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„Queen of Austria“ als „Queen of Europe“?

Man mag nicht in Conchita Wursts Haut gesteckt sein in den Sekunden, als der letzte Teilnehmer genannt werden sollte, der es ins Song-Contest-Finale schaffen würde. „Austria, Austria“-Sprechchöre hallten durch die Alte Schiffswerft in Kopenhagen. Und dann war es so weit: Die von den Moderatoren mit viel Sympathie als „Queen of Austria“ benannte Künstlerin hatte es geschafft - und Österreich steht im Finale.

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Schon beim Auftritt von Conchita Wurst wurde deutlich, wie stark in der Halle das Publikum auf der Seite der Sängerin stand, die in Österreich und Europa durchaus polarisiert - und eben auch Begeisterung verbreitet. Seit Freitagfrüh rangiert Conchita Wurst bei Buchmachern und in Medienberichten als Favoritin beim Eurovision Song Contest sehr weit oben. „Einen klaren Favoriten für den Sieg“ machte etwa das ARD-„Morgenmagazin“ am Freitag in ihr aus. Für Deutschland legte man eine bescheidene Zielmarke fest: Besser als Cascada im Vorjahr. Und die rangierte ja ziemlich am Schluss.

Conchita Wurst freut sich nach dem Auftritt

ORF/Milenko Badzic

Sichtbare Erleichterung nach dem Einzug ins Finale bei Wurst und ihren Begleitern

„Schicksalstage einer Kaiserin“

„Conchita Wurst, Schicksalstage einer Kaiserin“, titelte der „stern“ am Freitag und fügte hinzu: „Wird sie die Nachfolgerin von Udo Jürgens? Mit Bartträgerin Conchita Wurst könnte Österreich zum zweiten Mal den ESC gewinnen. Beim Semifinale wurde sie in Kopenhagen wie eine Kaiserin gefeiert.“

„Erst geschmäht, dann bejubelt: Die österreichische Travestiekünstlerin Conchita Wurst wurde mit Diven-Bombast zur Siegerin der Herzen - beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests. Keine Frage: Nun muss der Damenbart auch in der Endrunde gewinnen“, schrieb der „Spiegel“ (Onlineausgabe) am Freitag.

Screenshot von Conchitas Facebook-Auftritt mit Foto von Conchita Wurst

Screenshot Facebook.com

Dank an die Fans auf der Facebook-Site: „Likes“ kommen im Sekundentakt

Bei den Wettanbietern haben Schweden, die Niederlande und Österreich die niedrigsten Quoten, sind also die höchsten Favoriten. Armenien ist schon leicht ins Hintertreffen geraten im Rennen um die Top Drei. „Waking up with a Smile“, schrieb Conchita Wurst am Freitagvormittag in ihr Facebook-Profile und sammelte im Minutentakt Hunderte „Likes“ ein. In der Nacht meinte sie: „Wir haben noch ein gutes Stück vor uns.“ Auch könne man nicht davon sprechen, dass der Sieg nun greifbar sei: „Der Sieg ist dann greifbar, wenn ich die Trophäe in der Hand habe.“

Aufstieg wie Phönix auch bei den Quoten

Conchita Wurst gelang in den vergangenen Tagen ein Durchmarsch, lag die dunkelhaarige Lady bei den Wettanbietern doch noch vor zwei Tagen auf Platz zehn. Für einen Sieg müsste sich die Vollbartträgerin aber erst gegen die derzeit hauchdünn auf Platz eins liegende Schwedin Sanna Nielsen durchsetzen, die mit „Undo“ in die Fußstapfen von Celine Dion tritt. Zu den Aufsteigern der vergangenen Tage gehört auch die derzeitige Nummer zwei bei den Buchmachern, das Folkduo The Common Linnets aus den Niederlanden, das mit seinem Duett „Calm After The Storm“ etwas an Lady Antebellum erinnert.

Teilnehmer des Song Contests nach der Show auf der Bühne

APA/EPA/Nikolai Linares

Das Gruppenbild am Ende des zweiten Halbfinales in Kopenhagen

Bereits mit leichtem Abstand auf dieses Führungstrio folgt der lange Zeit als Favorit gehandelte armenische Kandidat Aram MP3 mit „Not Alone“, der stimmlich im ersten Halbfinale etwas gewankt hatte. Auf Platz fünf sehen die Wettenden derzeit einen Beitrag, der noch gar nicht im offiziellen Wettbewerb zu hören war: Großbritannien, das als großer Geldgeber automatisch erst im Finale startet, schickt mit „Children Of The Universe“ die rauchige Stimme von Molly ins Rennen.

