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Kiew droht mit Ende der Waffenruhe

Schwerer Rückschlag für den Friedensprozess in der Ukraine: Im Osten des Landes ist ungeachtet eines Waffenstillstands ein Militärhubschraub abgeschossen worden. Dabei sollen neun Soldaten ums Leben gekommen sein. Während Russlands Präsident Wladimir Putin sich für eine Verlängerung der Waffenruhe aussprach, drohte sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko mit dem Ende der Waffenruhe.

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Die Maschine vom Typ Mi-8 sei ungeachtet eines Waffenstillstands von prorussischen Separatisten bei Slawjansk attackiert worden, teilte der ukrainische Militärexperte Dmitri Tymtschuk am Dienstag in Kiew mit. Der Hubschrauber sei zum Transport militärischer Güter genutzt und ersten Erkenntnissen zufolge von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden, so der Armeesprecher Wladislaw Selesnjow. Auf die Zahl der Toten angesprochen sagte er, es seien neun Menschen an Bord gewesen. Eine offizielle Mitteilung über Opfer liege ihm nicht vor, so Selesnjow.

Separatisten bekennen sich zu Abschuss

Zu dem Abschuss bekannten sich kurz darauf die Separatisten: Die „Volkswehr“ habe die Maschine nahe Slawjansk mit einer Rakete angegriffen, sagte ein Sprecher der militanten Gruppen in Donezk. Separatistenanführer Alexander Borodaj warf der Regierung vor, sich nicht an die Waffenruhe zu halten: „Kiew hat den Krieg nicht eingestellt. Auch auf unserer Seite gibt es Tote und Verletzte.“ In der Nähe der von Separatisten kontrollierten Stadt Slawjansk waren bereits Ende Mai 14 Soldaten durch einen Helikopterabschuss getötet worden.

Kritik von Putin

Putin verurteilte während eines Besuchs in Wien den Abschuss und sprach sich für eine Verlängerung der einwöchigen Waffenruhe in der Ostukraine aus. Sowohl die ukrainischen Regierungseinheiten als auch die Aufständischen müssten ihren Worten Taten folgen lassen, sagte er. Die andauernden Gefechte seien ein Hinweis darauf, dass der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko unzureichend sei. „Ohne Gespräche sind die Bemühungen um Frieden vergeblich“, sagte Putin.

Auch Bundespräsident Heinz Fischer hob die Wichtigkeit hervor, die Waffenruhe zu verlängern und den Konflikt zu lösen. Ein wichtiger Punkt sei, dass es keinen Nachschub an Waffen für gewaltbereite Personen in der Ostukraine gebe. Auch Kiew müsse seinen Beitrag leisten. Das „muss ich betonen“, sagte Fischer. Es seien ernsthafte Gespräche mit den Separatisten notwendig. Es gebe nicht nur Wünsche an Russland, sondern auch an Kiew.

Brüchige Feuerpause

Poroschenko drohte den Separatisten unterdessen mit einer Aufhebung der Waffenruhe. Nach dem Tod von neun Soldaten bei der Attacke schließe er einen Abbruch der Feuerpause nicht aus, sagte der Staatschef in Kiew. Er habe den Einheiten im krisengeschüttelten Osten des Landes erlaubt, bei Angriffen prorussischer Aufständischer zurückzufeuern, teilte das Präsidialamt mit. „Die Terroristen haben 35-mal auf Soldaten geschossen.“

Ein Armeesprecher sagte, bei weiteren Angriffen am Dienstag seien zwei Soldaten getötet worden. Die Aufständischen warfen ihrerseits dem Staat vor, die Feuerpause nicht einzuhalten und Stellungen bei Lugansk angegriffen zu haben. Es habe einen Toten und einen Verletzten gegeben.

Erst am Montag hatten die prorussischen Separatisten einem Waffenstillstand im Osten des Landes bis 27. Juni zugestimmt, um die Zeit für Friedensgespräche zu nutzen. Parallel gilt eine einseitige Waffenruhe der ukrainischen Streitkräfte, die Poroschenko Ende vergangener Woche als Teil seines Friedensplans ausgerufen hatte. Die Feuerpause ist bisher aber brüchig.

Moskau will Einmarscherlaubnis aufheben

Das Oberhaus des russischen Parlaments will am Mittwoch über den Antrag von Putin entscheiden, die Einmarscherlaubnis vom 1. März 2014 aufzuheben. Eine Zustimmung gilt als sicher. Putin hatte den möglichen Einmarsch damit begründet, dass russische Bürger in der Ukraine geschützt werden müssten. Die Militärdoktrin Russlands erlaubt einen Auslandseinsatz der Armee zu diesem Zweck.

Zugleich warnte Putin aber mit Nachdruck vor Gewalt gegen russische Bürger in der Ukraine. Er habe zwar beantragt, die Erlaubnis für einen Militäreinsatz im Nachbarland außer Kraft zu setzen, das bedeute aber nicht, dass Russland die Lage in der Ukraine künftig egal sei, sagte Putin. „Wir werden die ethnischen Russen in der Ukraine und jene Ukrainer immer schützen, die unzertrennlich mit Russland verbunden sind. Ich hoffe, dass dazu die Streitkräfte nicht nötig sein werden.“

Washington weiter besorgt

Nach Ansicht der USA muss Russland auf seine Worte Taten folgen lassen, um nicht mit härteren Sanktionen belegt zu werden. Das Weiße Haus begrüßte am Dienstag zwar Putins Geste, die erteilte Erlaubnis zum möglichen Einmarsch im Nachbarland aufzuheben. Washington sei aber weiterhin besorgt über die russischen Militäreinheiten an der ukrainischen Grenze, sagte Regierungssprecher Josh Earnest.

Bereits Hunderte Tote

Bei den Kämpfen im Osten und Südosten der Ukraine wurden seit April mindestens 375 Menschen getötet, ein Auseinanderbrechen der Ukraine wurde befürchtet. Noch am Wochenende standen die Zeichen auf eine weitere Eskalation, als die Separatisten Poroschenkos Friedensplan als unzureichend zurückwiesen und Putin umfassende Militärübungen anordnete. Die EU und die USA hatten Putin am Montag ermahnt, Schritte zur Deeskalation zu unternehmen, wenn er keine neuen Sanktionen in Kauf nehmen wolle.

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