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Investitionsgebiet Osteuropa

Dimensionen „wie in Brasilien, Kolumbien oder auf den Philippinen“ habe die Konzentration von Landbesitz in Osteuropa angenommen, schreibt das FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk (FIAN) Österreich in seinem aktuellen Bericht. Durch die „massive Verschiebung der Besitzverhältnisse“ würden vor allem Kleinbauern „kaum profitieren“.

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Die Menschrechtsorganisation zeichnet ein düsteres Bild für die Kleinbauern in Osteuropa. Im großen Stil kauften Investoren Grund und Boden in den osteuropäischen Ländern und verdrängten damit sukzessive kleine und mittlere Betriebe aus der Landwirtschaft. Getragen wird diese Entwicklung laut der NGO, die sich für das Recht auf Nahrung einsetzt, auch von österreichischen Unternehmen.

Liberalisierung fördert Konzentration von Besitz

Die Gründe für den Run auf die osteuropäischen Agrarflächen sind für FIAN offensichtlich: Die Preise für landwirtschaftlichen Boden liegen in Osteuropa noch immer deutlich unter dem mittel- und westeuropäischen Durchschnitt. Und das, obwohl sie seit Jahren laufend steigen. Die landwirtschaftliche Fläche werde damit auch zu einem beliebten Investitionsobjekt, so die NGO. Vor allem Serbiens Felder sehen Investoren laut FIAN als „lohnendes Asset“, dessen Wert sich in den nächsten vier Jahren verdoppeln könnte.

Mitschuldig an der Entwicklung, die immer mehr Grund und Boden in den Händen von immer weniger Personen bündelt, ist für die NGO auch die Europäische Union - genauer gesagt die Liberalisierung des Landmarkts, den die EU vorantreibt. So sollten mit diesem Jahr in Rumänien und Ungarn ausländische Investoren ohne Beschränkungen Grund und Boden kaufen können.

Ungarn verschärfte Bodengesetz

Diesen Bestimmungen stellte sich freilich Ungarn mit seinem neuen Bodengesetz deutlich entgegen, das wenig verwunderlich zum Zankapfel zwischen Österreich und seinem östlichen Nachbarn wurde. Bewirtschaften doch Österreicher verhältnismäßig viel Land in Ungarn - nämlich vier Prozent der gesamten Agrarfläche. Viele von ihnen könnten von dem am 1. Mai in Kraft getretenen Gesetz betroffen sein, mit dem die rechtskonservative Regierung von Viktor Orban nach eigenen Angaben gegen Spekulanten vorgehen will.

Die Ankündigung, Ausländern auch rückwirkend ihre im Grundbuch eingetragenen Nutzungsrechte zu entziehen, brachte Ungarn deshalb scharfen Protest von österreichischer Seite ein. Nach Schätzungen des österreichischen Landwirtschaftsministeriums bewirtschaften rund 200 österreichische Betriebe Agrarland in Ungarn. Laut FIAN handelt es sich dabei zumeist um Großgrundbesitzer - immerhin kommen auf die 200 Österreicher insgesamt 200.000 Hektar.

Nationale Beschränkungen bisher zahnlos

Bisher konnten in Osteuropa nationale Beschränkungen gegen ausländische Investitionen allerdings nur wenig ausrichten. So genügte es in Rumänien bereits, um 150 Euro eine Firma zu registrieren, um Zugang zu landwirtschaftlichem Boden zu bekommen.

Jahre vor dem EU-Beitritt Rumäniens war etwa bereits der Österreicher Andreas Bardeau in dem Land aktiv. Seit 2000 investierte er sukzessive in Grund und Boden. Mittlerweile ist der Schlossherr von Kornberg Honorarkonsul von Rumänien und bewirtschaftet mit seiner Bardeau-Gruppe rund 21.000 Hektar Land.

Spekulant oder Arbeitsplatzgarant

Gerade an Bardeau zeigt sich gut die ambivalente Situation ausländischer Investitionen in Osteuropa. Denn Bardeau sieht sich nicht als habgieriger Spekulant, sondern vielmehr als verantwortungsvoller Investor. Er habe über 200 Jobs geschaffen und niemandem etwas weggenommen, sagte er vor einem Jahr gegenüber der Tageszeitung „Der Standard“.

Für FIAN sind es aber gerade Unternehmen wie die Bardeau Holding Romania, die allein ob ihrer Größe Klein- und Mittelbetriebe aus dem Rennen drängen. Vielen Kleinbauern bleibe nur noch die Möglichkeit, den eigenen Boden an Großgrundbesitzer abzutreten und so der Entwicklung weiter Vorschub zu leisten.

Millionen Hektar in der Hand weniger

Gut zeige sich die Konzentration von Landbesitz laut FIAN in der Ukraine. Dort bewirtschaften die zehn größten Agrarholdings etwa 2,8 Millionen Hektar. Damit sind immerhin fünf Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landes in den Händen von gerade einmal zehn Konzernen.

Geradezu winzig machen sich da die von FIAN präsentierten Zahlen zu österreichischen Unternehmen in der Ukraine aus - wenn sie natürlich von klein weit entfernt sind. 48.000 Hektar soll etwa die Bio-Farm des österreichisch-japanischen Unternehmens Maharashi Organic Agriculture in der Ukraine umfassen. Das gibt zumindest der australische Agrardienstanbieter Green Global Harvest auf seiner Website an. Das ist mehr Fläche als das gesamte Stadtgebiet Wiens. Und gleich noch einmal so viel landwirtschaftlichen Boden soll laut FIAN-Bericht das in Österreich registrierte Agrarunternehmen MCB Agricole kontrollieren.

Kritik an EU-Subventionen

In den EU-Ländern Rumänien und Ungarn gehen mit solch großem Landbesitz auch bedeutende Agrarförderungen einher. So wurden im Jahr 2012 die Hälfte aller rumänischen EU-Agrarförderungen von gerade einmal einem Prozent der Höfe in Rumänien bezogen.

FIAN spricht entsprechend provokant von einem „Subventionsregime der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ und fordert - nicht minder provokant - „Landreformen und Umverteilung von Land“ an landlose und angehende Bauern. Wie diese konkret zu gestalten wären, lässt FIAN in seinem Bericht allerdings offen. Möchte die NGO die Publikation ja auch nicht als Lösung, sondern vielmehr als Anstoß für weitere Recherchen verstanden wissen.

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