„In fünf Jahren überall“
Elektronische Preisschilder kannte man bisher allenfalls aus dem Urlaub. In Frankreich etwa nutzen bereits 70 Prozent der Handelsunternehmen derartige Electronic Shelf Labels (ESL). Das ist auf eine gesetzliche Regelung zurückzuführen, die hohe Strafen vorsieht, wenn der Preis an der Kassa und im Regal nicht übereinstimmt. Auch in Italien werden die Displays häufig in Supermärkten verwendet.
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Sie sind nicht größer oder dicker als ein Papierschild und werden einfach an das Supermarktregal geknipst. Supermärkte ersetzen ihre alten Papieretiketten zunehmend durch moderne E-Labels, die in Minutenschnelle auf Knopfdruck aus der Ferne jeden gewünschten Preis anzeigen. „Die elektronischen Preisschilder werden sich in den nächsten fünf Jahren flächendeckend auch hierzulande durchsetzen“, ist Iris Thalbauer von der Wirtschaftskammer Österreich im Gespräch mit ORF.at überzeugt.

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Jeder kennt es, keiner erkennt es: Ein elektronisches Preisschild bei Billa
Jährliches Wachstum von 18 Prozent
Auch internationale Studien sehen den Bereich als eines der großen Wachstumsfelder. Die US-Marktforschungsfirma TechNavio prognostiziert bis 2018 Wachstumsraten von jährlich über 18 Prozent. Erwartet wird, dass in den nächsten Jahren sämtliche Handelsketten ihre Papierschilder auf digitale Pendants umrüsten.
Grund für den hierzulande vergleichsweise späten Start der Digitaltechnologie sind unter anderem die hohen Umrüstungskosten. Eine Filiale bietet durchschnittlich 10.000 Artikel an, bei Displaypreisen ab sieben Euro das Stück und den Kosten für die WLAN-Infrastruktur liegt die Umrüstung einer Filiale schnell im hohen fünfstelligen Bereich. Andererseits war lange Zeit auch die Lesbarkeit der kleinen Displays zu schlecht, um wirklich zu überzeugen.
E-Paper-Technologie aus Österreich
Hier hat sich allerdings in den letzten Jahren viel getan. Dank dem Einsatz von E-Ink-Technologie, wie sie auch in E-Book-Readern eingesetzt wird, unterscheidet sich ein neues E-Label auf den ersten Blick nicht von dem guten alten Papierschildchen. Viele Kunden sind solchen Schildern etwa in Billa-Märkten schon begegnet, ohne zu wissen, dass hier Technik statt Papier im Rahmen steckt. Vorreiter für E-Ink-Displays ist das österreichische Startup Imagotag aus Graz, das als Technologieführer in der wachsenden Branche gilt.
Lebensmittelhandel rüstet um
Die größten Handelsketten in Österreich und Mitteleuropa setzen die Preislabels von Imagotag bereits ein. Vor allem im Lebensmittelhandel ist das Interesse groß, da es hier besonders viele Aktionen gibt. Bei Billa sind etwa in ganz Österreich über 300.000 aufsteckbare „Best-Preis-Garantie“-E-Schilder im Einsatz, der Merkur-Minimarkt im Wiener Westbahnhof ist vollständig mit den digitalen Preiszetteln ausgestattet. Man teste weiterhin Optionen und beobachte die Entwicklungen sehr genau, so REWE-Pressesprecherin Katharina Krovat zu ORF.at. Spar hat in Österreich bisher keine elektronischen Preisschilder im Einsatz, testet aber derzeit auf dem slowenischen Markt. In Deutschland ist das Interesse noch größer, EDEKA und die REWE-Gruppe rüsten ihre Märkte derzeit entsprechend um.

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Der Merkur im Wiener Westbahnhof zeigt Preise nur noch digital an
Die großen Ketten wollen mit Preisänderungen aber nicht nur schnell auf Aktionen der Mitbewerber reagieren, sondern auch den Verkauf von bestimmten Warengruppen über kurzfristige Preissenkungen gezielt ankurbeln. So kann der Händler zum Beispiel einen Überschuss an Frischwaren wie Obst und Gemüse kurz vor Geschäftsschluss noch zu niedrigeren Preisen an den Kunden losbringen.
