„Gerichtsverhandlung“ als Auslöser
Auch die Staatsanwaltschaft in Krems muss einräumen, dass der Fall „ganz was Neues“ ist: Seit Montag muss sich die Behörde mit „One People’s Public Trust“ (OPPT) beschäftigen. Die obskure Gruppe leugnet die Existenz des Staates und nimmt sich das Recht zu Selbstjustiz heraus - mit eigenen „Sheriffs“, die nach Pseudogerichtsverhandlungen mit eigenen Haftbefehlen Leute festnehmen wollen.
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Im konkreten Fall ging es um eine Anwältin, die zur Sachwalterin einer OPPT-Anführerin im niederösterreichischen Waldviertel bestellt worden war. Mindestens zwei versuchte „Festnahmen“ der inzwischen unter Polizeischutz stehenden Anwältin durch OPPT-Mitglieder sind dokumentiert - genug, um einen der Anführer im Zusammenhang mit dem Tatbestand der gefährlichen Drohung in U-Haft zu nehmen. Bisher ist aber noch nicht einmal klar, wer da tatsächlich in Haft ist.
„Sheriffs“ verfolgten Anwältin
Wie Staatsanwaltschaftssprecher Franz Hütter gegenüber ORF.at bestätigte, war die Identität des Verhafteten am Donnerstag noch immer nicht geklärt. Er bezeichnet sich demnach selbst als „Souverän (Terrence) O’Connor“, was sich in Ermangelung jeglicher Ausweise oder weiterer Kooperation des Mannes englischer Muttersprache aber nicht beweisen lasse. Auch die Identitäten von rund 40 weiteren OPPT-Mitgliedern müssen noch geklärt werden. Sie wurden am Montag bei ihrer „Gerichtsverhandlung“ von der Polizei gestoppt.

ORF
Der Schauplatz der „Gerichtsverhandlung“ im niederösterreichischen Waldviertel
Die „Gerichtsverhandlung“ gegen die Sachwalterin des verschuldeten und nun in psychiatrische Behandlung eingewiesenen OPPT-Mitglieds war für die Behörden offenbar der Punkt, an dem das Maß des Erträglichen überschritten war: Davor waren OPPT-„Sheriffs“ daheim bei der Anwältin aufgetaucht, um sie „vorzuladen“. Ein von ihnen selbst aufgenommenes Video zeigt zudem, wie sie auf der örtlichen Polizeistation selbst verfasste Haftbefehle gegen die Frau vorlegten und das mit selbst gebastelten Ausweisen „aus Brüssel“ untermauerten.
Gruppe „fahndet“ nach Landeshauptmann
Aktiv ist die Gruppe offenbar seit rund zwei Jahren. Schon Mitte Juli wurde dabei etwa ein „Haftbefehl“ gegen Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) erlassen. OPPT wird in Expertenkreisen unter die Gruppe pseudogesetzlicher Sektierer gereiht, die sich damit den Anstrich von legitimiertem Handeln geben wollen. Der „Haftbefehl“ gegen Pröll etwa stammt von einem inexistenten „International Common Law Court of Justice“, unterzeichnet von einem selbst ernannten „Court Officer“.
Es geht aber nicht um Verwirrte, die Räuber und Gendarm spielen wollen: Im Internet sind die Aktivitäten des international operierenden OPPT dokumentiert, die allesamt Geldflüsse in Richtung der Führungsschicht generieren sollen. Immer wieder werden dabei die Namen Caleb Paul Skinner, Heather Ann Tucci-Jarraf und Hollis Randall Hillner angeführt. Unklar bleibt nicht nur, ob es sich dabei um real existierende Personen handelt, sondern auch, ob sich hinter den Namen überhaupt drei verschiedene Persönlichkeiten verbergen.
„Drohungen vorhanden“
Mit ihrer Mischung aus New-Age-Versatzstücken („Abgeglichen mit ewiger Essenz ...“), Anlehnungen an die - jegliche staatliche Hoheit bestreitende - US-Freeman-Bewegung und pseudolegistischem Anstrich konnte die Gruppe offenbar auch hierzulande viele Sympathisanten einsammeln. Zuletzt war die Rede von mindestens 200 Mitgliedern, allein bei der „Gerichtsverhandlung“ am Montag erschienen laut Staatsanwaltschaft 30 bis 40 Teilnehmer und weitere 70 Unterstützer auf dem Grundstück im niederösterreichischen Hollenbach.
Überwiegend handelte es sich bei den OPPT-Sympathisanten laut der Staatsanwaltschaft um Deutsche und Österreicher. Zumindest einer von ihnen war mit einem gut sichtbar getragenen Messer bewaffnet. Wie gefährlich die Gruppe sei, sei „schwer einzuschätzen“. Nach dem behördlichen Einschreiten seien jedoch „Drohungen vorhanden“, so Hütter. Franz Winter von der Bundesstelle für Sektenfragen zeigte sich gegenüber dem ORF überzeugt, dass es der Gruppe gerade darum gehe, „Aufmerksamkeit zu erregen, in der Öffentlichkeit präsent zu sein“.
Firmen existieren nicht mehr - eigene ausgenommen
Die Aktion in Österreich sieht Winter als „für den deutschsprachigen Raum, wenn nicht überhaupt für den europäischen Raum die massivste Präsentation. In deren Augen ist das ja ein Erfolg“, mit dem man bekannt werden wolle. Befürchten müssen die OPPT-Vertreter mit derlei Aktionen nicht allzu viel. Wegen Amtsanmaßung kann man etwa nur belangt werden, wenn man österreichische Behördenbefugnisse vortäuscht. Als „Souverän“, „Sheriff“ oder dergleichen mehr haben die OPPT-Vertreter in dieser Hinsicht jedoch nichts zu fürchten.
„Rechtlich gesehen“ gebe es „keine Unternehmen, keine Banken und keine Regierungen mehr auf der Erde“, heißt es auch in nun verbreiteten Pamphleten von OPPT. Gerade führende österreichische Fürsprecher und Vertreter der Gruppe üben nebenbei jedoch durchaus lukrative Berufe aus, bei denen sie gern auf öffentliche Ressourcen und rechtliche Strukturen zurückgreifen - mit dann wohl nicht ganz „rechtlosen“ Einträgen als juristische Personen im Firmenbuch.
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