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Urteil acht Jahre nach Tat

Knapp acht Jahre nach der Ermordung der kremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja hat das Moskauer Stadtgericht den Schuldspruch gegen fünf Tatbeteiligte bestätigt und lebenslanges Straflager gegen die beiden Hauptangeklagten verhängt. Richter Pawel Meljochin sah es als erwiesen an, dass die Männer in den Mord an der Reporterin der Zeitung „Nowaja Gaseta“ verwickelt sind.

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Meljochin hätte ungeachtet des Schuldspruchs der Geschworenen vom Mai auch einen Freispruch verkünden können. Das hatte die Verteidigung aus Mangel an Beweisen beantragt. Die Staatsanwaltschaft hatte für alle Angeklagten Straflagerhaft gefordert. Im Mai hatte das Schwurgericht alle fünf Angeklagten schuldig gesprochen.

Verurteilung im zweiten Anlauf

Politkowskaja war 2006 im Gang ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Als Organisator der Tat wurde der Tschetschene Lom-Ali Gaitukajew zu lebenslanger Haft verurteilt. Dasselbe Urteil traf Rustam Machmudow, nach Auffassung der Geschworenen handelt es sich bei ihm um den Todesschützen. Seine Brüder Dschabrail und Ibragim sowie ein früherer Moskauer Polizeioffizier wurden wegen Beteiligung an der Planung des Mordes schuldig gesprochen. Sie wurden zu zu zwölf , 14 und 20 Jahren Straflager verurteilt.

Der Angeklagte Rustam Machmudow

APA/EPA/Maxim Shipenkov

Der mutmaßliche Todesschütze Rustam Machmudow

Ibragim und Dschabrail Machmudow waren wie Ex-Polizist Sergej Chadschikurbanow in einem vorherigen Prozess im Jahr 2009 noch freigesprochen worden. 2010 kassierte Russlands Oberster Gerichtshof das Urteil jedoch und ordnete einen neuen Prozess an. Ende 2012 wurde dann der frühere Polizist Dimitri Pawljutschenkow zu elf Jahren Haft verurteilt, nachdem er in einer Abmachung mit der Anklage eingeräumt hatte, die Mordwaffe organisiert und dem Mörder übergeben zu haben.

Hintermänner weiter unbekannt

Wer den Mord an der Journalistin in Auftrag gegeben hat, ist bis heute ungeklärt. Auch das Tatmotiv bleibt weiterhin unklar. Menschenrechtler befürchten, dass die Spuren der Bluttat bis in Russlands Machtapparat reichen könnten und die wahren Hintergründe der Tat nie ans Licht kommen. „Wir sind mit dem Urteil einverstanden, aber den größeren Teil der Schuld tragen andere“, sagte Politkowskajas Sohn Ilja.

Die Urteile seien nur ein „kleiner Schritt“ bei der Herstellung der Gerechtigkeit, teilte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit. Auch dieser Prozess lasse viele Fragen offen, sagte der Leiter von Amnesty in Russland, Sergej Nikitin. Erst wenn die Drahtzieher bekannt seien, könne das Verbrechen aufgeklärt werden.

Kritische Berichte über Tschetschenien-Konflikt

Die russische Reporterin der regierungskritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ hatte über schwere Menschenrechtsverletzungen in dem früheren Kriegsgebiet Tschetschenien berichtet. In ihrem letzten, unvollendeten Artikel kritisierte sie, dass die tschetschenischen Behörden politische Gegner foltern und als Terroristen inhaftieren.

Eine Frau legt Blumen vor einem Bild von Anna Politkowskaja nieder.

AP/Sergey Ponomarev

Der Mord an Politkowskaja löste im In- und Ausland Trauer und Bestürzung aus

Für Aufsehen hatte die Tschetschenien-Expertin auch gesorgt, als sie 2002 nach dem Geiseldrama in einem Moskauer Musical-Theater die russischen Behörden kritisierte: Das Leben aller Geiseln hätte ihrer Ansicht nach gerettet werden können, wenn die russische Führung auf Verhandlungen mit den tschetschenischen Rebellen beharrt hätte, statt das Gebäude stürmen zu lassen. Bei der Befreiung wurden 129 Geiseln getötet.

Im Herbst 2004 machte Politkowskaja auch im Zusammenhang mit dem Geiseldrama an einer Schule in Beslan Schlagzeilen. Eine Reise zum Schauplatz im Nordkaukasus scheiterte an einer Vergiftung, für die Politkowskaja den russischen Geheimdienst verantwortlich machte. Von ihrer Mission ließ sie sich trotzdem nicht abhalten. „Ich bin eine absolute Journalistin“, sagte Politkowskaja in einem ihrer letzten Interviews.

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