„Extrem gegensätzliches Paar“
Die fast 190 Millionen Wähler Indonesiens können sich wahrlich über politischen Einheitsbrei bei der Präsidentenwahl am 9. Juli nicht beklagen. Ihnen steht eine Schicksalswahl bevor. Zwar reden beide Kandidaten von Kontinuität und mehr Protektionismus, sie verkörpern aber völlig entgegengesetzte Zukunftsvisionen.
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Der junge Reformer und Korruptionsbekämpfer Joko Widodo (53) tritt gegen den vermögenden Ex-General Prabowo Subianto (62) mit engen Verbindungen zur 1998 gefallenen Suharto-Diktatur an. „Ein extrem gegensätzliches Paar“, urteilt der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Hauptstadt Jakarta, Jan Woischnik.
Joko, genannt „Jokowi“, hat aus seiner korruptionsgeplagten Heimatstadt Solo als Bürgermeister in wenigen Jahren ein blühendes Zentrum gemacht. Mit unangemeldeten Inspektionen in Slums und Nulltoleranz für Korruption wurde er legendär. 2012 wählten die Hauptstädter im Millionenmoloch Jakarta ihn zum Bürgermeister. Er geht für die Partei des demokratischen Kampfes (PDI-P) der früheren Präsidentin Megawati Sukarnoputri an den Start. Parteiprogramme spielen allerdings nur eine untergeordnete Rolle.
Geschäftskarriere im Windschatten des Bruders
Prabowo, bekannt für seine Wutausbrüche, befehligte unter Suharto eine berüchtigte Sondereinsatztruppe. Er wehrt sich seit Jahren gegen Vorwürfe schwerer Menschenrechtsverletzungen. Er ging nach dem Suharto-Ende ins Exil nach Jordanien, startete nach der Rückkehr aber im Windschatten seines schwerreichen Bruders eine erfolgreiche Geschäftskarriere. Er gründete 2008 seine eigene Partei der Bewegung großes Indonesien (Gerindra) mit einem Ziel: Präsident zu werden.
Während „Jokowi“ von Bildung und Arbeitsplätzen redet, verspricht Prabowo ein starkes Indonesien mit Selbstbewusstsein in der Region. Nach Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der vor allem in der zweiten Amtszeit farblos blieb, kommt das an. Erst lag „Jokowi“ weit vorn, aber inzwischen liegen beide Kopf an Kopf.
„Eine Aura der Autorität“
„Mit seinen markigen Sprüchen und Wahlauftrittsinszenierungen lässt Prabowo ,Jokowi‘ wie einen Provinzapostel aussehen“, meint Professor David Bourchier von der Universität Westaustraliens. „Sein Zauber ist, eine Aura von Autorität zu verbreiten.“
Die Wahlkampfmaschine Prabowos läuft wie geschmiert, dank der tiefen Taschen seines Bruders. Stimmenkauf ist ein Problem, wie Ulla Fionna vom Südostasieninstitut in Singapur (ISEAS) in einer Untersuchung belegt. Nach den Parlamentswahlen im April schrieb sie: „Das System ist 2014 noch umfangreicher, ausgeklügelter und besser organisiert als vorher.“ Sie nennt eine Kandidatin von Prabowos Partei, die sich empört bei der Wahlaufsicht beschwerte, nachdem sie 13 Wahlkommissionen in Ostjava bestochen hatte und trotzdem verlor.
Wirtschaftlicher Nationalismus als Programm
Laut Valeska Hesse, Co-Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jakarta, stehe „Jokowi" für die Weiterführung der Demokratie“. „Anhänger setzen in Jokowi so große Hoffnungen, dass im Fall eines Siegs nach einem Jahr Katerstimmung kommen muss,“ sagt Woischnik.
Der nächste Präsident hat viel zu tun: „Korruption ist eine Riesenbaustelle“, so Hesse. „Die Wirtschaft basiert zudem zu sehr auf dem Abbau der Ressourcen, das Bildungssystem ist marode, Straßen und Häfen müssen ausgebaut werden.“ Die Hälfte der 250 Millionen Einwohner lebt an der Armutsgrenze. Die Kandidaten sind sich in der Wirtschaftspolitik zumindest im Wahlkampf einig. „Beide neigen nach allem, was sie sagen, zu wirtschaftlichem Nationalismus“, meint Dozent Keoni Indrabayu Marzuki vom RSIS-Institut in Singapur.
Demokratie in Gefahr?
Wie viele ausländische Beobachter fürchtet Bourchier unter einem Präsidenten Prabowo eine Abkehr von der Demokratie: „Wenn er gewinnt, müssen wir mit einer autoritäreren Regierung rechnen, politische Freiheiten dürften eingeschränkt werden, und die Toleranz gegenüber religiösen und anderen Minderheiten dürfte sinken“, schreibt er.
Extremistenführer Dschaafar Umar Thalib rief zwar vor kurzem zu einem „Dschihad gegen den Pluralismus“ auf. Aber die Religion hat in dem Wahlkampf im Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt keine Rolle gespielt. Indonesien praktiziert einen moderaten Islam.
Christiane Oelrich, dpa
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