Kritik an Premier Renzi
Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni, der vor einer Woche wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an einem Korruptionsskandal in der Lagunenstadt festgenommen wurde und seit Donnerstag wieder frei ist, ist zurückgetreten. Ein kommissarischer Leiter soll bis zur Wahl eines neuen Bürgermeisters die Lagunenstadt führen.
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Er könne nicht mehr weitermachen, die Bedingungen dafür seien nicht gegeben, begründete Orsoni seinen Schritt. Das Stadtoberhaupt, das bisher Venedig an der Spitze einer Mitte-links-Allianz führte, beteuerte seine Unschuld und kritisierte sein Lager wegen der Attacken, denen er nach seiner Festnahme ausgesetzt gewesen sei. Dabei sparte Orsoni nicht an Kritik - auch an Premier Matteo Renzi. Die Demokratische Partei (PD) um Renzi hatte ihn wiederholt zum Rücktritt aufgerufen.
500.000 Euro Wahlkampfspenden dubioser Herkunft
Orsoni strebt eine außergerichtliche Einigung an. Ihm wird vorgehalten, 2010 für seinen erfolgreichen Kampf um Venedigs Bürgermeisteramt mehr als 500.000 Euro Wahlspenden von einem Konsortium erhalten zu haben. Er argumentiert, PD-Offizielle hätten das angenommen, ohne ihn über die illegale Herkunft zu informieren. Er habe stets im Interesse der Stadt gehandelt, versicherte Orsoni am Freitag. Die Staatsanwaltschaft Venedig wirft ihm Korruption, Geldwäsche und Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem Bau des millionenschweren Schleusensystems MOSE vor.

AP/Luigi Costantini
Bei dem Deichprojekt sollen Millionen in schwarzen Kassen versunken sein
Gemeinsam mit Orsoni wurden vergangene Woche mehr als 30 Personen verhaftet. Beim prestigeträchtigen Hochwasserprojekt MOSE sollen zig Millionen Euro in schwarze Kassen geflossen sein. Die Gelder sollen nach Angaben des leitenden Staatsanwaltes Luigi Delpino auf ausländische Konten überwiesen worden sein. Der Großteil sei „zur Finanzierung politischer Parteien auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene“ verwendet worden, so Delpino auf einer Pressekonferenz.
Über hundert Verdächtige
Insgesamt sollen etwa hundert Menschen in den Skandal in Venedig verwickelt sein, darunter weitere Politiker und Firmenchefs. An der Großbaustelle MOSE, die sich über eine Länge von 20 Kilometern in der Lagune von Venedig erstreckt, sind rund 50 Unternehmen beteiligt. Dort sollen 78 schwimmende Deiche errichtet werden, um die Stadt vor Hochwasser und Überschwemmungen zu schützen.
Projekt von Anfang an umstritten
Das Großprojekt Module sperimentale elettromeccanico (experimentelles elektromechanisches Modul) gilt seit Baustart im März 2003 durch den damaligen Premier Silvio Berlusconi als höchst umstritten. Abseits der ausufernden Kosten und der bereits über zehn Jahre andauernden Bauzeit - zunächst waren acht Jahre geplant - wurde immer wieder auch angezweifelt, dass dank der mobilen Deichanlage Venedig tatsächlich effektiv vor Hochwasser geschützt werden kann.
Die Staatsanwaltschaft Venedigs hatte vor drei Jahren Ermittlungen zur Praxis der Auftragsvergabe bei dem Projekt eingeleitet. Dabei kam den Medienberichten zufolge eine schwarze Kasse ans Licht, die mit Bestechungsgeldern und Zahlungen aus gefälschten Rechnungen gefüllt wurde.
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