US-Armee-Chef: „Zu früh“
Nach anhaltenden Kämpfen gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) hat der Irak nun die USA offiziell um ein militärisches Eingreifen gebeten. Bagdad habe gemäß einem Sicherheitsabkommen zwischen den USA und dem Irak um „Luftschläge gegen die Terroristengruppen“ angesucht, wie der irakische Außenminister Hoschjar Sebari am Mittwoch sagte. Nach Ansicht von Generalstabschef Martin Dempsey aber ist es dafür aber noch „zu früh“.
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Die Dschihadisten hatten zuvor ihre Offensive ausgeweitet und die größte Raffinerie des Landes in Baidschi angegriffen. In der vergangenen Woche hatte ISIS in einer Blitzoffensive Mossul und die umliegende Provinz Ninive sowie Teile der angrenzenden Provinzen in ihre Gewalt gebracht. Vielerorts zog sich die Armee kampflos zurück, zahlreiche Soldaten desertierten.
Zwischenzeitlich rückte ISIS, die zum Teil auch von gemäßigten Sunniten unterstützt wird, bis nah an die Hauptstadt Bagdad heran, doch startete die Regierung inzwischen eine Gegenoffensive und eroberte nach eigenen Angaben mehrere Städte nördlich von Bagdad zurück. Auch die größte Raffinerie ist demzufolge wieder unter Kontrolle des Militärs.
USA sichern Bagdad Bereitschaft zu
Die USA sicherten dem Irak unterdessen Bereitschaft im Kampf gegen den ISIS-Vormarsch zu. Washington sei bereit, die Unterstützung im Vorgehen gegen die sunnitischen ISIS-Kämpfer zu verstärken, sagte US-Vizepräsident Joe Biden am Mittwochabend (Ortszeit) in einem Telefonat mit dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki. Er stellte nach einer Mitteilung des Weißen Hauses aber auch klar, dass der Schiit Maliki die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im Land einbeziehen müsse.

APA/EPA/Alaa Al-Shemaree
Irakische Freiwillige trainieren für einen Einsatz
Für einen möglichen Luftangriff der USA im Irak ist es wegen der chaotischen Lage im Land laut Dempsey noch zu früh. Vor solch einem Schritt müssten erst die nötigen Geheimdienstinformationen vorliegen, so Dempsey in einer Anhörung im US-Kongress. Die militärischen Optionen würden derzeit weiterentwickelt und verfeinert, erst dann könne Präsident Barack Obama eine Entscheidung treffen.
Luftangriffe etwa mittels Drohnen wurden in den vergangenen Tagen nicht ausgeschlossen. Präsidentensprecher Jay Carney sagte am Mittwoch, Obama erwäge weiterhin eine Reihe von Optionen, einzig die Entsendung von Bodenkampftruppen komme für ihn nicht infrage. Zugleich stellte Carney klar, dass lediglich 275 US-Soldaten in den Irak geschickt wurden. 170 davon sollten die Mitarbeiter der Botschaft schützen und bei Evakuierungen helfen. Die rund 100 weiteren seien im Land, um notfalls für Sicherheit und logistische Aufgaben zu sorgen und sich um Flugplätze zu kümmern.
Obama holt sich Rückendeckung
Obama traf sich am Abend mit führenden Politikern von Senat und Abgeordnetenhaus, um über den Vormarsch der sunnitischen Extremisten zu beraten. Im Gespräch mit den vier Parlamentariern sei es um die „erhöhte Unterstützung in Sicherheitsfragen“ gegangen, teilte das Weiße Haus mit. Obama hätte noch einmal klargestellt, dass er keine US-Truppen in den Kampf mit Dschihadisten schicken werde, sagte die demokratische Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, nach dem Treffen.
Die wichtige Rolle der USA in dem umkämpften Land betonte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch. Sie sieht vor allem die USA in der Verpflichtung, den Vormarsch der Islamisten im Irak zu stoppen. „Natürlich haben die Amerikaner eine ganz besondere Verantwortung“, sagte sie in Berlin. Diese werde von Obama auch bereits wahrgenommen.
Maliki entlässt ranghohe Militärs
Rund eine Woche nach Beginn des Islamistenvormarsches entband Ministerpräsident Maliki ranghohe Militärs von deren Aufgaben. Diese hätten versagt, ihre Stellungen verlassen und ihre Pflicht nicht erfüllt, meldete die Nachrichtenagentur NINA am späten Dienstagabend unter Berufung auf eine Mitteilung des Regierungschefs. Zu den Abberufenen zählt auch der für die Region Ninive verantwortliche Generalleutnant Mahdi al-Gharrawi. Dort liegt die Millionenmetropole Mossul, die die Extremisten nahezu kampflos überrannt hatten.
Der Iran unterstrich erneut, im Kampf gegen ISIS keine Truppen in den Irak entsendet zu haben. „Dazu besteht auch über kein Anlass“, sagte Generalstabschef Hassan Firusabadi nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars am Donnerstag. Auch eine Zusammenarbeit mit den USA gegen ISIS könnte er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen. Die Dschihadisten sind nach Meinung von Firusabadi im Einklang mit der US-Politik in Syrien, um den Wahlsieg von Präsident Baschar al-Assad zu untergraben. „Daher wäre ein Zusammenarbeit absurd“, so der General.
Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte dem Irak uneingeschränkte Solidarität versprochen, aber auch er hatte den Einsatz der Al-Kuds-Brigaden, einer Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, dementiert. Eine Zusammenarbeit mit den USA wollte Rouhani aber nicht ausschließen.
Saudi-Arabien reagierte umgehend auf Rouhanis Äußerungen. Saudi-Arabien lehne jede äußere Einmischen in die Entwicklungen im Irak ab, so Außenminister Prinz Saud al-Faisal. Beide, Saudi-Arabien und der Iran, wollen die Vorherrschaft in der Region.
ISIS verkündet Erfolge in Syrien
ISIS will auch Ortschaften im Nachbarland Syrien erobert haben. Nach eigenen Angaben nahmen ISIS-Kämpfer mehrere Dörfer in der ostsyrischen Provinz Deir al-Sor ein und rückten im Norden des Landes näher an die Stadt Aleppo heran. Auch Manbidsch kurz vor der türkischen Grenze sowie Dörfer um Homs wollen die Dschihadisten erobert haben. Anhänger verbreiteten am Mittwoch via Twitter, die Miliz sei bis nach Tal Dschidschan - rund 30 Kilometer nordöstlich von Aleppo - vorgerückt.
ISIS kämpft im Norden und Osten Syriens gegen das Assad-Regime, vor allem jedoch auch gegen Islamistengruppen wie die Al-Nusra-Front und andere syrische Rebellen. Fest unter ISIS-Kontrolle ist bereits die Provinz Rakka östlich von Aleppo. Durch den Eroberungsfeldzug im Irak fielen den Extremisten viele Fahrzeuge und Waffensysteme der irakischen Armee in die Hände. Die erbeuteten Panzer und Humvee-Geländewagen nutzt ISIS nun für den Kampf in Syrien.
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