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Machtkampf eskaliert

Der 76-jährige Islam Karimow regiert mit harter Hand seit mehr als 20 Jahren Usbekistan. Vor einigen Monaten bereits ist eine Schlacht um seine Nachfolge, um Macht und Geld ausgebrochen. Viele Informationen gibt es aus dem abgeschotteten Land nicht. Doch nun hat sein in London studierender Enkel das Schweigen gebrochen. Islam Karimow Jun. berichtete, dass seine Mutter Gulnara Karimowa, einst Liebkind des Präsidenten, seit Monaten unter Hausarrest steht.

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Seit Februar sei sie mit seiner Schwester eingesperrt, sagte der 21-Jährige dem britischen „Guardian“. Bis März habe er noch mit ihr telefonieren können, dann sei sie aber nicht mehr erreichbar gewesen. Zuletzt gesehen habe er sie zu Jahresbeginn in der Hauptstadt Taschkent. Schon damals habe es Streit mit seinem Großvater gegeben.

Ruf des Landes beschädigt?

Seiner Mutter und ihm sei zweimal ein Treffen mit dem Präsidenten verwehrt worden. Dann habe es schließlich ein Gespräch gegeben, bei dem der Machthaber seiner Tochter vorgeworfen habe, den Ruf des Landes zu ruinieren: Gulnara Karimowa war in mehrere Geschäftsskandale verwickelt, gleichzeitig hatte sie per Twitter gegen ihre Schwester Lola und deren Ehemann Timur Tillajew gewettert. Das Treffen habe eigentlich versöhnlich geendet, so der 21-Jährige, der daraufhin nach London zurückkehrte.

Brief ins Ausland geschmuggelt

Laut „Newsweek“ wurde Karimowa am 17. Februar gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Freund von Sicherheitskräften festgesetzt. Im März sorgte dann ein Schreiben seiner Mutter für Schlagzeilen: Über einen Kurier hatte die 41-Jährige einen handgeschriebenen Brief an die britische BBC aus der Ex-Sowjetrepublik bringen lassen. Darin beschwert sich Karimowa, sie werde in ihrem Heimatland geschlagen. „Ich stehe unter massivem psychischen Druck“, heißt es in dem Brief laut BBC. „Man kann die Zahl der Blutergüsse auf meinen Armen zählen.“ Wenig später tauchte ein Foto von ihr auf, das sie in merkwürdiger Pose aus einem Kakaopackerl trinkend zeigt.

Professorin, Politikerin, Sängerin

Vor eineinhalb Jahren war Gulnara noch das Liebkind ihres Vaters - sie galt als charmantes Gesicht des autoritär geführten Landes und sogar als mögliche Nachfolgerin im Präsidentenamt. Im internationalen Jetset verkehrte sie als Modeschmuckdesignerin in höchsten Kreisen, ehe sie weiter in Richtung Politik und Wirtschaft zog. Sie arbeitete als Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Taschkent, war zunächst zweimal Beraterin im usbekischen Außenministerium, ehe sie 2008 selbst stellvertretende Außenministerin wurde.

Gulnara Karimowa, 2011

AP/Mikhail Metzel

Ein Bild aus besseren Zeiten, Karimowa 2011 bei einer Modenschau in Moskau

Im selben Jahr wurde sie zudem Vertreterin Usbekistans bei den Vereinten Nationen (UNO) und zahlreichen anderen internationalen Organisationen in Genf. Damit nicht genug, übernahm sie auch gleich noch 2010 den Botschafterposten in Spanien. Mit ihrem „Fund Forum“ für „Kunst und Kultur“, der größten Organisation des ganzen Landes, bestimmte sie zudem die Kulturpolitik ihrer Heimat, Anfang 2013 nahm sie unter ihrem Künstlernamen Googoosha ein Duett mit Gerard Depardieu auf.

Mysteriöse Geschäfte

Noch umtriebiger schienen ihre wirtschaftlichen Machenschaften zu sein: Laut den Enthüllungen von WikiLeaks habe sie es geschafft, von „wirklich jedem lukrativen Geschäft“ im Land ein Stückchen mitzuschneiden. So war ihr Name auch in undurchsichtigen Geschäften um Mobilfunklizenzen des schwedisch-finnischen TeliaSonera-Konzerns in Usbekistan aufgetaucht.

Noch mysteriöser ist die Auflösung des Konzern Zeromax 2010. Das Unternehmen war der größte Arbeitgeber in Usbekistan und kontrollierte wesentliche Wirtschaftsbereiche von Lebensmitteln über die Baumwoll- bis hin zur Ölindustrie. Beobachter rätselten lange, wer dahintersteckte. Was dahintersteckte, war - trotz aller Dementi - klar: Es war ein politischer Schachzug. Karimowa, die jegliche Beteiligung an Zeromax bestritt, wohnte lange in der Schweiz, ganz in der Nähe der Konzernadresse.

Bruch mit dem Vater

So hieß es, der Konzern würde zu viel Aufmerksamkeit erregen und sei deswegen zerschlagen worden. Andere Beobachter sagten, die Familie Kamirow habe ihr Geld aus dem Konzern genommen, um sich für eine ungewisse politische Zukunft zu rüsten. In der Schweiz gab es Ermittlungen und Kontensperren, laut „Neue Zürcher Zeitung“ mit tatkräftiger Hilfe der usbekischen Sicherheitsbehörden.

Im Oktober 2013 wurden drei von ihr kontrollierte Fernsehsender geschlossen - wegen mehrerer Verstöße gegen das Urheberrecht und andere Regeln, wie es offiziell hieß. Der Bruch mit dem Vater wurde hier erstmals deutlich sichtbar.

Schwere Anschuldigungen

Der Familienstreit eskalierte: Karimowa meinte in Interviews, sie habe mit ihrer Schwester Lola seit zwölf Jahren nicht mehr geredet. Zudem beschuldigte sie deren Ehemann, krumme Geschäfte zu führen, er würde seine Frau zudem mit Kokain versorgen. Und sie meinte, man habe 2011 versucht, sie mit Quecksilber zu vergiften.

Zudem beschuldigte sie den Chef der Nationalen Sicherheitsbehörden, Rustam Inojatow, dem ebenfalls Machtgelüste und Präsidentschaftsambitionen nachgesagt werden, der systematischen Menschenrechtsverletzungen. Dass es diese gibt, bezweifeln internationale Beobachter nicht. Es verwundert allerdings, dass sie von einer Person kommen, die das System jahrelang repräsentiert hat.

Schwester und Schwager in Stellung

Es geht vor allem um die Nachfolge von Präsident Karimow, sind sich Experten einig. Und der sei schließlich bereits 75, kein Wunder, dass sich der Machtkampf zuspitzt. Heuer wird im Dezember das ohnehin machtlose Parlament neu gewählt, die eigentlich ebenfalls heuer anstehenden Präsidentenwahlen wurden auf nächsten April verschoben. Und dort wird wohl die Entscheidung über die Zukunft des Landes getroffen.

Tatsächlich dürften ihre Schwester und deren Mann die besten Karten haben - auch wenn sie politische Ambitionen immer bestritten haben. Lola Karimow-Tillajew, früher eher zurückgezogen, scheint ganz die Rolle ihrer Schwester übernommen zu haben: Sie ist UNESCO-Botschafterin ihres Landes, reihenweise öffentliche Auftritte werden auf ihrer Website aufgelistet, während die der älteren Schwester und ihres „Fund Forums“ vom Netz genommen wurden. Mit ihrem Mann residiert sie in einer Villa in Genf, angeblich kauften sie im Vorjahr eine Villa in Beverly Hills - um 58 Millionen Dollar. Das Ehepaar betreibt - offiziell - ein Transportunternehmen.

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