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„Klare Analyse“ fehlt noch

Die EU-Außenminister haben sich am Freitag für einen europäischen Einsatz im Kampf gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) im Irak zugestimmt. „Ganz konkret sind dies Großbritannien und Frankreich“, die möglicherweise Waffen an kurdische Sicherheitskräfte liefern wollen, wie Außenminister Sebastian Kurz nach dem EU-Sonderrat in Brüssel erklärte.

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Das Sondertreffen war auf Ersuchen Frankreichs anberaumt worden, das als erster EU-Mitgliedstaat Waffenlieferungen an die Kurden angekündigt hatte. Großbritannien kündigte daraufhin ebenfalls an, Militärausrüstung zu schicken. Deutschland zögert noch. Man werde im Kampf gegen die Dschihadisten „bis an die Grenze des politisch und rechtlich Machbaren gehen“, sagte der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) nach dem Treffen. Wie genau das Machbare aussehen soll, wolle er erst nach seiner Irak-Reise entscheiden.

Westliche Waffen „nicht schnell nutzbar“

Es gebe aber auch bei vielen anderen EU-Mitgliedstaaten „noch keine klare Analyse“, „welche Ausrüstung genau gebraucht wird“, sagte Steinmeier. Die irakischen Streitkräfte seien „weitgehend versorgt mit Ausrüstung noch aus Zeiten des Ostblocks“. Bei der Lieferung von Munition seien daher besonders die Osteuropäer gefragt. Diese seien vielfach aber noch nicht so weit, während die westeuropäischen Staaten zwar Lieferungen angekündigt haben, doch ihr Material „nicht schnell nutzbar“ sei, da die Iraker damit nicht vertraut sind.

Nötig sei ein „europäisches Gesamtpaket“, so der deutsche Außenminister. Neben der militärischen Hilfe bräuchten die Iraker und Kurden auch Unterstützung bei der Versorgung der Flüchtlinge. Es sei „von einem längeren Aufenthalt dieser Flüchtlinge auszugehen“. Neben Nothilfe bräuchten die Flüchtlinge auch längerfristige Unterkünfte. „Alle europäischen Außenminister haben signalisiert, dass Europa seiner Verantwortung gerecht werden muss in dieser besonderen Situation“, sagte Steinmeier.

Humanitäre Hilfe aus Österreich

„Österreich wird sich stark im humanitären Bereich engagieren“, erklärte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag in Brüssel. In einem ersten Schritt werde Geld aus dem Auslandskatatrophenfonds zur Verfügung gestellt. Das Geld werde über die UNO gemeinsam mit Hilfsorganisationen vor Ort investiert, um Flüchtlinge zu unterstützen. Daneben liefere Österreich medizinische Güter für die Erstversorgung. Darüber hinaus gebe es Bedarf an allem.

Massaker in jesidischem Dorf

Unterdessen geht das Blutvergießen im Irak weiter. IS-Kämpfer sollen in einem jesidischen Dorf im Nordirak ein Massaker angerichtet haben. Die Extremisten hätten in dem Ort Tel Kudscho in der Sindschar-Region mindestens 80 Männer getötet, berichtete die kurdische Nachrichtenagentur Basnews. Andere jesidische Quellen sprachen von etwa 100 Toten.

Die kurdische Nachrichtenseite Rudaw meldete über Twitter, die Opfer seien erschossen worden, weil sie nicht zum Islam übertreten wollten. Frauen und Kinder seien in den Ort Tel Afar verschleppt worden. Demnach lebten in Tel Kudscho rund 180 Familien. Der Zentralrat der Jesiden in Deutschland spricht sogar von Hunderten getöteten Jesiden. Ein geflohener Augenzeuge habe berichtet, IS-Kämpfer hätten sämtliche Gefangene aus der Sindschar-Region nach Tel Kudscho gebracht und getötet, sagte ein Sprecher des Zentralrats der Nachrichtenagentur dpa.

Diesen Angaben zufolge hatten die Extremisten den Ort zunächst neun Tage belagert und dann eingenommen. Anschließend hätten sie den Bewohnern ein Ultimatum gestellt, zum Islam überzutreten, sagte der Zentralratssprecher. Dieses sei mehrfach verlängert worden.

Politisches Einlenken in Bagdad

Derweil endete im Irak nach mehreren Wochen der Machtkampf um die Führung der künftigen Regierung in Bagdad. Der umstrittene Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigte am Donnerstagabend im Fernsehen an, er ziehe sich zugunsten seines Parteikollegen Haidar al-Abadi zurück. Er wolle mit seinem Entschluss die Bildung einer neuen Regierung ermöglichen, sagte Maliki bei der Ansprache an der Seite Abadis. Die Ankündigung zum Amtsverzicht wurde international begrüßt.

Der Schiit Maliki war mit seiner Dawa-Partei bei der Parlamentswahl im April stärkste Kraft geworden, brauchte aber für die Regierungsbildung die Unterstützung anderer Parteien. Insbesondere die Sunniten lehnten jedoch eine Zusammenarbeit mit ihm ab. Sie fühlten sich während Malikis langjähriger Regierungszeit ausgegrenzt. Kritiker werfen ihm vor, durch die Ausgrenzung der sunnitischen Minderheit im Land dem Vormarsch der radikalsunnitischen IS-Dschihadisten den Boden bereitet zu haben.

Tote Zivilisten bei US-Angriff?

Bei US-Luftangriffen im Nordirak sind nach Angaben von Augenzeugen mindestens elf Zivilisten ums Leben gekommen. Die US-Luftwaffe habe in der Region Sindschar Raketen gegen die dschihadistische Gruppe IS abgefeuert, sagten Augenzeugen der Nachrichtenagentur dpa.

Diesen seien jedoch in Häusern von Zivilisten eingeschlagen. Die US-Luftwaffe bombardiert seit mehreren Tagen Stellungen der IS-Extremisten im Nordirak. Die Luftschläge sollen die Flüchtlinge und US-Militärs in der Region schützen.

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