Ostermayer freut sich über Statement für Toleranz

Lob kommt mittlerweile auch aus der Politik. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) wertete den Finaleinzug als „ein starkes Zeichen für ein tolerantes und offenes Europa“. Wursts Teilnahme sei „ein Statement für die Freiheit der Kunst in Form und Ausdruck“. Er gratulierte Conchita Wurst „zu ihrem erfolgreichen Auftritt und wünsche alles Gute für das Finale in Kopenhagen“.

TV-Hinweis

ORF eins zeigt das Finale des Eurovision Song Contests am Samstag ab 20.15 Uhr und startet mit einem Porträt von Conchita Wurst - mehr dazu in tv.ORF.at.

In ORF eins verfolgten Donnerstag bis zu 850.000 Zuseher den Song von Wurst, das anschließende Voting sahen im Schnitt 822.000 (Spitzenwert: 872.000) Zuschauer bei einem Marktanteil von 44 Prozent.

„Ich habe nur geweint“

Am Donnerstag nach 22.00 Uhr hatte Conchita Wurst einige Schreckminuten zu überstehen, bevor sie sich über ihr Finalticket freuen konnte, wurde sie doch erst als zehnter und damit letzter Kandidat genannt. Hier hat der Zufall der Dramaturgie in die Hände gespielt, wird die Reihenfolge der Verkündung doch ausgelost: „Ich habe mir in dem Moment nur gedacht: Da sitzt doch hinter mir noch die Israeli - und die hat so eine Megastimme. Ich gönne es ihr von Herzen - aber bitte, bitte.“

Schließlich war es Israel, das nach Hause fahren muss, während Wursts Reaktion eindeutig ausfiel: „Ich habe nur geweint.“ Mit etwas Abstand zeigte sich die Diva mit Gesichtsbehaarung nach ihrem Triumph jedenfalls überglücklich über den Einzug ins Finale: „Ich habe alles gegeben, was ich hatte - und das hat Gott sei Dank fürs Erste gereicht.“ Auf das glatte Eis einer Zielformulierung für die Finalrunde am Samstag ließ sich Wurst von den Medienvertretern jedenfalls nicht führen.

Conchita Wurst singt beim Song Contest

AP/Frank Augstein

Das Publikum in der Halle reagierte stark auf „Rise Like A Phoenix“

Für das Duo und auch für Wurst und die anderen 24 qualifizierten Teilnehmer wird es am Samstag wieder ernst. Der Österreich-Beitrag geht als elfter ins Rennen. Den Auftakt macht die Ukraine. Noch während des laufenden Halbfinales schnellte die Wettquote für Conchita Wurst nach oben.

Glamourös in goldener Robe

Wurst trat mit der Startnummer sechs auf die große Bühne der alten Schiffswerft im dänischen Kopenhagen. Schon im Vorfeld wurden ihr gute Chancen eingeräumt. Mit ihrer glamourösen Performance in goldener Robe enttäuschte sie ihre Fans nicht und bewies ihren Kritikern, dass hinter Bart und Make-up eine große Stimme steckt. „Bei keinem der insgesamt 15 Halbfinalisten gab es einen vergleichbaren Jubel“, schrieb auch die Nachrichtenagentur AFP.

Die dänischen Gastgeber sorgten bei der Bekanntgabe der letzten zehn Finalisten für Hochspannung. Erst als letzter erfolgreicher Halbfinalist wurde bei der von „Conchita“- und „Austria“-Rufen begleiteten Bekanntgabe der Finalisten Österreich benannt - doch laut Angaben der Moderatoren war die Reihenfolge der Teilnehmerländer zufällig. Eine Reihung gab es wie auch schon im ersten Halbfinale nicht, um die Spannung vor dem Endbewerb nicht zu verderben.

Conchita Wurst mit dem Song "Rise Like a Phoenix"

ORF/Milenko Badzic

„Rise Like A Phoenix“ - Conchita Wurst machte dem Titel ihres Songs alle Ehre

Neben der österreichischen Kandidatin schafften am Donnerstag auch die Teilnehmer aus der Schweiz, Slowenien, Polen, Malta, Rumänien, Norwegen, Griechenland, Weißrussland und Finnland den Einzug ins Finale. Nicht erfolgreich waren die Künstler aus Georgien, Israel, Litauen, Irland und Mazedonien - für sie endete der Traum vom Song-Contest-Sieg bereits in der Vorausscheidung.

