Tief gespaltenes Land
Der 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, das den Ersten Weltkrieg ausgelöst hatte, hat die tiefen Gräben zwischen Bosniern und Serben weiter vertieft. Die muslimischen Bosnier gedachten am Samstag in Sarajevo in Anwesenheit vieler ausländischer Gäste der Ermordung Franz Ferdinands und seiner Frau Sophie durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip. Die bosnischen Serben blieben fern.
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Sie begingen den Jahrestag unter Mitwirkung von Spitzenpolitikern aus Belgrad getrennt in Andricgrad, einem neu gebauten Stadtteil von Visegrad. „Wir sind niemals zusammen gewesen, weder in Trauer noch in Freude“, zitierten die Medien übereinstimmend den Präsidenten der serbischen Landeshälfte Bosnien-Herzegowinas, Milorad Dodik. „Wir haben keine gemeinsamen Feiertage.“
Terrorist oder Freiheitskämpfer?
Dodik sagte weiter: „Das sagt alles über das heutige Bosnien als Staat mit Gewalt nur unter Hilfe der internationalen Gemeinschaft.“ Die bosnischen Serben, die rund ein Drittel der Bevölkerung stellen, würden „auf der Basis der Freiheitsideen Gavrilo Princips unsere Autonomie stärken bis zur Unabhängigkeit“. Die Bosnier sehen im Attentäter Princip einen Terroristen. Für die Serben ist er ein Volksheld und Freiheitskämpfer.
Philharmoniker im Rathaus
In Sarajevo wurde der Jahrestag des Attentats mit zahlreichen historischen Ausstellungen und Kunstvorstellungen begangen. Den Höhepunkt war ein Konzert der Wiener Philharmoniker im wiederaufgebauten Rathaus, dem auch Bundespräsident Heinz Fischer beiwohnte. Das zur Zeit der österreichischen Herrschaft (1878-1918) im neomaurischen Stil errichtete Gebäude war von Serben während des Bürgerkrieges in Schutt und Asche gelegt worden. Mit internationalen Finanzhilfen war es mehr als 18 Jahre lang restauriert worden.
Die Philharmoniker eröffneten unter ihrem Dirigenten Franz Welser-Möst das Konzert mit der bosnischen Nationalhymne und schlossen es mit der Europahymne Ludwig van Beethovens ab.
Fischer-Appell zu Versöhnung
Fischer rief die zerstrittenen Volksgruppen Bosnien-Herzegowinas auf, ihre Differenzen zu überwinden und für eine EU-Annäherung zusammenzuarbeiten. Der 28. Juni 2014 sei „eine gute und wichtige Gelegenheit, an alle Bewohner von Bosnien und Herzegowina zu appellieren: Arbeitet zusammen, stellt, was euch trennt, zurück“, sagte Fischer am Samstagabend in Sarajevo.
Fischer sagte, dass der Teil Europas, in dem Sarajevo liegt, eine „schwierige und tragische Geschichte“ habe, und er wünsche sich, dass trotzdem eine friedliche Zusammenarbeit der hier lebenden Volksgruppen erreicht werden könne. Das Projekt der Europäischen Union könne dabei eine „wichtige Rolle“ spielen. Allerdings müsse jeder Staat und jede einzelne Volksgruppe auch ihren eigenen Beitrag leisten.
Dank an Philharmoniker
Bei der Pressekonferenz nach dem Konzert äußerte sich auch das bosniakische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic. Er dankte den Wiener Philharmonikern für den Auftritt und äußerte den Wunsch, dass es Bosnien und Herzegowina in ein „Europa des Friedens und der Zusammenarbeit“ schafft, „das Land verdient sich diesen Platz“. Nach dem „Jahrhundert des Krieges wollen wir in ein Jahrhundert des Friedens eintreten“, betonte er.
Mosaik Princips
In Andricgrad wurde indes in den Abendstunden ein acht mal drei Meter großes Mosaik Princips auf der Außenseite des dortigen Kinos enthüllt. Neben dem Attentäter von Sarajevo findet sich darauf auch das Schloss Belvedere und ein Zitat Princips: „Unser Schatten wird durch Wien gehen, durch den Hof irren, die Herrschaften in Angst versetzen.“ Die Gedenkfeier soll mit einer Inszenierung des Attentats von Sarajevo und des darauffolgenden Prozesses sowie einem Konzert des russischen Militärchors „Alexander“ abgeschlossen werden.
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