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Bei 80 km/h fließt der meiste Verkehr

Unzählige Sensoren sammeln auf Österreichs Autobahnen laufend Informationen über die aktuelle Verkehrslage und die Umweltbedingungen. Auf diese Weise versucht der heimische Autobahnbetreiber ASFINAG, drohende Staus möglichst schnell zu erkennen und sie so zu vermeiden. Für die Verkehrsüberwachung fühlt sich die ASFINAG nicht zuständig.

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Sie arbeiten unbemerkt, dafür aber ohne Unterlass: die Sensoren auf den heimischen Autobahnen. Sie messen laut Angaben des Autobahnbetreibers ASFINAG laufend Daten wie die Zahl und Art der Fahrzeuge und ihre Geschwindigkeit, aber auch Umweltdaten wie die Wasserfilmdicke (Nässe) auf der Straße, die Sichtweiten sowie die Temperatur der Luft und der Fahrbahn.

Verkehrsanlagen agieren vollautomatisch

In erster Linie werden die in einem Rechenzentrum in Inzersdorf gesammelten Daten für die Koordination und Beeinflussung des täglichen Verkehrs genutzt. Das geschieht im Regelfall vollautomatisch. Die Steuerungsalgorithmen für die Verkehrsbeeinflussungsanlagen arbeiten mit Schwellenwerten, die von Verordnungen determiniert sind. „Da passiert nichts aus Jux und Tollerei“, sagt Christian Ebner, Leiter des ASFINAG-Verkehrsmanagements, gegenüber ORF.at. Wenn etwa in der Früh und am Abend dichter Verkehr ist oder es regnet, regelt die Anlage vollautomatisch die Geschwindigkeit herunter.

Verkehrskontrollzentrum der Asfinag in Inzersdorf in Wien

ORF.at/Dominique Hammer

Die Videobilder von insgesamt 5.000 Videokameras der ASFINAG müssen die Operators in den in ganz Österreich verteilten Zentralen überwachen

Nur bei bestimmten Ereignissen wie Unfällen oder Baustellen übernehmen die zuständigen Operators in der jeweiligen Verkehrsleitzentrale das Kommando. Sie überwachen die Anlagen aber auch auf Funktion und Plausibilität. Zudem haben sie in den Zentralen ständig die Bilder aus den rund 5.000 Videokameras, die abwechselnd auf den großen Leinwänden eingeblendet werden, im Auge. Auch hier gibt es Algorithmen, die bei außerordentlichen Vorkommnissen wie Rauchentwicklung Alarm schlagen und das jeweilige Bild auf den Monitor des zuständigen Operators aufspielen.

Geschwindigkeitsreduktionen „schwer vermittelbar“

„Wenn der Autofahrer im Stau steht, ist es zu spät“, so Ebner. Man könne zwar auf lange Sicht keinen Stau verhindern, aber das Risiko reduzieren. „Wenn ich den Verkehr schon im Zulauf drossle und damit harmonisiere, bringe ich mehr Fahrzeuge durch ein Nadelöhr, als wenn alle ungebremst auf einen Flaschenhals hinfahren.“

Verkehrskontrollzentrum der Asfinag in Inzersdorf in Wien

ORF.at/Dominique Hammer

Auf den Bildschirmen sehen die Mitarbeiter genaue Informationen über einzelne Straßenabschnitte

Wichtig sei dabei, dass der Autofahrer auch entsprechend informiert werde, denn dieser verstehe meistens nicht, warum er auf einer vermeintlich freien Strecke plötzlich langsamer fahren soll. „Das ist nur ganz schwer vermittelbar, das ist uns bewusst“, so Ebner. Entsprechend sei auch die Akzeptanz „ein Riesenthema“, denn die Autofahrer halten sich laut Ebner nicht an die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten. „Und das ist das Problem.“ Würde sich jeder Autofahrer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, so Ebner, wäre der Effekt viel größer. „Nur der Österreicher ist halt so, wenn 60 erlaubt ist, fährt er 70 bis 80, bei 80 90 bis 100 und so weiter.“ Eine Beschränkung auf 100 km/h werde sehr gut akzeptiert, sagt Ebner, 60 gar nicht, 80 gehe noch. „Aber je näher ich nach Wien komme, und je geringer die Geschwindigkeit wird, desto geringer wird die Akzeptanz.“

ASFINAG wünscht sich mehr Verkehrsüberwachung

Entsprechend wünscht sich die ASFINAG, dass der Verkehr auf den heimischen Autobahnen strenger überwacht wird. Section Controls und auch Radaranlagen seien aber nur zur Steigerung der Sicherheit vorgesehen, nicht zur Kapazitätskontrolle, so Ebner. Als optimale Geschwindigkeit gelten laut ASFINAG 80 km/h, dabei könne der meiste Verkehr fließen. „Das heißt aber nicht, dass wir auf der Autobahn nur 80 km/h wollen.“ Die ASFINAG bekenne sich zu einer Regelgeschwindigkeit von 130 km/h, reduziert werde nur, wo es unbedingt notwendig und zweckmäßig sei. Eine höhere Geschwindigkeit als 130 sei kein Thema.

