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Brutaler Raubbau an der Umwelt

Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber Sand ist faktisch überall: in Kosmetikprodukten, Putzmitteln und sogar in Chips, wie sie in Handys, Computern und auch Kreditkarten verwendet werden. Essenziell ist Sand auch für die Herstellung von Glaswaren und Beton. Kurzum: Der Rohstoff wird für all das, was global in gigantischem Ausmaß nachgefragt wird, benötigt. Die Folge: Der Rohstoff wird knapp.

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Grundlegend dabei ist, dass Sand kein erneuerbarer Rohstoff ist. Er entsteht als Resultat natürlicher Prozesse, die Hunderte bzw. Tausende Jahre dauern. Vor allem in der Bauindustrie steigt der Bedarf aufgrund des globalen Booms stetig an. Und die Dimensionen sind enorm.

Rund 200 Tonnen Sand sind etwa für den Bau eines normalgroßen Hauses nötig, rund 30.000 Tonnen allein für einen Kilometer Autobahn. Bei diesen gigantischen Ausmaßen ist klar: Es gibt zwar viel Sand, es wird aber auch viel benötigt. Und es ist ein endlicher Rohstoff, der immer begehrter wird.

Irreversible Schäden

Der Abbau bzw. der Gewinn von Sand gilt als umstritten, damit verbunden sind häufig sozioökonomische und ökologische Probleme. Ein Beispiel dafür ist die Situation in Marokko. An den dortigen Küsten wird Sand abgebaut - vor allem nationale Bauprojekte werden beliefert. Doch die Folgen des Raubbaus sind für die Umwelt fatal. Infolge des Abgrabens vom Meeresboden rutscht für den Sand aus dem Meer Küstensand nach, womit die betroffenen Küstenregionen geflutet werden.

Vielerorts sind die Schäden in der Landschaft bereits irreversibel. Massiv ist bereits in die Dünenlandschaft eingegriffen worden, der Charakter der Küstenregionen verändert sich immer mehr. Studien zufolge wird schon im Jahr 2050 etwa die Hälfte aller Sandstrände im Nordosten des Landes überspült sein. Zusätzlich leiden die Küsten unter dem jährlich steigenden Zustrom an Touristen. Protesten von Bewohnern der Küstenregionen zum Trotz geht der Raubbau weiter.

Krieg der „Sandmafia“

Auch in vielen anderen Abbaugebieten hat das teils bereits schlimme Folgen für das Ökosystem: Flussufer bzw. -betten und Kiesgruben werden ausgeschwemmt und abgetragen, es kommt zu einem Absinken des Grundwasserspiegels, womit letztlich auch die Wasserversorgung negativ beeinflusst ist. Auch die Fauna leidet unter dem Eingriff, folglich ist auch der Fischfang betroffen.

Auch die für den Abbau benötigten Infrastrukturen bzw. die für den Abtransport eingesetzten Schwertransporter schädigen die Küsten- und Uferbereiche. Aufgrund der großen Nachfrage bzw. des damit verbundenen Aufwands haben sich rund um den globalen Handel mit Sand mafiöse Strukturen gebildet. Experten sprechen gar von einem regelrechten Krieg um den begehrten Rohstoff.

Gigantischer Schwarzmarkt

In bestimmten Gegenden - etwa in Marokko - wird Sand illegal abgebaut, dahinter stehen Clans, die einen gigantischen Schwarzmarkt betreiben. Der illegale Sandabbau sorgte in der Vergangenheit bereits für diplomatische Verstimmungen. So baut etwa Singapur seine Küsten mit Sandmengen auf, die illegal in Nachbarstaaten abgebaut wurden.

Da der illegale Raubbau noch weniger auf die Umwelt abgestimmt wird als der offizielle, ist der Schaden in dieser Hinsicht enorm. Generell ist Sand preislich vergleichsweise stark unterbewertet. Kosten fallen für den Rohstoff selbst kaum an, ins Gewicht fallen vielmehr die Maschinen für den Abbau, der Transport, die Löhne sowie - im Falle legalen Abbaus - Lizenzgebühren und Pachtgelder.

Das birgt ein grundsätzliches Problem mit sich: Das Sand selbst kostet - trotz seiner Knappheit - praktisch nichts. Das Problem der Knappheit wird einfach mit geografischer Verlagerung gelöst. Deshalb gibt es allerorts, wo abgebaut wird, ähnliche Probleme. Diese werden verursacht durch Konzerne, Politiker und mafiöse Organisationen, die den Sandabbau mit allen möglichen Mitteln vorantreiben. In den meisten Fällen gegen lokale Interessen.

Strategische Naturreserven

Auch der Abbau von Sand als Ausgangsstoff für die Gewinnung strategischer Mineralien, die für technische Fertigungsprozesse benötigt werden (etwa für Chips für Computer und Handys), ist ein immer bedeutenderer Industriezweig. Auch hier gibt es eine wirtschaftspolitische Dimension - so gehören etwa Mineralsande für viele Länder zu den strategischen Naturreserven. Zu den bekanntesten Abbaustätten gehört Stradbroke Island vor der Küste der Stadt Brisbane im Nordosten Australiens. Hier liegen auch die beiden größten Sandabbaugebiete der Welt. An Ort und Stelle ist der belgische Konzern Sibelco tätig.

Die Auswirkungen des Sandabbaus sind verheerend. Das betrifft vor allem die Feuchtgebiete, die sich auf der Insel befinden. Die Minen sind so tief angelegt, dass sie unter den Grundwasserspiegel reichen. Darunter leidet wieder das Ökosystem der angrenzenden Feuchtgebiete. Zwar gibt es regelmäßig Proteste der Bewohner für mehr Schutzbestimmungen, doch die Interessen der Industrie konnten sich stets durchsetzen.

Unmengen an Sand für Fracking

Einen Aufschwung erlebte zuletzt auch Fracking - auch dabei werden Unmengen an Sand verbraucht. Dabei wird mit Sand und Chemikalien versetztes Wasser unter Hochdruck in die erdgasführenden Schichten gepresst, um Risse im Gestein zu erzeugen und den Rohstoff freizusetzen. Dabei hat der Sand die Funktion, die Risse zu „stopfen“, damit die Gesteinsformation nicht zusammenbricht. Durch die Sandkörner entstehen Abzugskanäle, über die das Gas in die Bohrlöcher geleitet wird, durch die es dann abgesaugt werden kann.

Dubai importiert aus Australien

Die globale Dimension des Geschäfts mit dem Sand zeigt sich am Beispiel Dubai - wo der Bestand an Meeressand längst erschöpft ist. Wüstensand gäbe es zwar genug, doch dieser eignet sich aufgrund der runden Körnung nicht als Baustoff. Deswegen importiert das Emirat den Sand für seine Bauvorhaben aus Australien.

Im Zuge eines regelrechten Raubbaus wurde das lokale maritime Ökosystem stark geschädigt, was sich wiederum auf den Fischbestand bzw. in weiterer Folge auf die Fischerei auswirkt. Generell setzte die Industrie global zuletzt verstärkt auf den Sandabbau auf dem Meeresboden. Das ist kostspielig, und die Auswirkungen auf die Umwelt sind noch ungewiss.

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