Szenarien einer Fußballreise
Es ist eines der größten Sportereignisse weltweit und findet nur alle vier Jahre statt - umso größer ist bei vielen die Vorfreude auf die Fußball-WM in Brasilien, die kommenden Donnerstag beginnt. Für die Fans, die Spiele live im Stadion sehen wollen, ist die Vorfreude mit einem tiefen Griff ins Portemonnaie verbunden. Die Kostenfaktoren sind dabei vielseitig.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Um es vorwegzunehmen: Bestünde das Problem für Fußballfans nur im Organisieren von WM-Tickets, so wäre ein Trip nach Brasilien zwar finanziell anspruchsvoll, jedoch am Ende verkraftbar. Dabei bleibt es freilich nicht: Will man mit Strohhut und Trikot lieber an der Copacabana flanieren statt zwischen Balkon und Wohnzimmer, können sich allerhand finanzielle Abenteuer auftun. Konkret: Interkontinentalflug, im Falle des Besuchs mehrerer Spiele einige Inlandsflüge und - auch ein einschneidender Faktor - die Kosten für eine Unterkunft.
Teure Anreise
Die Flüge zu einem der Spielorte, also etwa nach Rio de Janeiro, Fortaleza oder Brasilia, kosten derzeit mit Start in Wien generell mindestens 1.000 Euro - an vielen Tagen während der ersten beiden WM-Wochen sogar noch deutlich mehr. Nur für die Anreise ins WM-Land ist also derzeit das Doppelte des Normalpreises zu bezahlen. Und das nicht erst seit kurzem: Bereits weit Wochen liegen die Preise für die Verbindungen nach Brasilien weit über dem Durchschnitt. Nach derzeitigem Stand sinken die Preise erst in der dritten WM-Woche wieder.
Doch auch wenn Flüge nach den Vorrundenspielen günstiger werden, die Eintrittskarten werden es nicht. Vor allem wird es mit der Zeit nicht einfacher, an Tickets für Achtel-, Viertel- bzw. Halbfinale zu kommen. Die Preise sind jedenfalls deutlich höher: Während die mittlere Kategorie bei einem Vorrundenspiel 100 Euro kostet, sind im Achtelfinale 123 Euro zu zahlen. Der Eintritt für ein Viertelfinale liegt schon bei 165 Euro - ein Halbfinale kostet in der mittleren Preisklasse 330 Euro. Der Preis fürs Finale liegt bei knapp 500 Euro - wobei man in der günstigsten Kategorie ab 330 dabei ist.
Von Billig bis Wucher
So weit die Theorie zu den Kartenpreisen. In der Praxis sieht vieles ganz anders aus und unterliegt speziellen Faktoren. Erstens: Die meisten der rund drei Millionen Tickets sind bereits im Zuge der offiziellen Verkaufsphasen verkauft worden. Schon innerhalb der ersten Verkaufsphase zwischen Mitte August und Mitte Oktober des Vorjahres gingen laut offiziellen Angaben über sechs Mio. Anfragen beim Weltverband FIFA ein. Bereits im Herbst kamen also auf eine Karte zwei Anfragen.
Nicht mitgerechnet sind die nicht offiziellen Anfragen an, wie die FIFA sie bezeichnet, „nicht autorisierte Verkaufskanäle“. So warnte der Weltverband jüngst vor „skrupellosen Schwarzhändlern“. Im offiziellen FIFA-Statement heißt es dazu: „Dubiose Firmen, Websites und Einzelpersonen versuchen immer intensiver, gutgläubigen Fans Tickets über nicht autorisierte Verkaufskanäle zu weit überhöhten Preisen anzubieten.“
Große Unterschiede bei der Nachfrage
Nicht alle Spiele sind gleich stark nachgefragt. So waren vor dem Beginn der vorerst letzten offiziellen Verkaufsphase Mittwochfrüh laut dem Weltverband FIFA noch 180.000 WM-Tickets zu regulären Preisen zu haben, für die meisten Spiele, wie es heißt. Eine große Rolle spielt außerdem der Austragungsort. Die (ausverkauften) Spiele in Sao Paulo und Rio werden auf Ticketbörsen markant teurer gehandelt, das Finale kostet derzeit etwa mindestens das Zehnfache des Normalpreises - nach oben hin ist der Preis jedoch offen.
Reguläre Karten gebe es nur über die FIFA-Website, lässt der Verband ebendort wissen. Zudem werden die Fans darauf hingewiesen, dass auch nach der allerletzten Verkaufsphase diese Woche Tickets verfügbar werden können, nämlich über die offizielle FIFA-Plattform für den Weiterverkauf von Tickets, über die Besitzer ihre Karten zum Weiterverkauf einreichen können. Maßnahmen, die von der FIFA bewusst gesetzt werden, um den Handel weitgehend selbst im Griff zu behalten (was freilich nicht ganz möglich ist).