Verkehrskontrollzentrum der Asfinag in Inzersdorf in Wien

ORF.at/Dominique Hammer

Trotz viel Automatisierung müssen die Operators jederzeit einsatzbereit sein

Verkehrsüberwachung sei grundsätzlich kein Thema der ASFINAG, so Ebner. Die ASFINAG habe zwar klare Vorstellungen, wo etwa Section-Control-Anlagen oder Radaranlagen eingesetzt werden könnten, aber die finale Entscheidung trifft die jeweilige Verkehrsbehörde. ASFINAG, Länder, Polizei und die Behörden selbst können Vorschläge für neue Anlagen einbringen, über die dann beraten und je nach Fall auch auf Basis eines Gutachtens entschieden wird.

Die Strafgelder fließen zu 80 Prozent zur ASFINAG, den Rest bekommt die Polizei, die sämtliche Radar- und Section-Control-Anlagen betreibt. Bei Gemeinde- und Landesstraßen fließen die 80 Prozent jeweils an Land oder Gemeinde. Strafgeldeinnahmen aus dem Immissionsschutzgesetz gehen zu 100 Prozent an die Länder.

Daten gehen nicht an Polizei

Ausgewertet würden die gesammelten Daten aber auch für zahlreiche weitere, unterschiedliche Anwendungsfälle. Dazu zählen laut ASFINAG etwa bauliche Maßnahmen wie die Dimensionierung von Straßenquerschnitten, Tunneln und Brücken, die Planung von Baustellen, aber auch die Verkehrsforschung und Sicherheitsanalysen. Die gesammelten Daten werden laut ASFINAG seit 2004 mit der Inbetriebnahme des Verkehrsmanagement- und Informationssystems (VMIS) automatisiert aufgezeichnet und archiviert. Bisher seien noch keine Daten gelöscht worden.

Kameras für Verkehrsbeobachtung und „sonst nix“

Die Daten und auch Videos würden auch nicht an die Polizei weitergegeben, zudem seien die Videoaufnahmen etwa für das Erkennen von Kennzeichen nicht ausgelegt. Die entsprechenden Anlagen auf Niederösterreichs Autobahnen gehören der Polizei, so Ebner. Nur ein Teil der 5.000 Kameras sei schwenk- und zoombar. Lediglich von den 3.000 Kameras in den Tunnels werden die Videos 72 Stunden lang gespeichert, danach werden sie automatisch überschrieben. Bei einem Unfall werde das Video automatisch in den Speicher gelegt. Videos von den Rastplätzen werden demnach 48 Stunden lang gespeichert.

Natürlich sei eine Aufrüstung der Kameras etwa für die Kennzeichenerfassung möglich, so Ebner, aber erlaubt sei es nicht. „Die ASFINAG macht sich keine Gedanken, wie ich Verbrecher auf der Autobahn fange. Das ist nicht unsere Kompetenz.“ Darüber müsse sich das Innenministerium Gedanken machen. „Wir haben unser Videosystem für die Verkehrsbeobachtung im Einsatz, und für sonst nix.“

Kommt die vollvernetzte Autobahn?

Für die Zukunft kann sich Ebner vorstellen, dass auch die Autos selbst mehr Daten liefern. Wenn etwa ein Scheibenwischersensor Regen meldet oder ein Auto bremst, könnten diese Informationen auch für andere Autofahrer genutzt werden. Als Straßenbetreiber wolle die ASFINAG an möglichst viele Daten etwa über Verkehrsbehinderungen kommen, um diese dann an ihre Kunden weitergeben zu können. Schon jetzt wisse die ASFINAG auf Basis des Mautsystems etwa jederzeit, in welchem Mautabschnitt sich ein Lkw befindet und wie schnell er fährt. Natürlich könne man auf diese Weise auch den Bau neuer Sensoren vermeiden, aber nur auf externe Sensoren verlassen wolle sich die ASFINAG auch nicht.

Für den tatsächlichen Einsatz etwa von automatischen Abstandshaltern brauche es aber nicht nur die passenden ausgereiften Systeme, auch die Gesetzgebung müsse entsprechend nachziehen. „Es ist immer die Frage: Was will ich der Technik überlassen, und was kann ich der Technik überlassen? Dabei geht es um Haftungsfragen: Wer haftet, wenn die Technik versagt?“ Er sei überzeugt, dass die Reise in diese Richtung gehe. Nur wo die Grenze ist, das sei die Frage.

Nadja Igler, ORF.at

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