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„Leichte Lektüre für intelligente Damen“

Literaturkritiker rümpfen die Nase, doch ihre Leser lieben sie: Rosamunde Pilchers romantische Geschichten über gute Menschen in ländlicher Idylle haben sich weltweit über 60 Millionen Mal verkauft, wurden in über 15 Sprachen übersetzt und haben sie zu einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Autorinnen der Welt gemacht. Am 22. September feiert die Mutter der literarischen Seifenoper ihren 90. Geburtstag.

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Obwohl sie in Südengland geboren wurde und in Schottland lebt, hat die Bestseller-Autorin ihre größte Fangemeinde im deutschsprachigen Raum. Die von ORF, ZDF und SF DRS koproduzierten TV-Adaptionen sind regelmäßig top besetzt und erreichen alleine im ORF nicht selten ein Millionenpublikum. Seit Mitte der 1990er Jahre sind so bereits über 100 Liebesgeschichten verfilmt worden - die Romane sind allesamt längst verfilmt, inzwischen basieren die Drehbücher auf Ideen aus ihren Kurzgeschichten.

Szene aus der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung "Liebe gegen den Rest der Welt" mit Sylvia Leifheit

ORF/ZDF/Jon Ailes

Das Rezept Rosamunde Pilchers: Wildromantische Landschaften und attraktive Menschen, die nach Schicksalsschlägen neues Glück finden

Kein Verbrechen, kein Sex

Eigentlich klingt Pilchers Rezept für Bestseller wenig erfolgsträchtig: Keine Verbrechen, kein Sex, keine ausgeflippten Helden, absolut jugendfrei. Die Menschen in ihren Büchern sind gut und normal, erleben Liebe, Leid und Freundschaft. Ein Teil der Protagonisten ist reich, der andere arm, ihre Häuser sind entweder riesige Anwesen mit Dienerschaft und Pferdestall oder kleine idyllische Landcottages.

Irgendwer kehrt meistens nach jahrelangem Leben in der Stadt (und oder im Ausland) in die südenglische Heimat zurück, um dort entweder eine alte Jugendliebe wiederzutreffen oder einen ebenfalls gerade verwitweten oder verlassenen Menschen zu finden. Ein paar Missverständnisse später kommt der Kuss zum Schluss. Happy End.

„Ich kenne diese Liebesblitze nicht“

„Leichte Lektüre für intelligente Damen“ nannte Pilcher ihr Werk selbst einmal und zeigte sich überzeugt, dass die Menschen von Kunstfiguren aus dem Fernsehen übersättigt seien. Dass ihre Kuschelromane bei Kritikern allenfalls wegen ihres Erfolgs bestaunt, literarisch aber belächelt werden, stört die Erfolgsautorin nicht. „Nennen Sie es Kitsch. Ich glaube dennoch, dass ich einen guten Stil habe.“ Und ihr Werk lebt viel vom eigenen Erleben, auch wenn sie die Liebe, im Vergleich zu ihren Romanfiguren, nie als flammend empfunden habe. „Ich kenne diese Liebesblitze nicht, wenn das Herz flattert und der Verstand aussetzt.“ Sie sei kein Gefühlsmensch, sondern nüchtern und realistisch.

Szene aus der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung "Liebe gegen den Rest der Welt" mit Sylvia Leifheit und Thomas Scharff küssend auf einem Pferd

ORF/ZDF/Jon Ailes

Der Kuss zum Schluss

Ihre Geschichten spielen in Cornwall, wo sie aufwuchs, und in Schottland, wo sie lebt. Gegenden, die dank ihrer Küsten- und Klippenlandschaften, ihrer Landsitze und Burgen wie gemacht für Romanverfilmungen sind. In Cornwall lösten die Verfilmungen ihrer Bücher einen solchen Touristenboom aus, dass Pilcher für ihre Verdienste um den Fremdenverkehr ausgezeichnet wurde.

Internationaler Durchbruch mit 63 Jahren

Zwar hat Rosamunde Pilcher fast ihr ganzes Leben geschrieben - bereits mit 18 veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichte - doch der internationale Erfolg kam erst, als sie 63 Jahre alt war. Ihre Familiensaga „Die Muschelsucher“ schaffte es in die internationalen Bestsellerlisten - wie dann jeder weitere Pilcher-Roman auch.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt Sonntag, den 28. September um 14.30 Uhr „Liebe gegen den Rest der Welt“ (2009) und Sonntag, den 5. Oktober um dieselbe Zeit „Im Licht des Feuers“ (2010).

Bis dahin war es ein langer Weg: Nach ihrer Rückkehr aus dem Kriegsdienst, den sie unter anderem in Indien ableistete, heiratete sie 1946 den Offizier Graham Pilcher und zog mit ihm ins schottische Dundee. Dort schrieb sie weiter kleine Geschichten unter dem Pseudonym Jane Fraser, allerdings nur, wenn die Familie mit den vier Kindern ihr dazu die Zeit ließ. Dann saß sie mit ihrer Schreibmaschine am Küchentisch, weil woanders kein Platz für einen Schreibtisch war, und verfasste Kurzgeschichten für Frauenmagazine.

Bescheidenheit trotz Millionenvermögens

Pilchers Leben hat sich durch den späten Erfolg nicht viel verändert, behauptet sie, obwohl ihre Romane ihr Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe brachten. Immerhin konnte sie ihren Kindern und Enkeln sämtliche Wünsche erfüllen. Sie selbst ist bescheiden geblieben: „Was nützt mir in meinem Alter noch ein teurer Sportwagen vor der Tür?“

2012 gab Pilcher mit 87 Jahren bekannt, dass sie mit dem Schreiben aufhört, weil sie sich zu alt fühle, um weiter zu arbeiten. Das Schreiben sei nie ihr Leben gewesen, betont sie gern, „aber ich wollte etwas Eigenes“. Heute hat die „Lady vom Lande“, wie sie oft genannt wird, 14 Enkelkinder und kann ganz nebenbei auf ein literarisches Werk blicken, das in 15 Sprachen übersetzt wurde.

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