Trip ins Nirgendwo
Generell warten Tickets weniger populärer Begegnungen noch auf Abnehmer. Dies - und das zeigt ein Infrastrukturproblem auf - ist weniger mit nach außen hin eher unscheinbareren Begegnungen verbunden, sondern in erster Linie mit dem Austragungsort. Weil Brasilien die Spielstätten im Land gleichmäßig verteilen wollte, wurde etwa ein Stadion mitten in den Dschungel gebaut. Der Ort heißt Manaus - der nächstgelegene Spielort Cuiaba ist fast 1.500 Kilometer entfernt. Dazwischen ist nichts als Regenwald. Diese exponierte Lage bringt es mit sich, dass Tickets für dortige Spiele teilweise zu Schleuderpreisen zu haben sind.
Ein Beispiel: Die in Manaus gespielte Begegnung Honduras gegen Schweiz, kein klassisches Schlagerspiel, wird auf Ticketbörsen um knapp 15 Euro gehandelt, also um weniger als ein Viertel des regulären Preises. Doch auch sportlich interessantere Partie werden unter Wert gehandelt: So kostet etwa die offiziell ausverkaufte Partie Deutschland gegen Ghana auf diversen Portalen 44 Euro, ein Preis mit einem Abschlag von einem Drittel des Regulärpreises. Wiederum liegt das am Spielort: Angekickt wird in Fortaleza, auch dieser Ort im Nordosten ist bei den Fans weniger beliebt.
Probleme mit Infrastrukturen
Zu den Distanzen kommt noch ein anderer Umstand. Bei den Stadien im Norden und Nordosten des Landes hinken die Baufirmen dem Zeitplan am stärksten hinterher, noch immer sind Bauarbeiten in manchen WM-Orten nicht abgeschlossen, das Eröffnungsstadion in Sao Paulo wird sich erst zum Anpfiff am 12. Juni unter „Volllast“ mit 68.000 Zuschauern beweisen müssen. In Manaus kämpft man mit anderen Problemen, hier wurde vor kurzem aufgrund Hochwassers der Ausnahmezustand ausgerufen. Und in Fortaleza ist der Flughafen noch nicht fertig, ersatzweise wird ein Zelt zu einem Terminal umfunktioniert.
All diese Faktoren halten Fans offenbar davon ab, in die betroffenen Orte zu reisen. Ganz abgesehen von den Kosten für einen Flug ab Rio oder Sao Paulo, derzeit nicht unter ein paar Hundert Euro zu haben. Anders sieht es bei Flügen im Süden aus, hier gibt es entsprechende Kontingente: Ein Transfer zwischen Rio und Sao Paulo (etwa eine Stunde Flugzeit) ist bereits ab unter hundert Euro zu haben. Auch die Flüge in die Hauptstadt Brasilia (etwa zwei Stunden) liegen preislich nicht über diesem Niveau.
Hotelpreise ziehen an
Last but noch least: Schlafen muss man ja auch noch irgendwo. Hier gab es vor kurzem noch eine Überraschung: Nur wenige Wochen vor dem Turnier warfen die Reiseveranstalter die bereits vor Jahren geblockten Zimmerkontingente auf den Markt. Darunter auch jene Anbieter, die mit der FIFA zusammenarbeiten und im Namen des Verbands ganze Hotels komplett für sich reservierten. Grund für die großen Restkontingente: Die Anbieter kauften bereits nach der Nominierung Brasiliens als Austragungsland aggressiv Kontingente ein - im Gedanken, keine Kundenanfrage abweisen und damit auf Umsätze verzichten zu müssen.
Aller Kontingente zum Trotz: Fast alles wird markant teurer, die Hotelpreise im Gastgeberland ziehen noch einmal kräftig an. Im Juni zahlen Reisende in einigen Austragungsorten bis zu 86 Prozent mehr als noch im Vormonat, wie das Preisvergleichsportal Trivago am Mittwoch mitteilte. So kostet ein Doppelzimmer in Fortaleza, wo vier Gruppenspiele sowie ein Achtel- und ein Viertelfinale ausgetragen werden, im Juni im Durchschnitt umgerechnet 147 Euro. Im Mai lag der Durchschnittspreis demnach noch bei 79 Euro pro Doppelzimmer. Landesweit betrachtet, steigen die Hotelpreise in Brasilien laut Trivago um durchschnittlich 29 Prozent im Juni an.
Links: