Netanjahu kündigt längere Offensive an
Der Gazastreifen hat in der Nacht auf Dienstag die schwersten Angriffe seit Beginn der israelischen Offensive vor drei Wochen erlebt. Mindestens 30 Palästinenser starben nach Berichten von Augenzeugen. Bei dem Beschuss wurde auch das einzige Kraftwerk in dem Küstenstreifen getroffen. Die Anlage steht in Flammen und ist seither außer Betrieb.
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Die Feuerwehr bemühe sich um eine Eindämmung des Brandes, berichteten örtliche Medien. Ein Repräsentant des Kraftwerks sagte der Nachrichtenagentur Maan, eine israelische Granate habe einen Treibstofftank getroffen und damit den Großbrand ausgelöst. Eine andere Granate habe eine Turbine getroffen. Bisher sei es den Feuerwehrleuten nicht gelungen, den Brand zu löschen. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv teilte mit, man prüfe den Bericht.
Strom für 1,8 Mio. Einwohner
Das Kraftwerk erzeugt Strom für Haushalte, Betriebe, Krankenhäuser und Abwasserpumpen im Gazastreifen. Die 1,8 Millionen Einwohner des Küstenstreifens am Mittelmeer haben schon seit Jahren mit Stromsperren zu kämpfen. Seit Beginn der israelischen Offensive vor drei Wochen wurden die täglichen Stromabschaltungen noch länger.

APA/EPA/Oliver Weiken
Das Kraftwerk steht nach wie vor in Flammen
Schon in der Vergangenheit musste das Kraftwerk wegen Treibstoffmangels immer wieder auch ganz abgestellt werden. Seit Ägypten den Schmuggel von Treibstoff in den Gazastreifen unterbunden hat, ist das Gebiet ganz von teureren Lieferungen aus Israel abhängig. Sie werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland finanziert.
Hamas stimmt Waffenruhe zu
Die militanten Palästinenser im Gazastreifen stimmten unterdessen einer 24-stündigen Waffenruhe zu. Das sagte der Funktionär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jasser Abed Rabbo, nach Gesprächen mit Vertretern der Hamas und mit ihr verbündeter Milizen. Die PLO untersteht dem gemäßigten palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, der im Konflikt zwischen Israel und den militanten Palästinensern vermittelt. Zunächst war unklar, wie Israel auf die jüngste Waffenruheinitiative reagieren würde. Das israelische Sicherheitskabinett wollte am Abend über die Offensive beraten, wie die Tageszeitung „Haaretz“ (Onlineausgabe) berichtete.
Haus von Hamas-Führer getroffen
Nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine Landsleute auf einen längeren Krieg eingestellt hatte, verstärkte die Armee in der Nacht auf Dienstag erneut ihre Angriffe. Vom Land, aus der Luft und vom Meer aus beschossen die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben 70 Ziele in dem Küstenstreifen, darunter auch das Haus des Hamas-Anführers Ismail Hanija. Die Zahl der palästinensischen Opfer seit Beginn der Offensive stieg damit auf über 1.100. Auf israelischer Seite kamen bisher 53 Soldaten ums Leben sowie drei Zivilisten.

AP/Khalil Hamra
Das zerstörte Haus von Hamas-Führer Ismail Hanija
Hamas-Anführer Hanija - der frühere Ministerpräsident des Küstengebietes - erklärte auf seiner Website zum Beschuss seines Hauses: „Die Zerstörung von Steinen wird unseren Willen nicht brechen, und wir werden unseren Widerstand fortsetzen, bis wir unsere Freiheit erringen.“
Alarmsirenen in Tel Aviv
Die Hamas schoss wieder Raketen auf Israel ab. In der israelischen Mittelmeer-Metropole Tel Aviv heulten zum ersten Mal mitten in der Nacht die Alarmsirenen und rissen die Einwohner aus dem Schlaf. Zwei Raketen seien nahe Rischon LeZion südöstlich von Tel Aviv eingeschlagen, teilte die Armee mit.
Die israelische Armee forderte vor der nächtlichen Angriffswelle Tausende Bewohner der Gebiete rund um Gaza-Stadt auf, ihre Häuser zu verlassen. Nach Einbruch der Dunkelheit setzten die Angriffe ein. Der Himmel war von Leuchtkörpern erhellt, Schüsse waren zu hören. Nach Darstellung der Hamas wurden auch die Gebäude ihres Fernsehsenders Al-Aksa TV und des Hörfunksenders Al-Aksa Radio bombardiert. Das Fernsehen sendete aber weiter, der Hörfunk blieb indes stumm.
Netanjahu hatte am Montag seine Landsleute auf einen längeren Krieg eingestellt, der erst dann enden werde, wenn das Tunnelsystem der Hamas zerstört und der Gazastreifen entmilitarisiert sei. „Wir werden diese Operation nicht vorher beenden, bis die Tunnel ausgeschaltet sind, deren einziger Zweck es ist, unsere Bürger und unsere Kinder zu töten“, sagte der Premier in einer Fernsehansprache. Zuvor waren trotz einer Feuerpause erneut Hamas-Kämpfer durch einen Tunnel nach Israel vorgedrungen und hatten einen Wachposten für den grenznahen Kibbuz Nahal Os mit einer Rakete beschossen. Dabei wurden fünf Soldaten getötet.
Chamenei wirft Israel Völkermord vor
Die islamistische Führung in Teheran verschärfte ihre Tiraden gegen Israel. Bei einer im Fernsehen übertragenen Rede anlässlich des islamischen Fests zum Fastenbrechen sagte Ajatollah Ali Chamenei, das geistliche Oberhaupt des Iran, am Dienstag, was die israelische Führung im Gazastreifen tue, sei „ein Völkermord und eine historische Katastrophe“. Er rief die islamische Welt dazu auf, die Palästinenser zu „bewaffnen“, damit sie Israel bekämpfen könnten. Erst vor wenigen Tagen hatte sich die iranische Führung zur militärischen Aufrüstung der radikalislamischen Hamas bekannt, die den Gazastreifen beherrscht.
Antisemitische Schmierereien in Rom
Die italienische Polizei und der Staatsschutz ermitteln unterdessen gegen Personen, die Drohungen, antisemitische Parolen und Hakenkreuze an Dutzende jüdische Geschäfte in Rom gesprüht haben. Wie die römische Zeitung „La Repubblica“ am Dienstag berichtete, suchten die Beamten im Umfeld der extremen Rechten wie der extremen Linken nach den Tätern. Einige Schmierereien zeigten, dass die am Montag bemerkten Sprayaktionen klar vor dem Hintergrund der israelischen Offensive im Gazastreifen stünden. Bürgermeister Ignazio Marino verurteilte die Hassparolen. Den Präsidenten der jüdischen Gemeinde, Riccardo Pacifici, erinnerten sie an Nazi-Aktionen gegen jüdische Geschäfte 1933 in Deutschland.
In der deutschen Stadt Wuppertal haben in der Nacht auf Dienstag drei Männer mehrere Molotowcocktails auf eine Synagoge geschleudert. Sie hätten die Brandsätze auf den Eingang des Gebäudes geworfen und seien dann geflüchtet, teilte die Polizei mit. Ein Tatverdächtiger sei mittlerweile festgenommen worden, die beiden anderen konnten entkommen. Auch die Alte Synagoge in Essen - heute ein städtisches Kulturinstitut - war nach Polizeiangaben schon Ziel geplanter Aktionen. Vor einer Demonstration gegen die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen vor rund zwei Wochen waren in Essen 14 Menschen vorläufig festgenommen worden.
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