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„Die größte Kunstveranstaltung“

Pixel neben Pixel, knallige Farben, da und dort ein Wort: Was man hier im Teletext sieht, ist weder eine Sendestörung, noch sind es verkrachte Werbegrafiken: 18 Künstler waren für das Internationale Teletext Art Festival (ITAF) am Werk.

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Man schaut sich auf dem großen HD-Fernseher zu Hause James Camerons „Avatar“ auf Blue-ray an. 280 Millionen Euro haben Produktion und Marketing gekostet. Der Film steht für alles, was an Hollywood kritisiert wird: Technikbombast und inhaltliche Leere nach dem Gut-böse-Schema. Wer dieser Tage auf demselben Fernseher Seite 470 des ORF Teletext abruft, erlebt das Kontrastprogramm: Medienkünstler feiern ein Lowtech-Festival, dessen Bombast sich aus formalem Minimalismus und inhaltlicher Gewitztheit ergibt.

Kunst im Teletext

Dan Farrimon

Dan Farrimond: „TXTPunk - An Alternative History of Teletext“

18 Künstler hatten den Auftrag, 24 Zeilen mit 39 möglichen Zeichen zu befüllen, in sechs Farben plus Weiß und Schwarz. Pixelkunst heißt das oder ASCII-Art, es wird mit einzelnen, gut sichtbaren Bildpunkten und Buchstaben gearbeitet. Seit den 70er Jahren, seit Kulturschaffende Computerbildschirme zur Verfügung haben, ist diese Ästhetik aus dem Kunstbetrieb nicht wegzudenken - 35 Jahre Ars Electronica können nicht irren. Schon davor wurde auf Schreibmaschinen mit dem Prinzip experimentiert, visuelle Poesie kannte man seit den alten Griechen - und dem Prinzip nach sind auch Stickereien Pixelkunst.

Monitor mit Teletext-Kunst

ORF.at/Zita Köver

Raquel Meyers: „Thread of Fate 2“ (hier zu sehen im MuseumsQuartier)

„Zunächst einmal ein guter Lacher“

Ins Leben gerufen hat Festival ITAF 2011 der Finne Juha van Ingen mit seinem Künstlerkollektiv FixC. Am Anfang sei über die Idee, Kunst für den Teletext zu machen, gelacht worden, sagt er im Ö1-Interview: „Wir haben über neue Möglichkeiten nachgedacht, wie wir unsere Werke zeigen könnten, und irgendjemand hat den Teletext genannt. Das war zunächst einmal ein guter Lacher, aber schließlich meinten wir: ‚Warum nicht?‘ Wir haben uns richtiggehend in diese Idee verliebt.“

Monitor mit Teletext-Kunst

ORF.at/Zita Köver

Jarkko Räsänen: „3 Fragezeichen“ (hier zu sehen im MuseumsQuartier)

Pixelbaustein für Geschichten

Jarkko Räsänen, einer der heuer am Festival teilnehmenden Künstler, sah im Gespräch mit Ö1 eine Analogie zur Kulturpraxis des Hackens: „Hacken bedeutet, eine Technologie in einer Art und Weise zu verwenden, wie es ursprünglich nicht gedacht war.“

Als einzige österreichische Digitalkünstlerin nimmt Lia teil, sie sagte gegenüber der ORF-III-Sendung „Kultur Heute“: „Es war faszinierend, wieder einmal so zu arbeiten, wie man vielleicht vor 15 Jahren gearbeitet hat - dass man auf das einzelne Pixel eingeht. Ein Pixel ist der Baustein, mit dem man eigentlich eine Geschichte erzählen kann.“ Ihre Werke basieren auf Algorithmen, mathematische Formeln, anhand derer auf dem Bildschirm wiederkehrende Muster entstehen.

Kunst im Teletext

LIA

Lia: „Untitled - 2“

Der Teletext als Ausstellungsobjekt

Das Festival geht heuer in die dritte Runde. Insgesamt 18 Künstler nehmen teil, Nadine Arbeiter, Kim Asendorf, Michael Borras a.k. Systaime, Paul B. Davis, Dan Farrimond Anne Horel, Brendan Howell, Francis Hunger, Juha van Ingen, Jürg Lehni und Alexander Rich, LIA, Raquel Meyers, Erkka Nissinen, Jarkko Räsänen, Seppo Renvall, Amanda Siegel und Kari Yli-Annala.

Kunst im Teletext

Anne Horel

Anne Horel: „Internet Acronyms - omg“

Ausstellungshinweis

ARD Text, ORF Teletext (Seite 470), Schweizer Teletext und arte Teletext zeigen bis 14. September das Internationale Teletext Art Festival (ITAF). Die Kunstwerke werden nicht nur auf den Seiten der jeweiligen Sender gezeigt, auch im MuseumsQuartier Wien, auf der IFA und im Fernsehzentrum des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin.

Einen der am Wettbewerb beteiligten Künstler zeichnet eine Expertenjury mit dem Teletext Art Prize 2014 aus. Die diesjährigen Kunstwerke werden zusätzlich in einer Pop-up-Galerie bei der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin gezeigt und sind schon jetzt auf fünf Bildschirmen im MuseumsQuartier zu sehen. Zudem ist das Publikum im Rahmen von „ITAF in the House“ aufgefordert, Teletextkunst im privaten Raum und in der Öffentlichkeit zu dokumentieren und an das Festival zu senden, das heißt: die Bilder des Festivals dort zu fotografieren, wo man sie sieht, etwa im Fernseher vor der Couch - oder auch origineller arrangiert.

Kunst im Teletext

Juha van Ingen

Juha van Ingen: „Sugar - 2“

Kunst für das Wohnzimmer

Organisator Van Ingen meint: „Der beste Ort, um Teletextkunst zu sehen, ist das Wohnzimmer. Man kann getrost zu Hause bleiben, ohne das Festival zu verpassen. Um die Wohnung in eine Kunstgalerie zu verwandeln, reicht es, einen Knopf auf der Fernbedienung des Fernsehers zu drücken. Insofern ist das wohl die größte Kunstveranstaltung, die derzeit läuft, weil sie in Millionen von europäischen Haushalten stattfindet.“

Kunst im Teletext

Jarkko-Räsänen

Jarkko Räsänen: „ctrl+alt+cmd+8“

Die letzte Festivalausgabe wurde international über eine Million Mal abgerufen. Alleine die Seiten im ORF Teletext wurden von 90.000 Menschen besucht. Dass Teletext von den Medienkonsumentinnen immer noch sehr viel genützt wird, wunderte selbst Van Ingen. Er erklärt sich das damit, dass Informationen schnell abgerufen werden können, ohne Verzögerung, ohne Werbung und ohne aufwendige Animationen, die den Seitenaufbau behindern. Man weiß, was zu erwarten ist, und das bekommt man schnell, meist noch schneller als im Internet.

Kein Anachronismus

Die einzelnen Kunstwerke sind so unterschiedlich wie der Hintergrund der Künstler: von visuellen Sprachspielen, die an Debatten über das Internet anknüpfen, bis zu Grafiken, die an Graffitis oder Comics erinnern. Hier wird man der mannigfaltigen Überschneidungen der Genres und Medien gewahr: Comics gibt es auch als Street-Art und Tattoos, Pixelkunst ebenfalls, die gegenseitige Befruchtung funktioniert in sämtliche Richtungen, Videokunst trifft auf Netzkunst und umgekehrt. Von einem Anachronismus kann man bei der Teletextkunst deshalb nicht sprechen - sie wird ständig von neuen Einflüssen aufgefrischt.

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