Alltag trotz angespannter Lage
Verkehrshölle, Krisenmoloch und Terrorzentrale vs. Boomstadt, Kulturzentrum und Partymetropole - kaum eine Großstadt vereint so viele Gesichter wie Beirut. Bewiesen hat die libanesische Hauptstadt dabei immer wieder Durchhaltevermögen und demonstrative Gelassenheit. Das ist angesichts der neuerlich explosiven Lage im Land nun wohl erneut gefragt.
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ORF.at/Peter Prantner
Allein die seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges im benachbarten Syrien in den Libanon gekommenen Flüchtlinge bringen das Land mit vier Millionen Einwohnern zunehmend in existenzielle Nöte. Die großen Flüchtlingszentren finden sich zwar in der Bekaa-Ebene und im Nordlibanon - aber auch Beirut war von Beginn an Ziel vieler Syrien-Flüchtlinge.

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In direkter Folge vervierfachten sich die Mieten in der Stadt, und immer knapper werdender Wohnraum wird auch für die einheimische Bevölkerung verstärkt zu einem kaum finanzierbaren Luxusgut.

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Dabei stöhnt das Land ohnehin unter einer eskalierenden Wirtschaftskrise. Der öffentlichen Hand fehlt zunehmend das Geld für Investitionen, die zu Diskontpreisen arbeitenden syrischen Flüchtlinge machen Jobs zur Mangelware, und darunter leidet nicht nur die Kaufkraft, sondern zunehmend auch der soziale Friede.

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Ungeachtet stürmischer Vorzeichen wie dieser erweist sich die Lage in Beirut dennoch als erstaunlich ruhig. Selbst die Hisbollah und damit einer der zentralen Machtfaktoren im Land setzt auf betonte Zurückhaltung.

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Doch nicht nur die jüngste, Dschihadistengruppierungen wie der Al-Nusra-Front und Islamischer Staat (IS) zugeschriebene Anschlagsserie gab zuletzt Anlass zur Sorge. Auch der Machtkampf der in pro- und antisyrische Lager gespaltenen politischen Elite bedroht zunehmend den fragilen Frieden zwischen den insgesamt 19 anerkannten Religionsgruppen.

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Eskalationspotenzial birgt aber auch die offene Unterstützungserklärung der Hisbollah für die im Gazastreifen gegen Israel kämpfende Hamas. Die sichtbaren Spuren des Bürgerkrieges (1975 bis 1990) und der israelischen Offensive (2006) sind aus Beirut zwar weitgehend verschwunden - die Geister dieser blutigen Vergangenheit aber noch immer präsent.

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Doch Beirut hat sich an Krisen offenbar gewöhnt. Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen vor öffentlichen Gebäuden und vom Militär kurzfristig abgesperrte Straßen verweisen zwar durchaus auf eine angespannte Lage. Gleichzeitig prägt aber hektische Betriebsamkeit das Bild auf den Straßen der auch für seine chaotischen Verkehrsverhältnisse bekannten Stadt.

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Auf chronisch überfüllten Straßen zwängt sich der Verkehr durch die strikt nach Religionsgruppen getrennten und einem Flickenteppich gleichenden Viertel der Stadt, und Beirut präsentiert sich dabei nicht zuletzt auch als nach wie vor pulsierende Handelsmetropole.

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Beirut war und ist noch immer ein wichtiges Finanzzentrum in Nahost, und urteilt man nach der derzeit in den Himmel schießenden neuen Skyline, dürfte sich daran auch so schnell nichts ändern.

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Kritiker sprechen von einem planlosen Wildwuchs, ihnen zufolge wurde in 15 Jahren Krieg weniger Kulturgut zerstört als durch die im Anschluss verfolgte Baupolitik.

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Es steht außer Frage: Beiruts Bild befindet sich in einem permanenten Wandel, und dieser macht auch vor geschichtsträchtigen Orten wie dem Platz der Märtyrer nicht halt.

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Zahlreiche historische Bauwerke fielen dem Wiederaufbau nach Ende des Bürgerkriegs zum Opfer - darunter auch etliche Schätze aus Beiruts antiker Vergangenheit. Einige Relikte wurden dennoch erhalten und wohl nicht zuletzt als Angelpunkt für kulturinteressierte Touristen in Form eines archäologischen Pfades in die rekonstruierte Innenstadt mit einbezogen.

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Touristenmassen sucht man im herausgeputzten und abgeriegelten Stadtzentrum derzeit dennoch vergeblich. Vielmehr findet sich hier doch noch ein Indikator einer laufenden Krise.

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Ausbleibende Touristen machen Downtown zwar zur Geisterstadt - in den umliegenden In-Vierteln gilt unbeindruckt davon aber weiterhin das Motto sehen und gesehen werden und Beiruts junges Szenepublikum tummelt sich neben den wenigen in der Stadt befindlichen Touristen in den zahlreichen Boutiquen und schicken Cafes.

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Die Nacht wird in Beirut schließlich traditionell zum Tag gemacht, und um diesen Ruf muss die libanesische Hauptstadt wohl weiter nicht fürchten: Selbst der „Julikrieg“ samt israelischen Luftangriffen auf Beirut konnte 2006 die als legendär geltende Partylaune der Stadt kaum verderben - weitergetanzt wurde vielmehr im damals als sicher eingestuften gebirgigen Hinterland.
Peter Prantner, ORF.at
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