Widerstand gegen die EU-Pläne an und brachte in diesem Zusammenhang auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ins Spiel.
Bleibe die EU bei der Entscheidung, werde er sich für eine Nichtigkeitsklage Österreichs einsetzen. „Dieser Skandal muss mit allen rechtlichen Mitteln bekämpft werden“, zitiert das Blatt den Minister. Auf Anfrage der APA sagte eine Sprecherin Rupprechters, es handle sich um die Ansicht des Ministers. Die Position der Bundesregierung müsse noch bestimmt werden.
„Kniefall vor Atomlobby“
Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon sprach zuvor von einem „Kniefall vor der Atomlobby“. Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee sprach mit Blick auf die nun für die Atomindustrie in Aussicht gestellten Steuergelder per Aussendung von Bruch eines Grundpfeilers der EU.
Die Umweltorganisation Global 2000 kündigte bereits an, rechtliche Schritte gegen eine „drohende Fehlentscheidung“ der EU-Kommission zu dem britischem Atomkraftwerk zu prüfen. Hinkley Point C werde auf 35 Jahre eine garantierte Einspeisevergütung von 10,6 Cent je KWh erhalten und damit mehr als Windkraft in Deutschland, kritisiert zudem der Ökostromanbieter Greenpeace Energy.
Regierungskrise in Finnland
In Finnland drohen die Grünen unterdessen aus Protest gegen den Bau eines neuen finnischen Atomkraftwerks die Regierungskoalition zu verlassen. „Ich bin betrübt und enttäuscht“, sagte der Parteichef und Umweltminister Ville Niinistö am Donnerstag in Helsinki. Er werde deshalb seiner Partei den Austritt aus der Regierung empfehlen. Angesichts der harschen Kritik der Grünen an dem AKW-Projekt gilt ein entsprechender Parteibeschluss als Formsache.
Die Mehrparteienregierung unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Alexander Stubb hat den Kraftwerksbau mit den Stimmen von zehn zu sieben Ministern befürwortet. Nun muss das Parlament dem Beschluss in zweiter Lesung zustimmen. Der finnische AKW-Betreiber Fennovoima will die neue Anlage in Pyhäjoki an der Westküste Finnlands errichten.
Links: