Verschrobene Fischer im Selbsthilfemodus
Idyllische Landschaften und ein marode-charmantes Fischerdorf auf einer neufundländischen Insel - doch das romantische Bild trügt: In der kanadischen Komödie „Die große Versuchung“ ist das wahre Leben im fiktiven Dörfchen Tickle Head nämlich alles andere als leicht. Nach dem Motto „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“ muss die schrullige Inselbevölkerung kreativ werden, um dem wirtschaftlichen Untergang zu entgehen.
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Weil die Fischerei nichts mehr abwirft, sind fast alle der rund 100 Einwohner des Küstenstädtchens auf einer Insel vor Neufundland arbeitslos. Einer nach dem anderen muss aufgeben und macht sich auf in die Stadt, um dort irgendeinen Job anzunehmen. Auch die Frau von Murray French (Brendan Gleeson) hält ein auf die Sozialhilfe angewiesenes Leben nicht mehr aus und verlässt ihren Mann in Richtung Festland. Davon aufgerüttelt beginnt Murray, das Schicksal des Ortes selbst in die Hand zu nehmen und für wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen.

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Murray French (Brendan Gleeson) setzt alle Hebel in Bewegung, um den jungen Schönheitschirurgen Paul Lewis (Taylor Kitsch) auf der Insel zu halten
Das Angebot einer Ölfirma kommt da gerade recht - unter der Bedingung, dass sich ein Arzt auf der Insel niederlässt, sei man bereit, eine Aufbereitungsanlage für petrochemische Nebenprodukte in Tickle Head anzusiedeln. Einen Mediziner, den sie für geeignet halten, finden die Einwohner des Hafenortes schnell. Doch um dem Schönheitschirurgen Paul Lewis (Taylor Kitsch) die Provinz schmackhaft zu machen, müssen sie sich schon ordentlich ins Zeug legen.
„Lügen ist jetzt gerade alles, was wir haben“
Mit reinem Vorzüge-Hervorheben ist es dabei nicht getan, und so verstricken sich die Dorfbewohner in einem Netz aus Lügen. Sie zapfen sein Telefon an und spielen ihm vor, im Paradies seiner Träume gelandet zu sein. „Er muss glauben, dass Tickle Head der beste und schönste Ort der Welt ist“, sagt Murray - und dafür ist ihm jedes Mittel recht: „Lügen ist jetzt gerade alles, was wir haben.“
Hinweis:
„Die große Versuchung“ ist ab Freitag im Kino zu sehen.
So weiß Paul gar nicht, wie ihm geschieht, als sich die alten bärtigen Bierbauchträger als große Fans seines Hobbys Kricket outen, als es im Pub neben Thunfischsandwich auch seine indische Lieblingsspeise gibt und ihm auch sonst wie durch Zauberhand alle Wünsche von den Augen abgelesen werden.
Remake einer preisgekrönten Komödie
„Die große Versuchung“ ist ein Remake der 2003 erschienenen Komödie, in der der große Schwindel noch in Kanada angesiedelt war. Schon die Vorlage war, für einen kleinen kanadischen Film, recht erfolgreich und gewann mehrere Preise, unter anderem als Bester Film beim renommierten Sundance Filmfestival. Doch Produzent Roger Frappier wollte sich damit nicht zufriedengeben. „Er hatte nicht den Erfolg, den er hätte haben können“, begründete der Produzent die Neuauflage gegenüber der „Canadian Film Review“.

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Schauspieler und Crew am Set in Neufundland
Für die Regie des Remakes zeichnet der kanadische Regisseur, Autor und Schauspieler Don McKeller verantwortlich. Sein Film lebt von der warmherzigen Erzählweise und ist voller Witz, Humor und sozialkritischen Tönen, die dabei nie mit dem Holzhammer, sondern immer fein verstrickt in der nuancenreichen Komödie auftauchen. Die Figuren sind sympathisch gezeichnet, ihr komisches Potenzial schöpfen sie aus der unaufgeregten Beobachtung von Widersprüchen und Verhaltensweisen. Man mag sie einfach, die schlitzohrigen Inselbewohner, die ihr letztes Tischtuch in ein Kricketdress umnähen, um Paul zu beeindrucken.
Liebevolle Umsetzung im „Ganz oder gar nicht“-Stil
„Die große Versuchung“ erinnert von der Idee und in der liebevollen Umsetzung stark an Erfolge wie die britische Low-Budget-Erfolgskomödie „Ganz oder gar nicht“, in der sich ehemalige Stahlarbeiter als Stripper aus der Depression retten. Auch Murray und seine Freunde kamen bei der internationalen Kritik gut an. Ob Frappier sein Ziel erreichen kann, Erfolg und Einspielergebnis des Originals zu toppen, bleibt jedoch vorerst abzuwarten.
Sophia Felbermair, ORF.at
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