Getanzte Eifersucht zum Auftakt

Eröffnet wurde das zweite Halbfinale mit einer akrobatischen Tanzdarbietung zum wohl berühmtesten dänischen Musikstück, dem Tango „Jalousie“ („Eifersucht“) von Jacob Gade. Den Wettbewerb eröffnete danach die maltesische Folk-Band Firelight, die aus den vier Geschwistern Richard, Michelle, Wayne und Daniel sowie deren engen Freunde Tony und Leslie besteht. Ihr Song „Coming Home“ ist ein flotter Folk-Popsong mit eingängigem Refrain, den die sechs Sänger, die sich selbst auf ihren Instrumenten begleiten, unprätentiös darbrachten.

Firelight von Malta mit „Coming Home“

APA/EPA/Nikolai Linares

Die maltesische Folk-Band Firelight kennt sich schon seit Kindertagen - vier von den sechs Mitgliedern sind Geschwister

Die 31-jährige Israelin Mei Finegold überraschte mit einer für ihre zarte Erscheinung tiefen Stimme. Ihr Song „Same Heart“ ist eine einfach komponierte Pop-Rock-Dance-Nummer in Englisch und Hebräisch, die sie im knappen Domina-Outfit und unterstützt von zwei Background-Tänzerinnen performte. Gereicht hat das nicht, Mei Finegold musste die Hoffnung auf ein Antreten im Finale am Donnerstag begraben.

Bärtige Konkurrenz aus Norwegen

Norwegen schickte heuer den bärtigen Ex-Handwerker, Ex-Soldaten, Ex-Türsteher Carl Espen zum Song Contest. Der ist noch recht neu im Showgeschäft und hofft mit „Silent Storm“ auf einen guten Platz in Kopenhagen, um danach gänzlich im Musikbusiness Fuß fassen zu können. Bei seiner kopfstimmenlastigen Ballade ließ er sich von einem Pianisten und vier Geigerinnen begleiten. Schon im Vorfeld schien die Chance, dass ihm das gelingen könnte, recht hoch, auch wenn Espen bei den Buchmachern in den letzten Tagen sukzessive von sehr weit vorne ein paar Plätze nach hinten rutschte. Im Halbfinale überzeugte Carl Espen trotzdem mühelos und sicherte sich so sein Finalticket.

Wie schon die Malteser besang mit Startnummer vier auch die georgische Band The Shin and Mariko mit einer Folknummer den Prozess des Nachhausekommens. „Three Minutes to Earth“ heißt ihr Song, der mit einer Art Jodelpassage beginnt und in dem sich traditionelle und Pop-Elemente ausmachen ließen. Ähnlich wie der Text war auch der Auftritt der Kombo angehaucht, während Sängerin Mariko im giftgrünen Wallekleid über die Bühne tanzte und der Percussionist einen aufgespannten Gleitschirm umgeschnallt hatte und von einem kleinen Podest hüpfte. Wiederholen wird er diesen kleinen Stunt am Samstag nicht - die Georgier müssen nach dem Aus im Halbfinale die Heimreise antreten.

Gogo-Dirndlkleider aus Polen

Den Spaßbeitrag des zweiten Halbfinales lieferten die Polen, die in ihrem Lied „My Slowianie - We Are Slavic“ Schönheit, Charme und Smartness slawischer Mädchen abfeiern. Zumindest im Text. In der Performance kommen die Besungenen mit ihren Gogo-Dirndlkleidern eher billig und nicht sonderlich intelligent herüber.

„Sexistisch“ nennen das Kritiker, „Ironie“ nennt es das Duo Cleo und Donatan, das mit der Mischung aus Hip-Hop, Pop und Volksmusik in Polen den größten YouTube-Hit aller Zeiten landete. Weniger wegen der musikalischen Qualität, darf vermutet werden, sondern eher wegen des Videos, in dem sich vollbusige Frauen mit äußerst kurzen, dafür umso tiefer dekolletierten Trachten auf einem Bauernhof räkeln. Dem internationalen Publikum und den Jurys des Wettbewerbs schien die polnische Nummer trotzdem oder gerade deswegen so gut zu gefallen, dass sie den Beitrag ins Finale wählten.

Donatan & Cleo performen für Polen den Song "Slavic Girls"

APA/EPA/Jörg Carstensen

Die polnischen Tänzerinnen wechselten zwischen lasziven Bewegungen und Folkloretänzen

Nach Conchita Wursts heftig beklatschtem Auftritt startete auf Platz Nummer sieben die litauische Sängerin Vilija Mataciunaite mit dem Elektropop-Song „Attention“. In einem futuristischen schwarzen Lederoutfit mit Tütü war ihr und ihrem Backgroundtänzer die Aufmerksamkeit des Publikums sicher, auch wenn dem Lied mehr Abwechslung eindeutig gutgetan hätte, für den großen Bewerb am Wochenende reichte es jedenfalls nicht.

