Chlorhendl in aller Munde
Liebe geht durch den Magen, heißt es. Und manches schlägt sich auf den Magen. Genau in diesem Spannungsfeld scheinen auch die heimischen Parteien in Sachen EU zu stehen. Jedenfalls geht es im Wahlkampf heuer ausgesprochen kulinarisch zu. Ganz neu ist das in Österreich aber nicht.
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Allen voran den Grünen hat es das Lebensmittelthema angetan. Dem Paradeiser, der „nicht illegal“ werden dürfe, folgte in der zweiten Plakatwelle der Feldhase. Der soll es mit dem Saatgut-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel-Konzern Monsanto aufnehmen: „Monsanto, räum das Feld“ heißt es. EU-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sagte dazu, es gehe um die Nahrungsmittel - und diese seien von Konzernen wie Monsanto bedroht. Der Konzern würde mehr als 90 Prozent des gentechnisch veränderten Saatguts kontrollieren.

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Mit dem Paradeiser - bzw. der Tomate im Westen - startete der grüne Wahlkampf
Das Schweinderl und der Tellerrand
Das Ferkel auf einem anderen Sujet soll die Biolandwirtschaft in den Mittelpunkt rücken. Und sogar beim Thema Korruption setzen die Grünen auf Lebensmittel: Der ehemalige EU-Aufreger „krumme Gurke“ wird den zu bekämpfenden „krummen Geschäften“ gegenübergestellt. NEOS kapriziert sich zwar nicht auf Lebensmittel, aber auch sie plakatieren ein kulinarisches Motiv: viel Pink, darauf ein Teller mit dem Slogan „Wir schauen über den Tellerrand“. Und das Über-den-Tellerrand-Schauen wird die gesamte Kampagne begleiten.

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NEOS und der Teller
Freihandelsabkommen und seine Folgen
Auch die SPÖ machte sich im Wahlkampf für heimische Lebensmittel stark. Spitzenkandidat Eugen Freund stellte Mitte April ein „Sieben-Punkte-Programm für sichere Lebensmittel und nachhaltigen Umweltschutz“ vor. „Chlorhuhn und Genmais dürfen auf keinen Fall auf österreichischen Tellern landen“, so die Forderung des Spitzenkandidaten. Ziel sei es, österreichische Standards auch in der EU durchzusetzen. Dabei sollten Konzerne nicht zu stark über unsere Lebensmittel bestimmen dürfen. Ein Grund, warum Nahrung in den Wahlkampfmittelpunkt rückt, ist freilich das geplante USA-EU-Freihandelsabkommen (TTIP), von dem eine Aufweichung der europäischen Lebensmittelstandards befürchtet wird.
Immer wieder Feinkostladen
So warnte die SPÖ vor Hormonschnitzeln und Lunacek neben dem Chlorhendl vor Klonfleisch. Überhaupt ist das Chlorhendl in aller Munde. Die ÖVP rückt zwar andere Themen in den Vordergrund, Spitzenkandidat Othmar Karas und Elisabeth Köstinger, Außenhandels- und Agrarsprecherin der ÖVP im EU-Parlament, nannten aber erst unlängst Bedingungen für das Freihandelsabkommen.
„Tiroler Speck und Linzer Torte statt Chlorhendl und Hormonfleisch“, hieß es dabei. Das erinnert doch frappant an den „Feinkostladen Österreich“, der in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder - auch von der ÖVP - der europäischen Nahrungsmittelgroßindustrie entgegengesetzt wurde.
FPÖ sieht sich als Vorreiter
Die FPÖ beschäftigt sich im Zentrum ihrer Kampagnen zwar mit anderen Themen, sieht sich in Sachen Nahrungsmittelsicherheit aber ohnehin als Vorreiter. Gentechnik und Lebensmittelkennzeichnung habe die FPÖ schon ausführlich thematisiert, meinte zuletzt Spitzenkandidat Harald Vilimsky.
Er warf der SPÖ vor, jetzt auf den Zug aufzuspringen und „Bauernfängerei“ zu betreiben, in den vergangenen Jahren aber sich für diese Themen nie eingesetzt zu haben. Zudem gab es zuletzt einige Initiativen der FPÖ, die „EU-Bürokratie“ gegenüber der Gastronomie in die Schranken zu weisen.
Blutschokolade und die Schildlaus
Die FPÖ war es jedenfalls, die das Thema Kulinarik in Sachen EU groß gemacht hat - auch wenn das schon Jahrzehnte zurückliegt. Vor der Abstimmung über einen EU-Beitritt Österreichs 1994 machten vor allem zwei Schlagworte die Runde: Blutschokolade und die Schildlaus, die angeblich für die Joghurtproduktion verwendet worden sei. Der damalige Parteichef Jörg Haider schaffte es, dass diese beiden Schauermärchen jahrelang durch die heimische Politik geisterten.
Dauerbrenner Wasser
Und auch bei den früheren EU-Wahlen waren ähnliche Themen schon öfters am Tapet. So war bereits im Wahlkampf 2004 Genmais einer der zentralen Streitpunkte, oder eigentlich nicht, weil alle Parteien davor warnten. Und auch die Debatte über Wasser zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. 1994 hieß es gar, das heimische Wasser würde durch die EU an Spanien gehen. Die Diskussion über eine mögliche Privatisierung tauchte immer wieder auf - auch heuer durch Aussagen von NEOS-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar.
Nachdem Lebensmittel 2004 kaum aus dem Wahlkampf wegzudenken waren, blieb es 2009 diesbezüglich eher ruhig. Sicherheit und Türkei-Beitritt zur EU waren die bestimmenden Themen, vor allem der FPÖ-Wahlkampf sorgte für Gesprächsstoff. Hans-Peter Martin sorgte mit seiner Liste für ein ebenso höchst emotional diskutiertes Thema, das zumindest ein bisschen kulinarisch klang: das Ende der klassischen Glühbirne.
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