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„Obamas neuer Klimakrieg hat begonnen“

Barack Obamas Terminplan für Montag ließ von einem historischen Tag nichts erkennen. Morgens die üblichen Treffen mit seinen Beratern im Weißen Haus, abends der Abflug zu einer kurzen Europareise - und zwischendrin eine Telefonkonferenz mit Gesundheitsgruppen zum Thema Lungenkrankheiten.

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Und doch nennen US-Kommentatoren den Tag, an dem die Umweltbehörde EPA ihren Plan zur Eindämmung des Kohlendioxidausstoßes von Kraftwerken veröffentlicht, den wichtigsten Tag seiner zweiten Amtszeit. Es gehe es um nicht weniger als das Erbe von Obamas Präsidentschaft. Er will sein Land, den zweitgrößten Klimasünder der Welt, in eine sauberere Zukunft führen.

Anerkennende Kommentare

Es ist kein Zufall, dass Obama auf eine große Rede zur Verkündung der wohl schärfsten Klimaschutzregeln in der US-Geschichte verzichtet und seine Äußerungen dazu bescheiden in einer Telefonschaltung versteckt. Denn der Präsident greift zu einem gewagten politischen Manöver, um im Jahr sechs nach seinem Amtsantritt endlich sein Versprechen vom Kampf gegen die globale Erwärmung einzulösen. Die EPA handelt allein auf seinen Erlass. Obama baut voll auf seine Macht als Regierungschef und lässt dabei den Kongress links liegen.

„Obamas neuer Klimakrieg hat begonnen“, kommentiert die Politzeitung „The Hill“: Dem Präsidenten steht die schwierigste innenpolitische Auseinandersetzung seit der Gesundheitsreform bevor. Die Republikaner, die Energielobby und selbst Parteifreunde aus betroffenen Bundesstaaten wetzen bereits die Messer. Doch sein Vermächtnis in der Klima-Frage scheint Obama wichtiger zu sein als die anstehende Kongresswahl, lobt die „New York Times“. Und er ist schlau genug, eine neue Diskussion über den Klimawandel gar nicht erst anzuzetteln.

Trick per Uraltgesetz

Obama hat seine Lektion gelernt. Mit der Schlappe seiner Demokraten bei den Kongresswahlen 2010 waren ihm die Stimmen für ein richtiges Umweltschutzgesetz weggebrochen. Seine großen Pläne - ein Trümmerhaufen. Noch auf dem Weltklimagipfel 2009 in Kopenhagen hatte er angekündigt: Die USA würden den Ausstoß schädlicher Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken.

Also greift das Weiße Haus nun tief in die Trickkiste. Ein uraltes Gesetz gegen Luftverpestung ist die legale Grundlage für die neue Regel der EPA: Demnach muss der CO2-Ausstoß durch Kraftwerke bis 2030 um 30 Prozent unter den Wert von 2005 sinken. Obama setzt dabei auf Kooperation und Flexibilität. Wie die Bundesstaaten das Ziel jeweils erreichen, dürfen sie allein entscheiden. Je mehr ein Staat von der Energieproduktion ökonomisch abhängt, desto geringer der Zielwert.

Ziele ohnehin nicht so ambitioniert?

Umweltschützer bejubeln die Ankündigung. „Diese neuen Standards sind gut für unsere Gesundheit, für unsere Wirtschaft und für unsere Kinder in allen künftigen Generationen“, teilte die Organisation Natural Resources Defense Council mit. „Die Zeit läuft ab, aber heute erinnert uns der Präsident daran, dass wir die Lösungen haben.“ Die US-Handelskammer hingegen beklagt den Angriff auf die Wirtschaft und rechnet bereits vor, dass die neuen Regeln der Konjunktur 50 Milliarden Dollar (36,7 Mrd. Euro) entziehen würden.

Doch Experten wissen auch, dass das Ziel nicht revolutionär ist. Der Treibhausgasausstoß in den USA ist seit 2005 bereits um mehr als zehn Prozent gesunken. Das liegt am niedrigeren Energieverbrauch und daran, dass vermehrt Kohle durch Gas ersetzt wird. Zudem hat sich die Erzeugung von Solarkraft verzehnfacht, von Windkraft verdreifacht. Auch hat Obama bereits mehrfach erfolgreich die Limits für den Benzinverbrauch von Fahrzeugen verschärft.

Erlass wird Höchstrichter beschäftigen

Obama will mit der Ankündigung kurz vor dem G7-Gipfel in Brüssel auch international Zeichen setzen. Schon in der vergangenen Woche hatte er in einer außenpolitischen Grundsatzrede angekündigt, die Führung im Kampf gegen den Klimawandel übernehmen zu wollen. „Amerikanischer Einfluss ist immer stärker, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen“, erklärte er. Er muss sich nicht zuletzt moralisch munitionieren, um Umweltsünder wie China oder Indien in die Schranken weisen zu können.

Doch ob die geplante CO2-Regulierung der EPA tatsächlich wie geplant im kommenden Jahr verbindlich wird, ist offen. Der Erlass könnte juristisch anfechtbar sein - und die reiche Stromlobby wird die teuersten Anwälte mit Frontalangriffen gegen die Behörde beauftragen. Derzeit behandelt der Oberste Gerichtshof in Washington bereits eine andere, kleinere Maßnahme im Klimaschutzprogramm der EPA. Das Urteil steht in einigen Wochen aus.

Marco Mierke, dpa

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