Boyband-Rock aus Finnland

Für Finnland ging die Band Softengine mit dem Alternative-Rock-Song „Something better“ ins Rennen, der ziemlich wie nach einer abgeschriebenen Killers-Nummer klang. Mit Nummer neun und der Nummer „Heartbeat“ setzte nach Malta und Georgien auch Irland im Halbfinale auf eine Mischung aus modernen Beats und Folkanklängen, dieses Mal illustriert von keltischer Symbolik in den Kostümen und im Bühnenbild. Geigen- und Flötenuntermalung zählt ja, neben der Windmaschine, schon lange zu einem beliebten Song-Contest-Motiv, im Song der irischen Teilnehmer Can-Linn featuring Kasey Smith ist der Originalitätsfaktor aber nicht nur deshalb kaum auszumachen - das sah auch das Publikum so und schickte die Iren nach Hause.

Liebes-Aus wegen Topfenkuchens

Mit der Startnummer zehn betrat der junge Sänger Teo, die weißrussische Antwort auf Robin Thicke, die Bühne in Kopenhagen. Der 31-Jährige hat schon in den vergangenen Jahren die Beiträge der weißrussischen Song-Contest-Kandidaten komponiert, heuer trat er erstmals selber an. In seinem Song „Cheesecake“ besingt er die Trennung von einer jungen Frau, die es gewagt hat ihn „mein süßer Topfenkuchen“ zu nennen. Auf die Bühne durfte die Ex-Freundin auch nicht, stattdessen tanzten dort vier Sänger mit ihm. Obwohl er bei den Buchmachern nicht gerade gut angeschrieben ist, darf Teo auch im Finale noch einmal antreten.

Teo aus Weißrussland mit „Cheesecake“

APA/EPA/Nikolai Linares

Mit blöden Kosenamen lässt sich Teo aus Weißrussland von seiner Liebsten nicht rufen

Mazedonien schickte mit Tijana Dapcevic einen Star der Balkanregion ins Rennen, die Sängerin konnte bereits mehrfach in den Hitparaden ihrer Heimat und der Nachbarländer punkten. Der Dance-Song „To The Sky“ gibt ihr aber nicht allzu viel Gelegenheit, Stimme zu zeigen - zu wenig offenbar auch für das Finale.

Der pfeifende Schweizer

Aus der Schweiz kam dann zum vierten Mal an diesem Abend eine Folknummer, wieder mit Geigenbegleitung - dieses Mal sogar vom Sänger selbst gespielt, der auch noch pfeifen kann. Der 28-jährige Sebastiano Pau-Lessl tritt unter dem Namen Sebalter auf und konnte in Kopenhagen mit seinem flotten Feel-Good-Song „Hunter Of Stars“ untermalt von einer imposanten Feuerwerksshow überzeugen.

TV-Hinweis

ORF eins überträgt das Finale am Samstag ab 21.00 Uhr live in ORF eins und im Livestream.

Völlig von der gewohnten Linie wich heuer Griechenland ab und schickte das Dance-Projekt Freaky Fortune feat. Risky Kidd mit dem optimistischen Titel „Rise up“ zum Song Contest, was laut den Künstlern mehr als ein Lied ist, sondern gleich eine ganze Bewegung. Für Bewegung auf der Bühne sorgten aber nicht nur die DJ-Sänger, sondern auch ein Trampolinspringer, der sich im Hintergrund in die Höhe spiralisierte. Damit ist auch Griechenland der Sprung in die Top 26 des Finales gelungen.

Querflöten-Intro aus Slowenien

Als vorletzte Kandidatin kam mit der Slowenin Tinkara Kovac das beim Song-Contest nahezu unvermeidliche Flötenintro, das im letzten Jahr immerhin den Siegersong einleitete. Heuer wurde es durch die Sängerin selbst per Querflöten-Playback zum Besten gegeben. Die englisch-slowenische Nummer „Spet (Round and round)“ ist auch sonst ein recht typisches Song-Contest-Lied und damit wenig überraschend eine Runde weiter.

Rumänisches Duo Paula Seling & OVI  mit „Miracle“

APA/AP/Frank Augstein

Paula Seling & Ovi schmückten ihren Auftritt mit Zauberkunststücken aus, Ovi klimperte außerdem (Playback) auf einem runden Klavier

Den Abschluss des zweiten Halbfinales machte das rumänische Duo Paula Seling & Ovi mit dem Song „Miracle“. Für die zwei Sänger ist es bereits der zweite Song-Contest-Antritt - sie waren schon 2010 in Oslo am Start, damals belegten sie den dritten Platz. Der heurige Beitrag ist eine flotte Tanznummer, für die die beiden auch Zaubertricks einstudiert haben - wie von den Buchmachern vorhergesagt, reichte das locker fürs Finale.

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