Keine Auslieferung an USA
Der aus den USA geflohene ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden darf drei weitere Jahre in Russland bleiben. Die russischen Behörden erteilten Snowden eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre, teilte sein russischer Anwalt Anatoli Kutscherena Anfang August mit.
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Die russischen Behörden hatten Snowden am 1. August 2013 ein auf ein Jahr befristetes Asyl gewährt. Russland weigert sich bisher, den Informanten an die USA auszuliefern. Dort wird ihm Landesverrat wegen seiner Enthüllungen der Überwachungspraxis des US-Geheimdienstes NSA vorgeworfen.
USA fordern sofortige Rückkehr
Obwohl Snowdens Enthüllungen eine weltweite Debatte über Freiheit und Datenschutz auslöste, war kein Land bereit, ihm Asyl zu gewähren. Anfang Juli beantragte Snowden daher über seinen Anwalt die Verlängerung seines Asyls in Russland. Die Aufenthaltsgenehmigung erlaubt ihm, sich frei im Land zu bewegen und auch ins Ausland zu reisen.
Das Weiße Haus forderte unterdessen erneut Snowdens umgehende Rückkehr in die USA . „Unsere Position hat sich nicht geändert“, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses. „Herr Snowden ist hier in den Vereinigten Staaten eines Verbrechens angeklagt. Er sollte so schnell wie möglich in die USA zurückkehren, wo ihm ein fairer Prozess und Schutz gewährt werden.“
Lawine ins Rollen gebracht
Snowden hatte vor etwas mehr als einem Jahr mit Enthüllungen über das weltweite und millionenfache Sammeln von Telefon- und Internetdaten durch die NSA Empörung ausgelöst. Über Monate hatte der Computertechniker Snowden Dokumente der NSA kopiert und rausgeschmuggelt. Dann setzte er sich nach Hongkong ab. Am Abend des 5. Juni 2013 veröffentlichten „Guardian“ und die „Washington Post“ in ihren Onlineausgaben die erste Enthüllung im NSA-Skandal.
Laut den Berichten besagte ein Beschluss eines US-Geheimgerichts, dass der US-Telekomkonzern Verizon verpflichtet war, Daten über Millionen Anrufe in den USA an NSA und FBI auszuhändigen. Ging es hier „nur“ um Telefonverbindungen, folgten in den Tagen und Wochen danach Schlag auf Schlag weitere Enthüllungen. Über das System „Prism“ soll die NSA etwa Zugriff auf Daten bei den Internetriesen wie Google, Microsoft, Facebook und Apple haben.
Wanzen, Datenkabel, Gesichtserkennung
Gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst GCHQ griff die NSA den Dokumenten zufolge Unmengen an Datenströmen aus Unterseekabeln ab, der US-Geheimdienst klinkte sich in den Datenverkehr zwischen Rechenzentren von Internetkonzernen ein, zog Ortungsdaten, SMS und Adressbücher an sich, verwanzte EU-Einrichtungen und hörte international Spitzenpolitiker ab. Der Skandal zieht bis heute seine Kreise. Erst vor kurzem berichtete die „New York Times“, dass die NSA Gesichtserkennungssoftware verwendet, um aus Tausenden von Bildern im Internet weltweit Zielpersonen zu finden.
Zugriff auf 1,5 Mio. Geheimdokumente
Wie dicht das Netzwerk der weltweiten Überwachung tatsächlich gestrickt ist, zeigten die von Snowden an Journalisten weitergegebenen Dokumente. US-Behörden zufolge soll Snowden auf rund 1,5 Millionen Geheimdokumente Zugriff gehabt haben. Wie viele er tatsächlich kopierte, ist unklar.

Reuters/Eduardo Munoz
Greenwald und Poitras (r.) veröffentlichten als Erste Snowdens Enthüllungen
Nach seiner Flucht nach Hongkong traf Snowden die Journalisten Glen Greenwald, Ewen MacAskill und die Dokumentarfilmerin Laura Poitras in seinem Hotel und gab erste Informationen bekannt. Greenwald, damals noch Kolumnist des „Guardian“, gründete Anfang des Jahres mit Poitras The Intercept, eine eigene Website, die auf Basis der Snowden-Dokumente weitere Enthüllungen präsentieren will.
„Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“
Die internationale Empörung über das enorme Ausmaß der Überwachungstätigkeit war groß. Geändert hat sich wenig, die Aufregung legte sich zusehends. Das Verhalten der meisten Internetnutzer blieb gleich, wenn auch Internetunternehmen immer mehr auf Verschlüsselung setzen - laut Snowden eine Schwachstelle der NSA. Die USA unternahmen jedenfalls nur oberflächliche Reformen an ihren Spionagetätigkeiten. Die NSA soll nun keine Telefonverbindungsdaten in den USA mehr speichern, sondern direkt bei den Telekomkonzernen abfragen.
Auf der internationalen Bühne sorgte der NSA-Skandal für heftige Turbulenzen. Während Großbritannien in Verdacht steht, mit seinem Geheimdienst GCHQ eng mit den USA kooperiert zu haben, sorgte vor allem die Nachricht, dass der US-Geheimdienst auch jahrelang das Handy der deutschen Kanzlerin Angela Merkel abgehört hatte, für Spannungen zwischen den USA und Deutschland. „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, kritisierte Merkel.
„Autoritäre Staaten“ gestärkt
Die USA verloren nichtsdestotrotz an moralischer und politischer Autorität, sind Experten überzeugt. Der NSA-Skandal habe „die Fähigkeit der USA ausgehöhlt, mit ihren natürlichen Verbündeten vor allem in Europa zusammenzuarbeiten“, sagt Ian Wallace, Experte für Cybersicherheit bei der Washingtoner Denkfabrik Brookings.

AP/NBC News
Immer wieder macht Snowden in Interviews auf seine Position aufmerksam
Dadurch würden „autoritäre Staaten“ wie China und Russland gestärkt, die eine größere Kontrolle des Internets durch nationale Regierungen anstreben. Die Kritik aus Washington an Internetzensur und Cyberspionage in China erscheine nun in anderem Licht, ergänzt der Asienexperte James A. Lewis vom US-Politikinstitut Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Verfahren wegen Spionage in USA
In den USA läuft ein Verfahren wegen Spionage und Geheimnisverrats gegen ihn. US-Außenminister John Kerry bezeichnete Snowden als „Feigling“ und „Verräter“. Die NSA wies auch zurück, interne Kritik von Snowden erhalten zu haben. Snowden selbst sieht sich als Whistleblower, der Rechtsverletzungen aufdeckte. Sein Entschluss, gegen die Überwachung vorzugehen, sei langsam gereift. Er sei selbst ein typischer Spion gewesen, der als „technischer Experte“ für die US-Geheimdienste CIA und NSA gearbeitet habe. Seine Aufgabe sei gewesen, „für die Vereinigten Staaten Systeme zum Laufen zu bringen“. Dann habe sein Glaube in die Geheimdienstmission Risse bekommen.
Nicht zuletzt auch die USA stecken in einem Dilemma. Juristisch gebe es keine Zweifel, dass Snowden lang hinter Gitter gesteckt werden könne, argumentiert Ben Wizner von der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) gegenüber dem „Zeit-Magazin“. Doch für die meisten Menschen unter 30 sei er ein Held. Die US-Regierung sei sich „darüber im Klaren, dass ein Prozess gegen Snowden ein globales PR-Desaster ersten Ranges wäre“.
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