„Schläge, Tritte, Aufhängen an Händen“
30 Jahre nach Verabschiedung der UNO-Konvention gegen Folter startet Amnesty International die Kampagne „Stopp Folter“, denn für die Menschenrechtsorganisation ist Folter nicht nur „weiterhin existent, sie ist sogar auf dem Vormarsch“, wie es im aktuellen Folterbericht heißt. Folter sei nicht nur in Diktaturen, autoritären Regimen und bei Geheimdiensten ein „beliebtes Mittel der Unterdrückung“.
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Zwar würden viele Staaten das absolute Folterverbot ernst nehmen, dennoch seien „auf allen Kontinenten Regierungen jeglicher politischer Couleur an diesem extremen Verfall der Menschlichkeit beteiligt“, so Amnesty am Dienstag. Insbesondere wird in dem Bericht dazu aufgerufen, sich gegen Folter in fünf Ländern einzusetzen, die bei weitem nicht zu den schlimmsten Regimen der Welt zählen: Marokko, Usbekistan, Nigeria, Mexiko und Philippinen.
In jedem zweiten Land weltweit
In den vergangenen fünf Jahren hat die Organisation nach eigenen Angaben über Fälle von Folter und anderen Formen der Misshandlung in 141 Ländern berichtet, also in grob jedem zweiten Land weltweit. Die Dunkelziffer liegt aber vermutlich viel höher, da das nur die Fälle sind, die der Organisation bekanntwurden. Angaben zu Österreich sind nicht in dem Bericht enthalten, Deutschland scheint aber etwa zumindest mit Berichten zu Misshandlungen durch Polizisten auf.
Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty prangerte eine „Doppelmoral der Regierungen rund um die Welt beim Thema Folter“ an: „Per Gesetz wird sie verboten und in der Praxis erleichtert.“ Innerhalb der letzten 30 Jahre haben 155 Länder die Anti-Folter-Konvention ratifiziert. Amnesty zufolge wird in „mindestens 79“ dieser Länder gefoltert. Den USA wirft die Organisation vor, mit den Methoden des „Kriegs gegen den Terror“ ein Vorbild geliefert zu haben. Auch andere Staaten sähen inzwischen Folter als durch Interessen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt an.
Alptraum als Realität
Die weltweit häufigste Form der Folter und Misshandlung ist dem Bericht zufolge das Verprügeln. Weit verbreitet sind auch Stromstöße und Isolationshaft. In vielen Ländern werden die Opfer in unnatürliche Körperhaltungen gezwungen, die schnell große Schmerzen bereiten. Auf den Philippinen wurde sogar ein drehbares „Glücksrad“ mit verschiedenen Folterpraktiken entdeckt, mit dem Polizisten darüber entscheiden ließen, wie sie ihre Opfer quälten.
„Schläge, Tritte, Aufhängen an Händen oder Füßen, Elektroschocks, Isolation, vorgetäuschte Exekutionen, Schlafentzug, Vergewaltigung, Bedrohung durch Hunde - dieser Alptraum ist Realität für unzählige Gefangene weltweit“, sagte die deutsche Amnesty-Generalsekretärin Selmin Caliskan. Folter gelte in vielen Staaten als einfachster Weg, Geständnisse zu erpressen und schnell vermeintliche Ermittlungserfolge vorzuweisen. Eines der größten Probleme sei außerdem Straffreiheit, denn Folter bleibe in der Regel „ungesühnt“.
Mehr als ein Drittel würde Folter erlauben
Eine gemeinsam mit dem Bericht veröffentlichte, weltweite Umfrage (Sample: 21.000) kommt zu dem besorgniserregenden Ergebnis, dass 44 Prozent in Angst vor Folter nach einer Festnahme leben. 82 Prozent waren der Meinung, dass klare Gesetze zur Bekämpfung von Folter notwendig sind. Etwas mehr als ein Drittel (36 Prozent) findet, dass Folter in manchen Fällen gerechtfertigt ist, wenn sie zum Schutze der Bevölkerung dient.
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