„Da muss sich was ändern“
Welche Rolle spielt Glücksspiel bei Österreichs Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wo gibt es Gefahrenpotential, und wo besteht Handlungsbedarf? Teils ernüchternde Antworten auf Fragen wie diese gibt eine am Montag vorgestellte Studie, der zufolge Wetten und Glücksspiel offensichtlich „in den Lebenswelten der Jugendlichen angekommen sind“.
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Grundlage dieser These ist die Erkenntnis, dass neun von zehn der für die Studie befragten zwölf- bis 24-Jährigen bereits mit Glücksspiel und Sportwetten in Berührung gekommen sind. Das Spektrum reicht dabei von einem von den Großeltern gekauften Los über Casinobesuche der Eltern bis zu regelmäßigen Pokerrunden im Freundeskreis, wobei auch Letzteres schon eine weit verbreitete Freizeitbeschäftigung ist.
Misstrauen gegenüber Onlinespielen
Auf hohem Niveau befinden sich allerdings nicht nur die indirekten Erfahrungen im Bekanntenkreis, ein Großteil von Österreichs Jugend hat auch Erfahrung als aktiver Spieler. Bemerkenswert erscheint hier, dass „traditionelle Offlinespiele“ wie Lotto, Roulette und Poker als weit weniger anrüchig wahrgenommen werden als das Glücksspiel im Internet.
Laut der vom Institut für Jugendkulturforschung, der Wiener Kinder- und Jungendanwaltschaft (KJA) und Saferinternet.at vorgestellten Studie „Nutzung von (Online-) Glücksspielen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich“ erfolgt allerdings nicht nur der Einstieg immer häufiger via Netz - im Internet steigt auch die Risikobereitschaft.
Deutlich riskanteres Spielverhalten im Netz
Mit 15 Prozent gaben zwar „vergleichsweise wenige“ der 1.000 repräsentativ Befragten an, in den letzten zwölf Monaten online gespielt zu haben. Im Internet werde aber mit einer viel höheren Frequenz gespielt als beispielsweise im privaten Kreis bzw. der Lottoannahmestelle. Konkret spielt jeder Dritte, der in den letzten zwölf Monaten ein kommerzielles Onlineangebot genutzt hat, mindestens einmal pro Woche. Dazu kommt, dass bei Onlinespielern ein deutlich riskanteres Spielverhalten festgestellt wurde und im Netz in weit kürzeren Intervallen auch um Geld gespielt wird.
Eine tragende Rolle kommt laut Studie „echtgeldfreien“ Angeboten zu, die etwa in Form von Apps, Facebook-Pokerspielen und sonstigen Gratisangeboten „neugierig“ auf mehr machen. Häufig geht es darum, die gewonnenen Spielerfahrungen „auch unter Wettkampfbedingungen“ zu beweisen, so Matthias Rohrer vom Institut für Jugendkulturforschung.
Als „besonders alarmierend“ bezeichnete Rohrer die „Nutzungszahlen unter den Minderjährigen“. Rund 15 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen nutzen demnach „echtgeldfreie“ Angebote und vertreiben sich beispielsweise mit Smartphone-Pokerspielen und Slotmaschinen im Internet die Zeit. Laut Bernhard Jungwirth von der Initiative Saferinternet.at hat man es hier rein rechtlich zwar noch nicht mit Glücksspiel zu tun - der Wechsel von diesem „reinen Unterhaltungsbereich“ in den „Echtgeldmodus“ verlaufe allerdings fließend.
Mit zunehmendem Alter eher risikobereit
Die Bereitschaft, um Geld zu spielen, steigt mit zunehmendem Alter. Als besonders anfällig für regelmäßiges Glücksspiel werden hier männliche Jugendliche von 18 bis 24 Jahren mit niedriger bzw. mittlerer Bildung genannt. 38 Prozent davon spielten in den letzten zwölf Monaten ausschließlich offline - beispielsweise in Wettbüros. Elf Prozent der Betroffenen nutzt sowohl Off- wie auch Onlineangebote. Reine Onlinespieler sind derzeit mit vier Prozent zwar noch in der Minderheit. Dennoch wird in diesem Bereich der größte Handlungsbedarf geortet: „Da muss sich was ändern“, zeigte sich etwa Jugendanwalt Anton Schmid überzeugt.
Grundsätzlich gestand dieser ein, mit einem weit schlimmeren Ergebnis gerechnet zu haben. Glücksspiel ist aber ohne Frage „bei den Jugendlichen angekommen“. Mit Blick auf das Internet werde das beim Jugendschutz allerdings alles andere als ausreichend berücksichtigt. Aus diesem Grund fordert Schmid „Gesetze mit klarer Aussage“. Geklärt werden müsse, ab wann etwas erlaubt ist. Zudem müssen auch die Anbieter „strengstens kontrolliert“ werden. Ein Dorn im Auge ist Schmid dabei die aggressive Werbetaktik der Onlineanbieter etwa bei Sportgroßereignissen.
Nicht zuletzt wird gleichzeitig aber auch ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein bei Eltern, Bekannten und Freunden eingefordert - nur diese könnten dem Experten zufolge bei den Betroffenen für ein ausreichendes Risikobewusstsein sorgen.
„Spieler sind immer die anderen“
Österreichs Jugendliche sind sich laut Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung zwar durchaus über die Gefahren und Risiken bei Glücksspiel bewusst: „Das Problem dabei ist, dass man sich selbst als allen Risiken gegenüber immun wahrnimmt: Typische Spieler sind immer die anderen“.
Dazu kommt, dass Glücksspiel aus Sicht der Jugendlichen nicht gleich Glücksspiel ist. Vielmehr gelten Poker, Sportwetten, Automaten und dergleichen als „besonders gefährliche Angebote“. In der „Gefahrenhierarchie“ folgen schließlich echtgeldfreie Spiele und deren als „mäßig“ empfundene Gefahr des „Anfixens“. Erst dann folgen die als „ungefährlich“ angesehenen Lotteriespiele.
Peter Prantner, ORF.at
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