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„Derzeit größte humanitäre Katastrophe“

Lob für die vom Libanon offen gehaltenen Grenzen, scharfe Kritik an Europas und damit auch Österreichs Abschottungspolitik und der Aufruf zu mehr Solidarität: Mit deutlichen Worten hat Caritas-Präsident Michael Landau im Rahmen eines Libanon-Besuchs zu der „derzeit größten humanitären Katastrophe“ Stellung genommen.

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Mit weit über einer Million offiziell registrierter Flüchtlinge habe man es im Libanon mittlerweile jedenfalls nicht nur mit einer großen Herausforderung, sondern vielmehr mit einer „sehr extremen“ Situation zu tun, die auch die an Ort und Stelle tätigen Hilfsorganisationen an ihre Belastungsgrenze bringt. Allein aus diesem Grund dürfe man jetzt nicht die Hände in den Schoß legen - als erklärtes Ziel nannte Landau vielmehr eine noch in diesem Jahr zu erreichende Verdoppelung des Libanon-Engagements der Caritas.

„Brücken statt Zäune“

Zwar sei es seit Ausbruch des Bürgerkrieges bereits gelungen, rund 70.000 syrischen Flüchtlingsfamilien zu helfen. Im Libanon - und damit einem flächenmäßig kleinerem Land als Tirol - fehlt es dennoch nach wie vor „an allem“. Gefordert sieht Landau auch die österreichische Regierung, die ihr Versprechen, den Katastrophenfonds auf 20 Millionen Euro zu erhöhen, nun auch, und zwar so schnell wie möglich, in die Tat umsetzen müsse.

Caritas-Mitarbeiter

ORF.at/Peter Prantner

Landau und Caritas-Nahost-Koordinator Stefan Maier beim Besuch eines Flüchtlingslagers im Libanongebirge

Scharf kritisiert wurde von Landau in diesem Zusammenhang die Abschottungspolitik Österreichs und der EU: Statt in Zäune und Wälle zu investieren, müssten vielmehr Brücken gebaut werden, so Landau, der gleichzeitig eine Umsetzung einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik einforderte. Angeprangert wurde zudem, dass von den Hilfsorganisationen der Ausfall der internationalen Gemeinschaft nie und nimmer kompensiert werden könne.

„Permanente Katastrophenherausforderung“

Mit Blick auf die Herausforderung im Libanon sprach der Generalsekretär der Caritas-Auslandshilfe, Christoph Schweifer, jedenfalls von einer „permanenten Katastrophenherausforderung“. Außer Frage stehe dabei, dass man viel, aber nicht alles tun könne. Auch sei das bisher Erreichte „eigentlich zu wenig“. Trotz aller Schwierigkeiten habe man aber bereits viel erreicht.

Flüchtlinge

ORF.at/Peter Prantner

Sozialarbeiter der Caritas bei einer Verteilaktion in der Bekaa-Ebene

Caritas-Nahost-Koordinator Maier verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es etwa Aufgabe der Caritas sei, neu angekommene Flüchtlinge, die vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) noch nicht als solche offiziell registriert wurden, mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen. Im Rahmen dieser Nothilfe werden etwa Decken, Matratzen, Küchen- und Hygieneartikel verteilt.

Dazu kommen Lebensmittelprojekte, ein in Kooperation mit UNICEF durchgeführtes Schulungsprogramm, Rechtsbeihilfe und weitere Projekte wie die Betreuung der von einem Flüchtlingscamp aus Syrien in den Libanon geflohenen Palästinenser. Weiter festgehalten wird auch am „Tagesgeschäft“, darunter ein Frauenhaus, das sich unter anderem um die steigende Zahl an Migrantinnen kümmert, die als Hausmädchen ins Land gelockt und von ihren Arbeitgebern misshandelt wurden.

Lob für offene Grenzen

Im Fokus steht dennoch die Flüchtlingskrise, und hier ist man laut Maier auch um enge Kooperation mit UNHCR und sonstigen Hilfsorganisationen bemüht. Die Erwartungshaltung an die sich selbst blockierende libanesische Regierung hält sich für den bereits seit 24 Jahren im Libanon tätigen Maier gleichzeitig in Grenzen.

Flüchtlinge

ORF.at/Peter Prantner

Offiziell gibt es im Libanon kein einziges syrisches Flüchtlingscamp

Demnach wird es wohl auch weiterhin keine offiziellen Camps geben - aber auch eine Eskalation, etwa durch die schiitische Hisbollah in der zunehmend von sunnitischen Flüchtlingen bevölkerten Bekaa-Ebene, sei angesichts der explosiven Lage zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, angesichts der drohenden Folgen dennoch nicht zu erwarten.

Offen ließ Maier, ob durch offizielle Flüchtlingslager tatsächlich eine Verbesserung der Lage zu erwarten sei. Seiner Ansicht nach habe die Regierung ohnehin die Kontrolle über die Vorgänge verloren und dabei - laut Landau ein Zeugnis „großer regionaler Solidarität“ - dennoch die Grenzen auch für syrische Flüchtlinge weiter offen gehalten.

Peter Prantner, ORF.at

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