Onlinepreise auch im Elektrogeschäft
In anderen Branchen kommen die E-Schilder ebenfalls zum Einsatz, so hat die Westbahn etwa ihre Waggons mit elektronischen Displays zur Anzeige der Sitzplatzreservierung ausgestattet. Auch MediaMarkt testet die Imagotag-Labels, hier geht es vor allem um die Verknüpfung von Internet und Geschäftslokal. Denn gerade der Elektrohandel ist online einem harten Preiskampf ausgesetzt. Händler ändern oft mehrmals pro Tag ihre Preise, um in Preisvergleichsplattformen weiter oben gelistet zu werden. In den Geschäften hingegen bleibt der teurere Preis angeschrieben, was wiederum dazu führt, dass die Kunden vermehrt online kaufen.
Mit den E-Schildern sollen die Preise synchron und trotzdem flexibel gehalten und der Kunde wieder mehr ins Geschäft gelockt werden. Derzeit ist eine Media-Markt-Filiale in der Wiener Lugner City mit den Digitaletiketten ausgestattet, weitere Standorte sollen laut Media–Saturn-Unternehmenssprecherin Sigrid Kuhn folgen. Der Fokus liege klar auf der nahtlosen Verzahnung aller Vertriebskanäle.
Kritik: Verlockung zu Preisexperimenten
Gerade dieses schnelle und leichte Drehen an der Preisschraube könnte jedoch längerfristig das Einkaufserlebnis trüben. Kritiker befürchten etwa ein gezieltes Verteuern von Waren zu bestimmten Zeiten wie etwa Chips und Bier vor einem Fußballgroßereignis oder gefüllten Weckerln und 0,5-Liter-Limonadenflaschen in der Mittagspause. Als Negativbeispiel werden in diesem Bereich etwa Tankstellen angeführt, die ihre Preise kurz vor Ferienbeginn noch einmal anheben. Auch mehr zeitgebundene Aktionen wie ein Frühaufsteherrabatt wären leicht durchführbar.
„Natürlich kann ich die Preispolitik mit den elektronischen Schildern besser und leichter lenken und eventuell auch in rascheren Zyklen Änderungen durchführen“, so Arbeiterkammer-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer gegenüber ORF.at. Generell sei die Digitalisierung des Supermarktes vom Lagerbereich über die Kassa bis zum Preisschild ein spannendes Spielfeld, „weil es naheliegend ist, diese Vernetzung auch marktforscherisch und preispolitisch zu nutzen“. Ob und wie das geschehe, müsse allerdings abgewartet werden. Bisher seien weder in Österreich, noch in anderen europäischen Ländern entsprechende Beschwerden von Kundenseite eingegangen.
Kombination mit App für Allergiecheck
Technisch sind die Möglichkeiten der elektronischen Etiketten noch lange nicht ausgereizt. In die neueste Generation der E-Labels sind Funkchips integriert, die es etwa ermöglichen, über eine App die Liste der Inhaltsstoffe eines Produkts direkt auf das Handy zu übertragen. Hat der Kunde in der App vorher alle seine Allergien angegeben, könnte sofort angezeigt werden, ob das Produkt für einen verträglich ist oder nicht.
Auch könnte zu Hause eine Einkaufsliste in die App getippt werden und das Handy anschließend bei Betreten des Baumarktes, Supermarktes oder Sportgeschäfts auf einem Plan zeigen, wo die Produkte im Geschäft zu finden sind. Freilich ist des Weiteren das Anzeigen von Werbung in der Art von „Kunden, die dies kauften, kauften auch jenes“ oder „Dieser Wein passt zu ihrem Käse“ in der Handy-App möglich. Derzeit beschränkt sich die Nutzung der elektronischen Preisschilder jedoch noch auf die simple Preisauszeichnung.
Beate Macura, ORF.at
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